rbb exklusiv | Wohnungsabrisse in Berlin - Auf günstige alte Wohnungen folgen kaum preiswerte neue

Do 24.02.22 | 07:57 Uhr
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An der Fassade eines Wohnhauses sind noch die Spuren eines angrenzenden, abgerissenen Hauses zu sehen. Bild: dpa / Jens Kalaene
Bild: dpa / Jens Kalaene

Wenn in Berlin Wohnungen abgerissen werden, muss laut Gesetz preiswerter neuer Ersatzwohnraum geschaffen werden. Doch Zahlen, die dem rbb vorliegen, legen nahe, dass dies selten der Fall ist. Von Thorsten Gabriel

Die Berliner Bezirke haben in den vergangenen vier Jahren etwas mehr als tausend Wohnungsabrisse genehmigt. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor, die dem rbb vorliegt. Allerdings wurde kaum günstiger Ersatz geschaffen.

Der Antwort zufolge stellten Eigentümer in den Jahren 2018 bis 2021 insgesamt 1.724 Anträge auf Wohnungsabrisse, davon wurden jedoch nur 60 Prozent genehmigt, das sind 1.038 Wohnungen. Darüber hinaus stellten die Bezirke in rund 420 Fällen Wohnungseigentümern sogenannte Negativatteste aus. Diese bescheinigen, dass für einen Abriss keine Genehmigung benötigt wird, weil betreffende Wohnungen nicht unter das Zweckentfremdungsverbotsgesetz fallen.

Die mit Abstand meisten Anträge auf Abriss von Wohnraum gab es im besagten Zeitraum in den Bezirken Mitte (372) und Charlottenburg-Wilmersdorf (323). Die meisten Negativatteste stellte der Bezirk Pankow (112), gefolgt von Marzahn-Hellersdorf (92). Insgesamt zeigt sich über die Jahre ein steigender Trend zu Abrissanträgen.

"Wenn ich 5 Euro pro Quadratmeter Miete nehmen kann, reiße ich lieber ab"

Nach Ansicht des Linken-Abgeordneten Niklas Schenker, der die Anfrage beim Senat stellte, ist diese Entwicklung vor allem dem steigenden Verwertungsdruck auf dem Wohnungsmarkt geschuldet. "Es gibt den Druck, zu sagen: Wenn ich irgendwo fünf Euro pro Quadratmeter Miete nehmen kann, dann reiße ich lieber ab, baue neu und nehme dann 20 Euro pro Quadratmeter."

Das Zweckentfremdungsverbotsgesetz sieht eigentlich vor, dass für abgerissenen Wohnraum neuer Wohnraum entstehen muss - der für maximal 7,92 Euro netto kalt pro Quadratmeter neu vermietet werden darf. Wie aus der Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen hervorgeht, wurde solch günstiger Ersatzwohnraum aber offenbar nicht immer geschaffen.

Zusammengerechnet meldeten die Bezirke weniger als 400 Ersatzwohnungen für die vergangenen vier Jahre. In Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf entstand den Angaben zufolge keine einzige Wohnung, die zu diesen Konditionen neu vermietet wurde. Andere Bezirke teilten mit, sie führten darüber keine Statistik.

Schenker: Bezirke wegen ausstehender Gerichtsentscheidung zögerlich

Schenker sieht darin vor allem ein Vollzugsdefizit bei den Bezirken. Dies wird nach seiner Einschätzung auch dadurch verstärkt, dass derzeit noch eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aussteht, ob die gesetzliche Mietobergrenze von 7,92 Euro rechtmäßig ist. "Viele Bezirke sind deshalb etwas ängstlich, so eine Regelung wirklich durchzuziehen oder sich hier vielleicht auf anderem Wege mit Eigentümern zu einigen", so Schenker.

Gemessen an den insgesamt rund 1,9 Millionen Wohnungen in Berlin, liegt die Zahl der Abrisswohnungen im Promillebereich. Für Schenker sind die steigenden Zahlen dennoch ein "Warnsignal", weil Berlin auf keine einzige Wohnung verzichten könne.

Außerdem stehe "hinter jedem Abriss auch eine Geschichte von Mieterinnen und Mietern, die an diesen Stellen verdrängt wurden". In aller Regel werde besonders bezahlbarer Wohnraum abgerissen. Und in den besonders betroffenen Bezirken würden nur wenige bis gar keine Sozialwohnungen neu gebaut. Die rot-grüne-rote Koalition wolle deshalb ein neues "Wohnraumschutzgesetz" auf den Weg bringen, das Abrisse stärker reglementiert und außerdem auch eine "Klimaschutzkomponente" enthalte.

Sendung: Inforadio, 24.02.2022, 6 Uhr

26 Kommentare

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  1. 26.

    "Wie denken Sie darüber? " Das sie sehr dumm sein müssen, wenn sie glaube ich falle auf den plumpen Trick herein.

