Neue Berliner Landesregierung - Franziska Giffey ist neue Regierende Bürgermeisterin von Berlin

SPD-Chefin Franziska Giffey ist zur Regierenden Bürgermeisterin von Berlin gewählt worden. Sie ist die erste Frau in diesem seit 1951 bestehenden Amt. Giffey bekam 84 Stimmen. Am Abend hat dann neue Senat zum ersten Mal getagt.
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat SPD-Chefin Franziska Giffey am Dienstag zur Regiereden Bürgermeisterin gewählt. Giffey, die mit der SPD die Wahlen im September knapp gewonnen hatte, ist die erste Frau in diesem Amt. Nach der Wahl hatte Giffey eine Koalition mit Grünen und Linken gebildet.
Die 43-Jährige erhielt 84 Ja-Stimmen, 52 Abgeordnete stimmten mit Nein. Anwesend zur Plenumssitzung waren 139 Abgeordnete, acht Abgeordnete fehlten aus gesundheitlichen Gründen. Die Koalition von SPD, Grünen und Linken kam damit auf 87 Stimmen, die Opposition auf 52 Stimmen. Für die Berechnung der Mehrheit zählte allerdings die Zahl aller Abgeordneten im Berliner Parlament - also 147.
Ihre Regierung stehe vor großen Herausforderungen, so Giffey, darunter die Bewältigung der Corona-Pandemie, der Klimawandel und die Verkehrswende. "Das sind ernste Aufgaben, vor denen wir stehen und wir wollen sie mit Respekt, Mut und Zuversicht angehen", sagte Giffey. Sie sehe für das "neue Jahrzehnt der 20er Jahre, die anknüpfen an die große Historie unserer Stadt" eine Zeit "des Aufbruchs, der Erneuerung, der Investitionen, des Fortschritts und auch der Bewältigung der großen Krisen".

Woidke gratuliert: "Streiterin für die Belange der Menschen"
Berlin bekommt damit erstmals eine Regierende Bürgermeisterin - und zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung ein aus der DDR stammendes Stadtoberhaupt. Allerdings ist Giffey nicht die erste Frau, die die Geschicke der Stadt leitet: 1947/48 amtierte die SPD-Politikerin Louise Schroeder kommissarisch als Oberbürgermeisterin im Nachkriegs-Berlin.
Glückwünsche kamen unter anderem aus Berlins Nachbarbundesland Brandenburg. "Ich schätze Sie als eine überaus engagierte, klare und konsequente Streiterin für die Belange der Menschen im täglichen Leben und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Regierungszeit", sagte der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nach der Wahl Giffeys, deren Vereidigung er als Gast im Abgeordnetenhaus verfolgt hatte.
Plagiatsaffäre überstanden, SPD zum Wahlsieg geführt
Giffey hat bereits eine steile politische Karriere hinter sich. Binnen weniger Jahre stieg sie von der Bildungsstadträtin im Berliner Bezirk Neukölln über das Amt der Bezirksbürgermeisterin zur Bundesfamilienministerin auf. Im Mai trat sie im Zuge einer Plagiatsaffäre, die sie den Doktortitel kostete, als Ministerin zurück.
Als Spitzenkandidatin bei der Abgeordnetenhauswahl fuhr Giffey zwar mit 21,4 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis für die Berliner Sozialdemokraten ein. Gleichzeitig sicherte sie der SPD aber den Wahlsieg vor Grünen, CDU, Linken, AfD und FDP.
Rot-grün-roter Koalitionsvertrag unterzeichnet
Zuvor hatten SPD, Grüne und Linke am Dienstagvormittag nach knapp drei Monaten Verhandlungszeit ihren Koalitionsvertrag unterzeichnet.
Elf Spitzenpolitiker der drei Parteien, darunter Giffey, setzten in der Staatsbibliothek in Berlin-Mitte ihre Unterschriften unter das Regierungsprogramm. Es soll Grundlage für die weitere Zusammenarbeit in den kommenden fünf Jahren sein.
"Ich bin sehr stolz auf meine Tochter"
Nach ihrer Wahl fuhr Giffey ins Rote Rathaus, um dort die Amtsgeschäfte von ihrem Vorgänger Michael Müller zu übernehmen. Danach ernannte sie im Wappensaal die neuen Senatorinnen und Senatoren.
