Ausbaupläne der Bundesregierung - Was der Ampel-Windkraftturbo für die Uckermark bedeuten könnte

Do 17.02.22 | 06:16 Uhr
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Das Windfeld bei Nechlin im Februar 2022. (Quelle: rbb/Thomas Rautenberg)
Audio: Inforadio | 17.02.22 | Thomas Rautenberg | Bild: rbb/Thomas Rautenberg

Die neue Bundesregierung will mit deutlich mehr Windkraftanlagen Deutschlands Energielücke schließen. Dafür gebraucht werden Gebiete wie die Uckermark. Dort wollen nicht alle Anwohner mitziehen. Thomas Rautenberg hat sich vor Ort umgehört.

Nechlin in der Gemeinde Uckerland ist ein kleines Dorf am nördlichsten Zipfel Brandenburgs zwischen Prenzlau und der Ostsee-Autobahn A 20. 2.600 Menschen wohnen in Uckerland auf elf Ortschaften verteilt. An diesem Vormittag wirkt die Gegend wie ausgestorben. Das Einzige, was sich bewegt, sind die Windräder auf den Feldern rund um den Ort. Das leise Fauchen der Propeller ist bis ins Dorf zu hören.

Zwei-Prozent-Ziel

Auf zwei Prozent der bundesweiten Landflächen sollen künftig Windräder Strom produzieren. Eine nüchterne Botschaft, die den Anblick mancher Landschaft weiter verändern wird. In der Gemeinde Uckerland sind sogar neun Prozent des Territoriums als so genannte Windeignungsflächen ausgeschrieben. Insgesamt 105 Windräder sind bereits installiert, weitere werden sicher dazu kommen.

Doch es gehe nicht darum, dass immer mehr Windkrafttürme wie Spargel aus dem Boden schießen, sagt Nadine Haase vom Bundesverband Windkraft und Kommunikationschefin beim örtlichen Windkraftanlagen-Betreiber Enertrag. "Wir sind keine Spargelbauern, wir sind ein Erzeuger von erneuerbarer Energie und setzen dabei auf mehr Effizienz durch das Repowering, also den Ersatz bestehender Anlagen durch viel leistungsfähigere Windgeneratoren."

Repowering stockt

Moderne Windräder mit einer Leistung von fünf Megawatt können viel mehr Energie erzeugen als viele Windmühlen, die heute noch in der Landschaft stehen. Allerdings sind sie auch rund 250 Meter hoch und damit viel größer als ihre Vorgänger. Das führt häufig zu Problemen bei den notwendigen Abstandsflächen.

Der Potsdamer Landtag diskutiert gerade das neue Windkraftanlagen-Abstandsgesetz. Darin könnte der Abstand von Windkraftanlagen zur nächsten Bebauung auf 1.000 Meter festgeschrieben werden. Auch zu Nistplätzen seltener Vögel beispielsweise müsste ein Sicherheitsabstand gewahrt bleiben.

Enertrag-Kommunikationschefin Nadine Haase warnt vor den Konsequenzen einer zu starren Regelung. "Im Moment würde die Hälfte unserer Repoweringflächen herausfallen, wenn der Abstandswert von 1.000 Metern so eng gefasst bleibt. Wenn es also nicht darum geht, wie hoch die Geräuschbelastung oder andere Faktoren, wie der Artenschutz, vor Ort wirklich sind."

Windkraftausbau – nein danke!

Etwa 50 Kilometer weiter östlich in Crussow bei Angermünde ist die Stimmung eher mau. Hier trifft der geplante Windkraftausbau auf wenig Gegenliebe unter den Anwohnern. Auch hier ist das Brummen der 13 Windkraftgeneratoren am Ortsrand bis ins Dorf zu hören.

