Erste Regierungserklärung - Giffey benennt bezahlbaren Wohnraum als große soziale Frage

Franziska Giffey sieht im Wohnungsbau eine zentrale Aufgabe für die Arbeit ihrer rot-grün-roten Koalition. Es sei Cheffinnensache, das Thema voranzubringen. Kritik kommt von FDP und CDU - es fehlen die Visionen für die Stadt.
Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat das Ziel des rot-grün-roten Senats unterstrichen, beim Wohnungsbau den Turbo einzulegen. "Die große soziale Frage unserer Stadt, und das wissen wir alle, ist das Thema Wohnraum", sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag in ihrer ersten Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus. Es gehe darum, dass die Stadt sozial und bezahlbar bleibe.
Deshalb habe sich der Senat vorgenommen, dem Mangel an bezahlbarem Wohnungen entgegenzuwirken. Ziel sei, pro Jahr 20.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 5.000 im geförderte Wohnungen für Menschen mit weniger Geld. "Wir wollen Genehmigungsverfahren und Planungsprozesse beschleunigen, Wohnbauflächen ausweisen und die soziale Wohnbauförderung weiterentwickeln", beschrieb Giffey den Weg dahin.
Wohnungsbau wird Chefinnensache
Giffey machte den Wohnungsbau in ihrer Regierungserklärung zur "Chefinnensache". Dafür werde am Freitag das Bündnis für Bezahlbares Wohnen erstmals zusammenkommen, in dem Mietervereine gemeinsam mit Genossenschaften, landeseigenen und privaten Wohnungsbaugesellschaften zu den Themen Wohnungsbau und Rechte der Mieter im Bestand diskutieren werden.
Wichtig sei beim Wohnungsbau auch, Spekulationen von privaten Unternehmen entgegenzuwirken. 60.000 Baugenehmigungen seien derzeit offen, so Giffey. Diese müssten auch auf den Weg gebracht werden. "Wenn wir feststellen, dass derjenige, der die Baugenehmigung hat, nur spekuliert, nicht baut - dann muss man da auch entgegen wirken, denn das ist nicht das Ziel", sagte die Bürgermeisterin.
Giffey will von früheren Generationen lernen
"Wir haben nicht nur die Aufgabe viele Wohnungen zu bauen. Wir haben auch die Aufgabe, städtebauliche Qualität zu bauen", unterstrich Giffey. "Stadtquartiere, die lebenswert sind und nicht die Brennpunkte der Zukunft." Berlin könne hier von früheren Generationen lernen. Schon vor 100 Jahren habe es in der Stadt Programme für modernen Siedlungsbau gegeben, bei den Wert auf Qualität gelegt worden sei.
Weitere wichtige Themen seien für Giffey die Stärkung der Sicherheit in der Stadt. Dabei betonte sie sowohl die rechtliche Seite durch die Unterstützung von Polizei und Ordnungsämtern sowie soziale Sicherheit. Sie erwähnte den Schwerpunkt, den die neue Regierung auf Obdachlosigkeit setzen möchte. Wichtig sei dafür nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch eine starke Wirtschaft, die den Arbeitnehmern der Stadt ein festes Einkommene ermögliche.
Impfziel der neuen Regierung fast erreicht
Das Booster-Ziel der Regierung sei laut der SPD-Politikerin bereits erreicht: 52 Prozent der Berliner seien geboostert, teilte Giffey in ihrer Erklärung mit. Sie zeigte sich optimistisch, dass man auch das Ziel erreichen werde, dass sich bis Ende Januar 80 Prozent der Volljährigen mindestens ein Mal geimpft haben werden. Weiterhin habe Impfen oberste Priorität und sie wolle an der Strategie festhalten, dass die Impfung zu den Menschen kommen müsse.
Sie appellierte an die Verantwortung jedes Einzelnen in der Pandemie. "Wer krank ist, bleibt zuhause. Wer einen positiven Test gemacht hat, infomiert eigenständig Kontaktpersonen und wer helfen möchte, lässt sich impfen. So einfach ist das", sagte Giffey. Daran die neuen Maßgaben für Teststrategien und Kontaktnachverfolgung auszuarbeiten werden Berlin sich aktiv beteiligen, teilte sie mit.
Kritik von FDP und CDU
Die oppositionelle FDP konfrontierte die Koalition derweil mit einem eigenen 15-seitigen Gegenentwurf zu den Regierungsrichtlinien. Die Liberalen werfen der Koalition eine "Weiter so"-Politik vor, die der Stadt nicht gerecht werde.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Kai Wegner, hat Giffey vorgeworfen, keinen Neuanfang zu wagen, sondern für ein quälendes "Weiter so" zu stehen. Wegner kritisierte am Donnerstag in der Plenarsitzung des Parlaments, die Vorhaben von Rot-Grün-Rot seien erschreckend ambitionslos. "Man hat den Eindruck, dass Sie sich irgendwie durchmogeln möchten."Es gebe keine Vision, kein übergreifendes Projekt.
Auch in der aktuellen Corona-Lage gebe der Senat ein trauriges Bild ab. "Das Chaos regiert", sagte Wegner, der auch CDU-Landesvorsitzender ist. Die Menschen in den Krankenhäusern, den Kitas und Schulen, im Handel und der Hotellerie seien am Anschlag. Doch der Senat handle unabgesprochen und stifte Verwirrung. Der Dreiklang des Senats sei "Test-Chaos, Quarantäne-Chaos, Corona-Chaos".
Wegner warnte zudem, der Senat fahre auch das geplante Bündnis für Neubau und bezahlbares Wohnen an die Wand. Die Regierende Bürgermeisterin könne nicht private Wirtschaft an den Tisch holen und Zugeständnisse erwarten, um diese Unternehmen ein Jahr später zu enteignen.
Parlament will epidemische Lage verlängern
Auch die Corona-Pandemie spielt in der Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag eine Rolle. Das Parlament wird die am 21. Dezember ausgerufene epidemische Lage wegen der Omikron-Welle voraussichtlich bis 31. März verlängern. Bisher ist diese bis zum 31. Januar befristet.
Der Senat könnte auf Basis des Beschlusses zum Beispiel neue Beschränkungen beschließen, falls die Infektionslage das erfordert. Nach Angaben von Giffey und von Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) ist das momentan aber nicht geplant.
Basis sowohl für Giffeys Regierungserklärung als auch für die Richtlinien ist der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linken. Es gilt deshalb als Formsache, dass die Richtlinien mit rot-grün-roter Mehrheit verabschiedet werden. Im Anschluss an die Regierungserklärung haben die Fraktionen ausführlich Zeit zur Debatte.
Sendung: Inforadio, 27. Januar 2022, 6 Uhr