Vorher-Nachher-Bilder - So könnte es nach einem Rückbau der A103 in Berlin aussehen

Abschied von der "autogerechten Stadt": SPD, Grüne und Linke wollen die Autobahnen A104 und A103 zurückbauen. Besonders bei der A103 dürfte das nicht so einfach werden. Auch auf politischer Ebene gibt es Konflikte. Von Jonas Pospesch
Die Joachim-Tiburtius-Brücke liegt als massiver Beton-Riegel über der Steglitzer Schloßstraße, flankiert vom ikonischen Bierpinsel. Eigentlich sollte mal die Autobahn darüber laufen, als Verbindung von A103 und A104. Dazu ist es nie gekommen. Irgendwann könnte die Brücke ganz verschwinden - genauso wie die beiden Autobahnen.
Das ist zumindest die Vorstellung von Tobias Nöfer. Der Architekt ist Vorsitzender des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin-Brandenburg. Auf Einladung der SPD war er an den Koalitionsverhandlungen beteiligt. Für ihn sind die Straßen und Brücken der beiden Autobahnen "Relikte der Siebziger Jahre". Langsam kommen sie an ihr Lebensende, deshalb müsse man sich entscheiden: sanieren oder abreißen?
Entwurf Klaus Schlosser (Quellen: vorher: Google Earth, Geo-Basis/BKG, Landsat / Copernicus, nachher: Klaus Schlosser Architekten)
Der Blick auf die A103 an der Friedenauer Brücke ist bislang wenig grün. Der Verkehr soll laut Entwurf nur noch auf einer zweispurigen Allee am Rand fließen. Die ehemalige Autobahn könnte so zu einer grünen Schneise mit Wasserflächen und luftiger Bebauung werden.
Mehr Platz für Fahrräder und Busse
Nöfer will die Chance nutzen und einen "gerechten Ausgleich zwischen den Verkehrsmitteln" schaffen. "Wir sind ja nicht nur Autofahrer, Radfahrer oder Fußgänger, sondern wir sind alle Berlinerinnen und Berliner. Wir müssen den Verkehr einfach besser verteilen."
Dazu will er die A103 zu einer Stadtstraße umbauen, die sich besser ins Stadtbild einfügt als die Autobahn. Dadurch würde Platz frei, den man für Grünflächen, Radwege, oder Häuser nutzen könnte. Speziell an der Schloßstraße könne sich Nöfer einen Park vorstellen – dort wo jetzt noch Autos unter der Joachim-Tiburtius-Brücke parken.
Die Idee mit der Stadtstraße unterstützt auch der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux. In seinem Wahlkreis in Steglitz enden die beiden Autobahnen. Sein Bürgerbüro liegt nur wenige Meter von der Stelle entfernt, die Tobias Nöfer gerne zum Park machen würde. Lux will die Schloßstraße entlasten, Fahrrädern und Bussen mehr Raum geben, die Flächen der Autobahn anders nutzen.
Der Verkehrsanschluss aus dem Süden Richtung Schöneberg müsse aber weiter gut laufen können. Dafür brauche es aber keine Autobahn, sagt der Grünen-Abgeordnete. Günstig wäre so ein Bauvorhaben nicht, dessen ist sich auch Benedikt Lux bewusst. "Auf der anderen Seite gewinnt man aber auch Vermögen für den öffentlichen Raum, weil man Wohnungsbau und öffentliche Fläche hat", gibt Lux zu bedenken.
Entwurf Saskia Herbert (Quellen: Saskia Herbert, subsolar* architektur&stadtforschung)
Die A103 bietet viel Baumaterial, das die Stadt an anderen Orten gut nutzen kann - das finden zumindest die Architekten von Saska Herbert. Die Autobahn soll laut Entwurf Berlins erste Mine werden, wo "Abbruchmaterial zur Sortierung, Zerkleinerung und Neuverarbeitung" lagert und zu neuen Projekten gebracht wird. Der Autoverkehr werde so zurückgehen, dass man diese Nutzung in ein paar Jahren auf den ganzen Stadtring ausweiten könne, so die Vision. Inklusive Volksfest zum Ende der Autobahnen.
