Klausur von Giffeys Regierung - Berliner Senat stellt Ziele für die ersten 100 Tage vor

Verbeamtungen von Lehrern, digitale Verwaltung und natürlich neue Wohnungen bauen, bauen, bauen: Das Kabinett von Franziska Giffey hat sich einen Fahrplan verordnet, mit dem die wichtigsten Vorhaben schnell auf den Weg gebracht werden sollen.
Der neue Berliner Senat hat sich ein Programm für die ersten 100 Tage gegeben. Bei einer zweitägigen Klausur im brandenburgischen Nauen vereinbarte die rot-grün-rote Koalition 40 Maßnahmen und elf sogenannte Flaggschiffprojekte, die umgesetzt oder zumindest angestoßen werden sollen. Überraschungen finden sich auf der Liste keine, die drei Koalitionspartner orientieren sich stark am vereinbarten Koalitionsvertrag.
Die Zusammenarbeit sei "intensiv" gewesen, sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Sonntagnachmittag. Am Dienstag werde der Senat die Richtlinien für die kommenden fünf Jahre beschließen.
Klaus Lederer, stellvertretender Bürgermeister und Kultursenator von den Linken, sagte dem rbb am Sonntagabend: "Das schöne an einem 100-Tage-Programm ist, dass man sich erstmal zurechtsortiert, einander kennenlernt." Schließlich seien die meisten Senatsposten von neuen Personen besetzt worden, so Lederer.
Bauen soll Kern der Regierungsarbeit werden
Einen Schwerpunkt legt der Senat im Bauressort. Zu den wichtigsten Zielen gehört die Gründung eines Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen. Giffey hatte dies im Wahlkampf zu einem der wichtigsten Themen erkoren. Sie sieht den Neubau als Antwort auf den vor allem von den Linken favorisierte Mietendeckel, den Giffey in seiner endgültigen Formulierung kritisch sah.
Das Bündnis soll Senat und Bezirke mit landeseigenen und privaten Wohnungsunternehmen, sowie Genossenschaften und Mieterverbänden an einen Tisch bringen. Gesucht werden Ideen, wie man die wirtschaftlichen Ziele der Unternehmen mit dem Schutz der Mieter vor stark ansteigenden Mieten zusammenbringen kann.
Auf Druck von Linken und Grünen war allerdings auch die Prüfung des erfolgreichen Volksentscheids zur Enteignung großer Immobilienkonzerne in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden. Übernehmen soll das eine Kommission, die laut 100-Tage-Plan einberufen und innerhalb eines Jahres eine Empfehlung für das weitere Vorgehen erarbeiten soll.
Die Koalition hatte angekündigt, dass in Berlin bis 2030 mindestens 200.000 neue Wohnungen gebaut werden sollen. Dafür soll in den ersten 100 Tagen der rot-grün-roten Regierung auch eine spezielle Senatskommission zur Beschleunigung des Wohnungsbaus eingesetzt werden. Hier hat die Senatskanzlei die Federführung - ein Zeichen, dass Giffey das Thema Bauen wie angekündigt zur Chefinnensache machen und offenbar auch eng begleiten will.
Verbeamtungen, höherer Mindestlohn, Digitalisierung
Im Bildungsressort soll das Großprojekt der Lehrerverbeamtung angestoßen werden. Dafür soll ein Senatsbeschluss und ein Kommunikationskonzept beschlossen werden. Außerdem soll die Bildungsverwaltung die Digitalkompetenz der Lehrkräfte stärken und das Angebot für Sprachausbildung in Kitas erweitert werden.
Beim Landesmindestlohn ist der Anstieg von 12,50 Euro auf 13 Euro geplant. Er wäre dann auch für sämtliche Aufträge bindend, die das Land Berlin vergibt. Darüber hinaus hat sich die Koalition darauf geeinigt, ein Konzept für eine Polizeiwache am Kottbusser Tor auszuarbeiten.
In den Bürgerämtern sollen weitere Dienstleistungen online angeboten werden, darunter die digitale Meldebescheinigung. Um den Fachkräftemangel bei der Digitalisierung der Verwaltung zu beheben, soll an der Hochschule für Wirtschaft und Recht ein dualer Studiengang für Verwaltungsinformatik eingeführt werden.
Baustart für lange geplante Brücken
Die Wirtschaftsverwaltung soll ein "Neustartprogramm" auflegen, um Gastronomie, Handel und Kunstbetriebe aus der Coronakrise zu führen.
Die Gesundheitsverwaltung bleibt derweil im Pandemiemodus: Hier sind zunächst keine großen Projekte geplant.
Auch die Verkehrs- und Umweltverwaltung hat sich zunächst überschaubare Ziele für die ersten 100 Tage gesetzt. Höhepunkt dürften die Spatenstiche für drei neue Brücken sein: So sollen nach langen Planungen die Arbeiten zum Neubau der Wuhletalbrücke (Marzahn-Hellersdorf), der Moltkebrücke (Steglitz-Zehlendorf) und der Pyramidenbrücke (Treptow-Köpenick) beginnen. Darüber hinaus will Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) den Ausbau der Radwege und Busspuren weiter vorantreiben, gemeinsam mit den Bezirken.
CDU-Fraktionsvorsitzender reagiert mit Enttäuschung
Kai Wegner, Fraktionsvorsitzender der CDU im Abgeordnetenhaus, kritisierte das 100-Tage-Programm des neuen Senats als vage und lückenhaft. "Die Gründung des Mieten-Bündnisses und die Lehrer-Verbeamtung hätten schon längst eingeleitet sein können", teilte Wegner mit. "Wo bleiben der U-Bahnhausbau, die personelle Stärkung unserer Verwaltung, unserer Schulen, auch von Polizei und Feuerwehr?" Der Ausblick sei enttäuschen, von Aufbruch keine Spur, so Wegner.
Sendung: Abendschau, 16.01.2022, 19.30 Uhr