Zu den ersten Gratulanten zählten auch Giffeys Vater Wolfgang Süllke, ihr Bruder Wolfram Süllke und Giffeys Sohn, die das Prozedere im Plenum von der Zuschauertribüne aus beobachtet hatten. "Ich bin sehr stolz auf meine Tochter", sagte der 67-jährige Wolfgang Süllke, der in Briesen im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree lebt, der Deutschen Presse-Agentur. "Sie kommt aus einer Handwerker-Familie und hat schon so viel erreicht."
Die Süllkes betreiben in Briesen eine Autowerkstatt. Ihre Tochter beziehungsweise Schwester treffen sie regelmäßig, wie beide erzählen. "Familie ist eben Familie", so Wolfgang Süllke. Der Sohn der Politikerin geht in Berlin zur Schule. "Ich bin zum ersten Mal im Abgeordnetenhaus", sagte der Siebtklässler der DPA. "Mir gefällt es. Ich bin stolz auf meine Mutter und zufrieden."
Opposition sieht in Volksentscheid "Sollbruchstelle"
Die Opposition im Abgeordnetenhaus gratulierte Giffey zur Wahl, sieht aber zugleich vor allem im Umgang mit dem Volksentscheid zu Enteignungen großer Immobilienunternehmen große Stolperfallen für Rot-grün-rot. CDU-Landeschef Kai Wegner teilte nach Giffeys Wahl zur neuen Regierenden Bürgermeisterin mit, in der Koalition sei Streit vorprogrammiert: "Dieses Thema hängt dem Senat schon jetzt wie ein Klotz am Bein und muss unverzüglich abgeräumt werden. Durch die Enteignungsdrohung wird die Wohnungswirtschaft nur weiter verunsichert, das seit langem von uns geforderte Bündnis für bezahlbares Wohnen und Neubau kann so nicht funktionieren."
Auch FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja sprach von einem "überaus wackeligen Koalitionsfrieden" mit der "Sollbruchstelle" Volksentscheid zu Enteignungen von Wohnungskonzernen. Für ihn ist das noch ausstehende Ergebnis der prüfenden Kommission bereits klar: "Dieses Vorhaben ist nicht verfassungsgemäß", erklärte Czaja am Dienstag.
AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker teilte mit, beim neuen Senat sei "leider wenig Aufbruch zu erwarten". Das gelte insbesondere deshalb, weil dieser Senat durch den Streit um das Volksbegehren zur Enteignung in einer Kernfrage von Anfang an uneinig und zerstritten sei, so Brinker.
Forderungen aus Wirtschaft und Gewerkschaft
Die Berliner und Brandenburger Wirtschaft stellen Forderungen an den neuen Berliner Senat. Berlin müsse wieder besser funktionieren, hieß es am Dienstag von den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg. Es brauche eine schnellere Digitalisierung und eine Verbesserung der Qualität in den Schulen und der Verwaltung.
Giffey verkörpere glaubwürdig einen neuen Aufbruch, lobte der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller. Der Senat habe viel neues Personal und eine ambitionierte Agenda.
Von der IHK Potsdam hieß es, die märkische regionale Wirtschaft setze große Erwartungen in den von beiden Ländern verabschiedeten Strategischen Gesamtrahmen, der nun zügig mit Leben gefüllt werden müsse. "Im Schulterschluss beider Länder sehen wir herausragende Chancen. Auch dafür bringen wir uns weiterhin mit Initiativen ein, die eine gemeinsame Gestaltung der Hauptstadtregion zum Ziel haben", so Peter Heydenbluth, Präsident der IHK Potsdam.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte vom neuen Senat "einen investitionsorientierten und gleichzeitig dem Personalaufbau verpflichteten finanzpolitischen Kurs", um aus der Corona-Krise herauszukommen. "Wirtschaftlicher Erfolg, bis hin zu einer Entspannung am Wohnungsmarkt, wird nur mit guter Arbeit und guten Einkommen erreichbar sein", sagte der DGB-Vorsitzende Christian Hoßbach.
Sendung: rbb Fernsehen, 21.12.2021, 10:00 Uhr
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