Angela Mans wohnt seit zehn Jahren in Crussow. Sie hat ihren kleinen Jack-Russel-Terrier dabei. "Das ist Waldi", sagt sie. Ein Seitenhieb auf Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne). Der hatte bei der Vorstellung seiner Pläne gesagt, dass es immer wieder Leute gäbe, die mit ihrem Waldi spazieren gehen und sich dabei an den Windrädern stören würden. "Das empfand ich schon als eine Unverschämtheit", sagt die Crussowerin, "ich kann doch nicht jedes Mal, wenn sich die Umstände verändern, einfach umziehen!"

Ingo Weise, Angela Mans und Rainer Ebeling von der BI Crussow. (Quelle: rbb/Thomas Rautenberg)
Angela Mans mit "Waldi" (Mitte) und Rainer Ebelig (re.) | Bild: rbb/Thomas Rautenberg

Massiver Ausbau geplant

Und für die Crussower werden sich die Umstände verändern. Das benachbarte Windfeld soll ausgebaut werden, viel mehr und vor allem noch höhere Anlagen werden dann am Ortsrand stehen.

Im Gürtel um Angermünde könnten insgesamt 100 neue Windräder dazu kommen. Wehren könnten sich die Bürger nicht, beklagt Rainer Ebeling von der Bürgerinitiative "Crussow lebenswert". Herr Habeck versuche zwar den Eindruck zu erwecken, dass die Bürger in der Diskussion mitgenommen und beteiligt würden, sagt Ebeling. Aber die Anwohner wollten keine finanzielle Beteiligung, weil die Belastung durch die Windkraftanlagen dadurch nicht kleiner würde, setzt er hinzu.

Auch bei der Aufstellung der Regionalpläne seien Tausende Hinweise der Bevölkerung eingegangen, aber berücksichtigt wurde nicht einer, schimpft der Crussower. "Wenn nun der Druck zunimmt, zusätzliche Windkraftanlagen aufzubauen, dann wird auch der Protest vor Ort wachsen", ist sich Ebeling sicher.

Bürgermeister sieht Handlungsbedarf beim Bund

Vom Protest sind die Menschen in der Gemeinde Uckerland derzeit weit entfernt. Sie wollen vielmehr mit und auch von den Windkraftanlagen in der Nachbarschaft leben. Wenn der Ausbau der Windenergie wirklich funktionieren soll, müsse der Bund gesetzliche Regelungen schaffen, dass die betroffenen Anwohner in der Region auch von der Stromproduktion profitieren können, sagte Matthias Schilling, Bürgermeister der Gemeinde Uckerland.

Im Ortsteil Nechlin ist es bereits gelungen. Der weltweit erste und einzige Warmwasserspeicher versorgt die Einwohner mit preiswerter Heizenergie. In Windspitzenzeiten, wenn das Netz den Windstrom nicht mehr aufnehmen kann, wird der Nechliner Wasserspeicher auf dem kurzen Weg erhitzt und kann über viele Tage die gesamte Ortschaft mit Heizenergie versorgen.

Die jährliche Kostenersparnis pro Haushalt liegt bei rund 1.000 Euro, rechnet der Bürgermeister vor. "Das hat zu einem Sinneswandel bei vielen Kritikern der Windkraft geführt. Die Leute sind heute froh, dass sie diese Alternative haben."

Nadine Haase Enertrag und Bürgermeister Matthias Schilling im Februar 2022. (Quelle: rbb/Thomas Rautenberg)
Nadine Haase und Bürgermeister Schilling | Bild: rbb/Thomas Rautenberg

Wertschöpfung und Wertschätzung

Bürgermeister Matthias Schilling fordert, dass dieser Ansatz konsequent weiterverfolgt wird. Gewerbegebiete müssten künftig den grünen Strom preiswert von den benachbarten Windfeldern bekommen, dann würden in der Region auch mehr Arbeitsplätze entstehen, so der 57-jährige Lokalpolitiker. Schilling schlägt darüber hinaus eine finanzielle Zuwendung für Gemeinden vor, auf deren Gebiet ganz besonders viel Windenergie produziert wird. "Wir tragen die Belastungen der Windkraftanlagen und das sollte honoriert werden, denn auch wir müssen Schulen, Kitas und Straßen bauen."

