Erste Regierungserklärung der Regierenden Bürgermeisterin - Giffey umarmt ihren Senat

Do 27.01.22 | 15:44 Uhr
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Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin, gibt während der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus eine Regierungserklärung ab. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Audio: Inforadio | 27.01.2022 | Kirsten Buchmann | Bild: Wolfgang Kumm/dpa

Lange mussten Berlin und das Abgeordnetenhaus darauf warten, dass die Regierende Bürgermeisterin ihre Politik erklärt. Das hat Giffey nun getan. Überraschend war nicht so sehr was sie gesagt hat, sondern wie sie es getan hat. Von Jan Menzel

Eine Regierungserklärung ist vielleicht nicht das Format, um das Rad neu zu erfinden. Daran ändern auch voran gestellte Zitate nichts. Berlin als Stadt sei "dazu verdammt […] immerfort zu werden und niemals zu sein" leitete Franziska Giffey ihre erste große Rede als Regierende Bürgermeisterin ein. Mit diesem Satz des Publizisten Karl Scheffler wollte sie eine Brücke von den oft als goldene Zeit verklärten Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ins Hier und Jetzt schlagen. Damals gab es Mut, Fortschrittswillen und Aufbruch, so die Regierende Bürgermeisterin, die diesen Geist gerne "forttragen" würde.

Bei allem angemessenen Geschichtsbewusstsein und dem berechtigten Ziel, die Stadt zupackend (wieder) auf einen Wachstumskurs zu bringen, sind Giffey und ihr Senat aber auch dazu "verdammt", sich immerfort an den sattsam bekannten Berliner Baustellen abzuarbeiten. Deshalb durften in der Regierungserklärung die geplanten 20.000 neuen Wohnungen im Jahr, Sicherheit an Orten wie dem Kottbusser Tor, ein Neustart für die Wirtschaft und eine Verkehrswende für Autos, Fahrräder und die U-Bahn nicht fehlen. Insofern hat Giffey inhaltlich lediglich das präsentiert, worauf sich SPD, Grüne und Linke im Koalitionsvertrag verständigt haben.

Die Chefin und das Team

Anders und neu war hingehen, wie die Regierende Bürgermeisterin das Regierungsprogramm für die kommenden fünf Jahre skizzierte. Jedes einzelne Senatsmitglied wurde namentlich und mit einem eigenen Projekt erwähnt. Die grüne Gesundheitssenatorin Ulrike Gote erfuhr Lob für ihren von Null auf 100-Start in der Corona-Politik, während die linke Sozialsenatorin Katja Kipping sich schon an ihrem ersten Arbeitstag vorbildlich um die Wohnungslosen in der Stadt gekümmert habe. Aber natürlich wurden auch die sozialdemokratischen Senatorinnen und Senatoren und ganz besonders der parteilose Chef der Wirtschaftsverwaltung, Stephan Schwarz, von ihrer Chefin bedacht.

Der rote Faden ihrer Rede war somit gleich ein doppelter. Giffey unterstrich – auch durch die schiere Länge ihrer Rede – dass sie als Chefin in allen Themenfeldern zu Hause sei. Aber sie machte auch deutlich, dass sie auf jeden Einzelnen und jede Einzelne im Senats-Team baut und dabei auf eine Umarmungsstrategie setzt. Das dürfte einerseits ihrem Naturell entsprechen, aber genauso den nackten Notwendigkeiten geschuldet sein.

Was Giffey nicht gesagt hat

Denn bei dem, was Rot-Grün-Rot vor sich hat, werden Teamfähigkeit und Geschlossenheit auf eine harte Probe gestellt werden. Auch in Giffeys erster Regierungserklärung blieb erwartbar offen, wie der Koalitions-Konflikt um den Volksentscheid "Deutsche Wohnen und Co enteignen" aufgelöst werden kann. Mehr als dass wie angekündigt eine Kommission eingesetzt und der Senat dann in einem Jahr auf Grundlage des Kommissionsvotums entscheiden wird, ließ Giffey nicht durchblicken.

Dafür wurde umso deutlicher, wie eine Regierende Bürgermeisterin Giffey damit umgeht, wenn es nicht rund läuft. Die verkorkste Kommunikation um die neuen Quarantäneregeln an den Schulen und danach die überraschende Aufhebung der Präsenzpflicht hatte dem Senat die erste Krise seiner noch kurzen Amtszeit beschert. Wer ob des Wirrwarrs der vergangenen Tage ein Werben um Verständnis oder gar eine Entschuldigung erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Neuer Stil

Giffey übte sich stattdessen in klassischer Vorwärtsverteidigung. Die Schulen würden ja weiter offenbleiben, was wichtig sei. Gleichzeitig hätten nun die Eltern, die sich große Sorgen machen, die Möglichkeit, ihre Kinder bis Ende Februar zu Hause zu lassen. Als "Weg, der salomonisch ist" bezeichnet die Regierende Bürgermeisterin das, was sich über das Wochenende mühsam und recht unkoordiniert hin geruckelt hatte.

Mit ihrer ersten Regierungserklärung hat Franziska Giffey vor allem ihren Regierungsstil beschrieben: Pragmatisch, kollegial im Team und Blick immer nach vorne. Ob das aber als Rezept für Regierungserfolge reichen wird, ist eine andere Frage.

Sendung: Inforadio, 27.01.2022, 14:20 Uhr

19 Kommentare

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  1. 19.

    Da habe ich doch was verpasst. Neukölln hat sich selbständig gemacht und hat eine Oberbürgermeisterin. Das haben die Berliner sich einfach so gefallen lassen?