Wo soll der Verkehr hin?
Der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici würde das Geld lieber in die Sanierung der Autobahn investieren als in den Rückbau. "Wir haben steigende Zulassungszahlen für Autos trotz Corona. Irgendwo muss der Verkehr durchgehen", argumentiert Friederici. Mit einer Stadtstraße könnte er sich auch anfreunden, aber die müsse dann genauso viele Spuren haben wie die Autobahn und die gleiche Menge Verkehr bedienen können.
"Wir haben heute schon im Berufsverkehr abgehend und aufführend auf die Autobahn Staus", ergänzt er. Um die Umgebung aufzuwerten, schlägt Friederici vor, leisen Asphalt zu verlegen und die Autobahn mit einer sogenannten Einhausung zu umbauen. Dies könne die Situation schon erheblich verbessern.
Auch der ADAC Berlin-Brandenburg hält die Pläne der rot-grün-roten Koalition für falsch. Die A103 sei ein wichtiger Zubringer zur Stadtautobahn, der täglich von 30.000 Fahrzeugen benutzt werde, sagt eine Sprecherin des Verbands. Für die Schloßstraße und umliegende Straßen erwartet der Automobilclub im Falle eines Rückbaus deshalb deutlich mehr Verkehr.
Entwurf Thilo Folkerts, (Quellen: Thilo Folkerts, 100Landschaftsarchitektur)
Eine Autobahn habe etwas von einem Tal oder einem Flussbett mit steilen Hängen, finden viele der Architekten. Ein Wasserbecken mit Betonufer sieht dieser Entwurf eines Landschaftsarchitekten für die A103 vor. Über das Schilf scheint eine schmale Brücke für Fußgänger zu führen.
Symbol für die Verkehrswende
Die Mobilitätsforscherin Sophia Becker von der Technischen Universität Berlin sieht das nicht als Problem. Zwar sehe man in den ersten Wochen nach so einem Umbau noch etwas Stau und manchmal orientierungslose Autofahrer. Das Verhalten der Verkehrsteilnehmer passe sich aber mittel- und langfristig an die vorhandene Infrastruktur an. Der Rückbau einer Autobahn habe aber auch symbolische Kraft, sagt Becker: Er zeige, dass die Politik den Willen habe, etwas zu verändern und einen Paradigmenwechsel in der Stadt- und Verkehrsplanung einzuleiten.
Bis es bei der A103 dazu kommen kann, wird aber noch einige Zeit vergehen. Als Autobahn liegt die Straße in der Verantwortung des Bundes. Zuerst müsste das Fernstraßen-Bundesamt die Autobahn zu einer Landesstraße herunterstufen, damit das Land Berlin daran bauen darf. Bei der A104 ist das schon passiert. Hier laufen die Planungen für den Rückbau schon länger. Hier herrscht auch politisch Einstimmigkeit: Alle größeren Parteien unterstützen das Rückbau-Vorhaben, bestätigt CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici. Anders als bei der A103 könnten bei der A104 vielleicht schon in absehbarer Zeit die Bagger rollen.
Entwurf Chestnutt/Niess, (Quellen: vorher: Google Earth, Geo-Basis/BKG, Landsat / Copernicus, nachher: Chestnutt_Niess Architekten BDA)
Vom Schöneberger Gasometer aus erstreckt sich noch nur ein langes Band aus Asphalt Richtung Steglitz. Eine "On-Line"-Stadt stellen sich die Architekten auf der Autobahntrasse vor. Statt abzureißen wollen sie neu nutzen, weiter bauen, aneignen und umdefinieren. Es soll ein urbaner Ort im Grünen entstehen, mit Möglichkeiten zum Wohnen und Arbeiten.
Sendung: Abendschau, 02.12.2021, 19:30 Uhr
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