"Uckermark-Disco" wird abgeschaltet

Zumindest das nächtliche Blinken der vielen Windkraftanlagen soll bald ein Ende haben. Bis zum Jahresende will Enertrag über 400 seiner Windräder auf eine moderne Radar-Überwachung umgestellt haben. Sie leuchten dann nur noch, wenn sich ein Flugzeug nähern sollte. "Die Uckermark-Disco wird abgeschaltet", verspricht Nadine Haase vom Windkraftbetreiber Enertrag.

Sendung: Inforadio, 17. Februar 2022, 9:25 Uhr

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60 Kommentare

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  1. 60.

    Naja bei den Experten auf dem Gebiet gehen die Meinungen eben nicht auseinander.

    Man weiß sogar wie sich ohne den CO2 Ausstoß des Menschen das Klima verändern würde.

    Aber es gibt ja auch die Legenden vom "grünen" Grönland in den Klimawandelleugnerszene.....

  2. 59.

    Als Biologe finde ich dass WKA der beste Schutz für Natur mitsamt Flora und Fauna sind. Der menschengemachte Klimawandel ist die viel größere Gefahr für ganze Ökosysteme weltweit.

    Auch alle relevanten Umweltschutzverbände sehen das so. Klar die Nimbys und Energiewendegegner von Vernunftkraft nutzen ihre plötzlich entdeckte "Naturliebe" ....

  3. 58.

    Es ist sogar im Gegenteil schon lange bekannt, daß WKA NICHT krank machen.

    Spätestens seitdem das BGR letztes Jahr zugeben musste sich um mehrere Zdhnerpotenzen vertan zu haben.

    Aber hindert natürlich niemanden einfach gesundheitliche Schäden ohne jeden wissenschaftlichen Nachweis zu behaupten.

  4. 57.

    Ich hab jahrelang 500 mit von Anlagen mit 160m Narbenhöhe gewohnt.

    Hab von denen praktisch nie was gehört.

    Jetzt die Landstraße 100 m weiter ist extrem viel störender.

  5. 56.

    Es geht in dem Beitrag um Atomstrom.
    Da Sie dies nicht auseinanderhalten können, wird es schwer mit einer Debatte.

  6. 55.

    Jemand mit Verstand brauchen Sie das nicht erklären, bei allen anderen ist es zwecklos.

  7. 54.

    Klar gibt es Wissenschaftler die eine andere Auffassung haben, dass sind dann aber Casino-Wissenschaftler oder anders Fachfremd. Wer hat mehr Kompetenz in Sachen Klimaforschung, der Klimaforscher oder ein Wissenschaftler aus einem anderen Fach?

  8. 53.

    Eine verbreitete These von Energiewendegegnern: "Da ist also nichts unabhängig von Interessen und Ideologien ..." schrieben z.B. Sie zuerst hier am 17.02.2022 um 12:48

  9. 52.

    Es wundert nicht, dass so viele Studien sich damit beschäftigen, ob wir Menschen das Klima verändern, weil es wichtig ist, wie wir unser Handeln dann überdenken müssen und nur darauf haben wir Einfluss. Keinen Einfluss haben wir auf das Ende einer Eiszeit, darauf, dass die Pole überwiegend eisfrei waren, sich also Warm- und Eiszeiten abwechseln und die Anpassungsfähigsten Räume besiedeln konnten, die durch die Auseinandersetzung mit Widrigkeiten sich am besten weiterentwickeln konnten. Wer meint, den Status Quo erhalten zu können, hat verloren.
    Es kommt also darauf an, was wir tun (müssen) und im welchen Umfang. Die Studien sagen nun alle nicht das Gleiche aus, wie groß der Einfluss vom Menschen ist. Helfen würde nicht ein "Festkleben", Tempolimit oder "Nicht zur Schule gehen", wohl aber die Überdenkung der Zementherstellung, Stahl- u. Nahrungsmittelerzeugung, Energiegewinnung, Verkehr u.a. Wenn jeder zweite Werbesatz lautet: ist gut für das Klima darf man sich nicht wundern, dass...