    Obendrein auch noch geheuchelt, geht es doch Leuten wie ihnen darum aus ihren Mietern das Maximale herauszupressen und mit Geflüchtete lässt sich sehr gut Geld verdienen.

    https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2021/04/gefluechtete-miethaeuser-ausbeutung-berlin-padovicz-werttax.html

  2. 25.

    Es ist immer wieder faszinierend wie sie es schaffen faktenfrei und völlig am Thema und an meinen Kommentaren dazu vorbei zu antworten.

    Ist das Absicht oder fällt ihnen das gar nicht mehr auf?

  3. 24.

    Aus gegebenem Anlass bin ich übrigens dafür, frei werdende Sozialwohnungen in Berlin ausschließlich - bis auf Weiteres - an Flüchtlinge aus der Ukraine zu vergeben!

    Das sind wir, gerade in Berlin mit seinem Sozialgefasel, den Freunden schuldig - den Freunden geht es nun schlechter als so manchem (zugezogenem) Berliner.

    Wie denken Sie darüber?

  4. 23.

    Allerdings müsste man dann auch wieder due Grenzkontrollen verstärken, damit die Baumaterialien nicht wie heute das Bauholz nach China exportiert werden - sofern die nicht zum Bau von privaten Datschen verwendet werden und notwendige Instandhaltungen ausbleiben, weil es das billige Baumaterial nichtmals für volkseigene Betriebe zu kaufen gibt.

  5. 22.

    Die Genossebschaften hatten sich allerdings beklagt, dass die Bauland nur zu stark gestiegenen Preisen zur Verfügung gestellt bekommen und sich deshalb auch auch Projekten zurückgezogen, die Anfang voriger Legislatur noch groß gefeiert worden sind.

    Enteignen und zu billigsten Phantasiepreisen vermieten, hatte vor allem Patz für Flächensanierungen geschaffen. Man schaue sich nur die Plattenbauten in Mitte an. Dabei ist der Verkehrswert in einer Demokratie der Preismaßstab.

    Dabei wäre auch zu hinterfragen, ob nicht bei Erwerb einer Immobilie mit Steuergelder auch zu überprüfen wäre, ob die Mieter noch die Voraussetzungen für eine Sozialwohnung erfüllen. Frau Doktor mit einem 100.000€ gehört sicherlich nicht zu Kreis der Bedürftigen.

  6. 21.

    Die Genossebschaften hatten sich allerdings beklagt, dass die Bauland nu zu stark gestiegenen Oreisen zur Verfügung gestellt bekommen und sich deshalb auch auch Projekten zurückgezogen, die Anfang voriger Legislatur noch groß gefeiert worden sind.

    Enteignen und zu billigsten Phantasiepreisen vermieten, hatte vor allem Patz für Flächensanierungen geschaffen. Man schaue sich nur die Plattenbauten in Mitte an. Dabei ist der Verkehrswert in einer Demokratie der Preismaßstab.

    Dabei wäre auch zu hinterfragen, ob nicht bei Erwerb ei er Immobilie mit Steuergelder auch zu überprüfen, ob die Mieter noch die Voraussetzungen für eine Sozialwohnung erfüllen. Frau Doktor mit einem 100.000€ gehört sicherlich nicht zu Kreis der Bedürftigen.

  7. 20.

    "Klar, der Staat bekommt Baumaterialien und Arbeiter kostenlos, oder wie? Was für ein Unfug in so wenigen Zeilen."

    Sie wollen es nicht verstehen, wenn Konkurrenz durch private Bauträger wegfällt, werden Baustoffe billiger und Kapazitäten frei.

    "Was für ein Unfug in so wenigen Zeilen." Allerdings aber anderes bin ich von ihnen nicht gewohnt.

  8. 19.

    Da brauchen Sie nicht fragen, es handelt sich i. d. R. bei denen, die es besser wissen, um Dampfplauderer ohne Praxisbezug.

    Darüber hinaus gibt es vereinzelte mit Praxisbezug, die aber nicht persönlich auch damit einhergehende Risiken eingegangen sind.

    Ich erfreue mich stets über schlaue Theoretiker, insbesondere aus Foren oder von linken Parteien oder linksnahen Organisationen (they made my day).

  9. 18.

    Klar, der Staat bekommt Baumaterialien und Arbeiter kostenlos, oder wie? Was für ein Unfug in so wenigen Zeilen.

  10. 17.

    21.02.2022
    Interview mit Andreas Geisel / WELT

    https://www.welt.de/finanzen/immobilien/plus237032153/Bausenator-Geisel-Berlin-will-Vermieter-staerker-kontrollieren.html?icid=search.product.onsitesearch (leider kostenpflichtig).

    Aber Kernaussage des Geisel: „ Es gibt kein Grundrecht auf eine Wohnung in Kreuzberg“.