  2. 18.

    Ja, es ist schon schlimm, aber 1932 gab es einen BVG-Streik um 2 Pfg. Lohnsenkung. Streikführer waren Josef Goebbels und Walter Ulbricht! Nach vielen Strassenkämpfen und Überfällen auf Busse und Strassenbahnen gab es 4 Tote und viele Verletzte. Ich bin überzeugt, so etwas ist heute nicht möglich.
    Nazis und Kommunisten Arm in Arm? So viele Spinner gibt es wohl doch nicht.

  3. 17.

    achja-- es gibt ein : WEITERSO mit hier und da Änderungen
    WAS will man/frau mehr-- wir müssen ja von irgendeinem*er regiert werden
    und wie üblich- egal wo- ABER auch in unserem Berlin : es kommt immer was dazwischen
    ( diesmal Coronaa ) und DANN wird irgendwie reAgiert-- es war immerso, war immer so
    ABER wenigstens hat SIE ihre Mannschaft ( hoffentlich ) VOLL hinter sich
    Deneke da ein einen Satz :" ich hab euch doch alle lieb "
    Warten wirs ab- 5 Jahre sind schell vorbei--dann bin ich 90

  4. 15.

    Es wird genau so weitergehen wie vorher, da sich ja nichts Großartiges geändert hat... anstatt RRG ist es jetzt RGR. Also alles beim alten.

  5. 14.

    Na lieber ein überfälliger Schritt als gar keiner, Herr Wegner (CDU)!

  6. 13.

    Selbstherrlich und Plagiativ diese Frau. Machtgeul und nichts un der Tasche.
    Erst OB von Neukölln (hat sie hingeworfen) , dann Familienministerin im Bund (hat sie auch hingeworfen) , jetzt Beelin.... was will die Plagiat Frau noch tun und zerstören??? Ihr Leben ist schon zerstört!!!

  7. 12.

    Also wenn Ihr Berliner eure gewählte Bürgermeisterin nicht wollt. Fragt doch mal uns Brandenburger, vielleicht können wir uns ja auf einen Tausch zwischen den beiden Regierungsspitzen einigen.

  8. 11.

    Man kann nur hoffen daß der Senat nicht so weiter macht wie der Alte und die ersten Tage.

  9. 10.

    "Gewählt ist gewählt"?
    Warten wir doch erst einmal die Aufarbeitung der "Wahlen" ab, die uns nach dem Wahldebakel versprochen wurde.
    Vielleicht ist die Kopierende nur ein kurzes Intermezzo.
    Ich würde mich ungerne an dieses Dauergrienen und mütterliches Gehabe gewöhnen.

  10. 9.

    Dann sollten wir schon jetzt gut aufpassen, dass die Dreißiger nicht auch so werden wie hundert Jahre zuvor. Nicht nur Frau Giffey, sondern alle.

  11. 8.

    Das, was Sie skizziert haben, ist doch heute auch Realität, nur in anderem Gewand. Berlin hat Clans, Schießereien, Prügeleien, Alkoholismus an Ecken und Enden, Drogenkonsum, Beschaffungskriminalität, illegales Glücksspiel, Armut, prekären Arbeit, Obdachlosigkeit, abseits der Coronageschichte ausschweifende Feiern, radikale Demos und einiges mehr. Die so genannten goldenen Zwanziger haben wir jetzt nach Frau Giffey auch.

  12. 7.

    Ich fürchte, sie hat Recht!! Was soll denn da rauskommen?

  13. 6.

    Eltern wüschen sich offene und möglichst sichere Schulen und Kitas. Da Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche offen vergessen wurden, müssen viele Eltern ihre Kinder zu Hause lassen. Das ist etwas ganz anderes.

  14. 5.

    Gib dem Wahnsinn eine Chance - nächste Wahlen sind erst in knapp fünf Jahren.
    Was bis dahin geschieht? - Gewählt ist gewählt..........
    Wenn ich schon Lug und Betrug sehe, schwere fünf Jahre.

  15. 4.

    Dass die goldenen 20er wirklich so golden waren , bezweifeln viele. Was mir mein Vater erzählte, klang anders. Schlafburschen, Weltkriegsversehrte als Bettler an jeder Ecke, blutige Strassenschlachten und Ringvereine sehnt sich wohl niemand herbei. Da hätte sie vielleicht mal nachlesen sollen. Berlin-Alexanderplatz oder Wer einmal aus dem Blechnapf frisst. Wenn sie das meint, Prost Neujahr. Da hatte ich etwas anderes erwartet. Hoffen wir, dass es besser kommt.






    blutige

  16. 2.

    Wenn Giffey hofft, dass sich die Bewegung rund um den Enteignungs-Volksentscheid allein durch konsequentes Beschweigen in Luft auflöst, kann sie es vergessen.

    Sie und ihre Berater*innen sollten wissen, dass in der Sache ungleich mehr Energie und ehrenamtlicher Organisationsgrad steckt als beispielsweise hinter dem Tegel-Volksentscheid, bei dem die FDP Menschen bezahlt hat, um Unterschriften zu sammeln.

    Wie Giffey selbst ständig sagt, ist bezahlbarer Wohnraum das Thema Nr. 1 in Berlin. Deshalb wird die Stadtbevölkerung den Volksentscheid definitiv nicht vergessen.

  17. 1.

    Alles nur heiße Luft.
    Im Grunde geht alles so weiter wie schon jahrelang.
    Nichts posetieves.

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