    Geisel = Guter Mann mit Durchblick - den Durchblick dürften dahingehend übrigens aber eigentlich auch Blinde haben.

  11. 16.

    Das Land Berlin kann ja bauen, es scheitert aber auch hier am „günstig“.

    Warum sollen private Bauherrn günstiger als der allkönnende Staat bauen können/sollen? Der Staat kann doch alles besser, oder nicht?

    Billig bauen ist Aufgabe des Staates, Punkt.

  12. 15.

    "Man könnte mal fragen, ob die Leute die hier behaupten selber schonmal Wohnraum für unter 10 € für andere geschaffen zu haben."

    Immer die gleichen Märchen, die Leute hier sind keine WBG, die das stemmen können.

    "Es ist ein hoher Aufwand mit viel Risiko und hohen Kosten verbunden." Und noch mehr Rendite.

    Es ist jetzt an der Zeit private Vermieter zu enteignen, Tausende von Wohnungen stehen leer oder werden zweckentfremdet.

  13. 14.

    Doch, das lässt sich bewerkstelligen, indem der Staat bezuschusst und private Vermieter enteignet. Bauland wird billiger, Baukosten durch fehlende Konkurrenz günstiger. Und schon höre ich das DDR 2.0 Geplärre...

    Nein, das geht auch unter demokratischen Regierungen.

  14. 13.

    Man könnte mal fragen, ob die Leute die hier behaupten selber schonmal Wohnraum für unter 10 € für andere geschaffen zu haben. Nur fraglich warum nicht wenn es so einfach Ist.
    Die Städte haben deutschlandweit fast komplett den sozialen Wohnungsbau eingestellt.

    Es ist ein hoher Aufwand mit viel Risiko und hohen Kosten verbunden. Leider missachten sie ihr soziale Verantwortung für die Schaffung von bezahlbaren Wohnungsraum.

    Jedoch ist in allen Vermögensbereichen die Nachfrage nach Wohnraum hoch. Die privaten bieten ihre Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt an und bauen natürlich deshalb oftmals mehr als den normalen Standard ein.

    Das Problem ist aber, dass die Kosten des „normalen Standards“ sind in den letzten 25 Jahren stark gestiegen, zum einen durch neuen Gesetze zum anderen durch höhere Lohn und Materialpreise.

    Die Anforderungen an z.B. Wärmeschutz, Fenster, Heizungen, barrierefrei, Balkon, Aufzug, Brandschutz, Lärmschutz, Stellplätze, Aussenflächen usw. sind höher

  15. 12.

    Entgegen Ihrer unbelegten Behauptung ist es eben nicht möglich, für unter 10 EUR je qm Kaltmiete wirtschaftlich zu bauen. Allein das benötigte Material für Lärmschutz, Brandschutz und Dämmung lässt das gar nicht zu - Plattenbau hin oder her. Oder meinen Sie in Ihrer unendlichen Weisheit tatsächlich, die kommunalen Wohnungsbauunternehmen bauen absichtlich teurer, als unbedingt notwendig. Selbst die sind längts nicht mehr in der Lage, die magische Grenze zu unterbieten. Mit Fertigteilen kann man schneller bauen, im Preis wirkt sich das aber kaum aus. Es wird nur der Aufwand von der Baustelle in die Fabrik verlagert.

  16. 11.

    Hä? Baupreise sind so hoch wegen Renditeerwartungen der Vermieter? Sie verwechseln da was und schreiben an meiner Aussage vollkommen vorbei. Um überhöhte Mieten über den Gestehungskosten ging es hier nicht sondern darum, dass für 7,00 EUR kalt keiner mehr bauen kann und das liegt eben doch maßgeblich an den aktuellen Bau- und Klimavorschriften.

  17. 10.

    Mit Sicherheit...Aber man kann auch physikalisch unnütz zu dicke Dämmung, unökonomische Brauchwassererwärmung mittels Sonne und vieles andere wie Treppengeländergestaltung usw. nicht jedem erklären... Gewinnerwartungen sind da schon eher verständlich...wobei diese wie hoch sind? 3 oder 5% bei solider Bewirtschaftung?
    P.S. Spekulationsbekämpfung ist eine andere Baustelle (Artikelinhalt geht vor politischen Botschaften), nicht überall vorhanden und deshalb vermutlich von Ihnen zurecht nicht gemeint, als Preistreiber Nr.1...

  18. 9.

    Mehr genossenschaftlicher Wohnraum wäre die Antwort. Ich bin froh und zufrieden, seit den achtziger Jahren Genossenschaftler zu sein.

  19. 8.

    Belegen Sie durch Quellen diese immer gern hervorgeholte - und bis dahin - Behauptung.

    Und inwieweit heilt diese Behauptung eigentlich den im Artikel genannten Rechtsbruch?

  20. 7.

    Man kann heute keine günstige Wohnung neu bauen. Selbst dann nicht, wenn die Bauvorschriften reduziert werden.

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