  10. 51.

    So läuft das also - Leute mit anderen Auffassungen einfach in eine Ecke stellen und am besten noch als bestechlich diffamieren usw. Ja, so funktioniert das, im Großen wie hier im Kleinen. Kein Wunder, dass sich "Abweichler" im zwangsläufig von Zweifeln geprägten wissenschaftlichen Diskurs nur noch ungern öffentlich zu Wort melden.

    Man kann übrigens durchaus sehen, dass die meistgenutzten Energiequellen des Menschen endlich sind und deswegen alternative Energiequellen und deren Nutzung gesucht werden müssen, ohne dass man gleich Klimaendzeitideologien verbreiten muss.
    Erdgeschichtlich befiinden wir uns im Frühling nach der Eiszeit, es hat was mit Hybris zu tun, den Sommer verhindern zu wollen. Wenn dann in Grönland wieder Landwirtschaft betrieben werden kann, muss sich der Mensch anpassen und nicht versuchen, das Klima zu ändern. Ich hab mit Religion nichts zu tun, vielleicht lehne ich deshalb die Erhebung der Menschheit in den diesbezüglichen Gottesstand ab.

  11. 50.

    Ich kann Ihnen auch "Experten" googeln, die die Schwerkraft ablehnen. Das heißt nicht, dass die Äpfel morgen nach oben fallen.

  12. 49.

    Ja, mir komm die Tränen
    Die IUCN geht davon aus, daß der derzeit registrierte Artenschwund infolge anthropogener Klimaerwärmung, Urwaldrodung, Pestizideinsatz, Verseuchung der Meere etc. die natürliche Aussterberate bereits um das bis zu 10.000fache übertrifft!
    Hör'n Se auf, die Vögel vorzuschieben - die Windkraftgegner interessiert doch biologische Vielfalt sonst nicht.

  13. 48.

    Plattentektonik, Sonneneinstrahlung, -eruptionen und Planetenkonstellationen spielen nur eine untergeordnete Rolle. Dafür gibt es Beweise.
    Die Uratmosphäre der Erde hatte 10 % CO² = 100.000 ppm. Im Kambrium, als sich innerhalb von 5 bis 10 Millionen Jahren die damaligen Vertreter aller heute lebenden Tierstämme entwickelten, lag der atmosphärische CO²-Anteil auf einem hohen Niveau von über 0,6 % = 6.000 ppm. Nur ist der aktuelle Wert von mittlerweile 412 ppm = 0,04 % so hoch wie in den letzten 800.000 Jahren nicht. Da lag der Wert während der Eiszeiten zwischen 180 und 210 ppm und während der Zwischeneiszeiten bei 280 bis 300 ppm und war in den letzten 10.000 Jahren mit 260 bis 280 ppm ziemlich stabil.
    Noch zu Beginn des 19. Jhd. lag der Wert bei 284 ppm. Die 128 ppm, die wir heute mehr haben, sind anthropogenen Ursprungs!
    Die Werte kann ma sich alle im Internet selbst zusammensuchen. Nix da, von wegen Klimaerwärmug ist nur simuliert.

  14. 47.

    Äh... nein, die Meinungen gehen auch unter Experten DURCHAUS auseinander.
    Aber dazu hat Torsten dankenswerterweise ja schon das Richtige gesagt.
    Diesbezüglich ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
    Und daher erlaube ich mir das Privileg des Zweifels, weil das jeden Fanatismus und Extremismus unterminiert.
    Anders ausgedrückt:
    Wer nicht mehr zweifelt, der lernt auch nicht mehr.
    Und ich habe nicht vor, damit aufzuhören.

  15. 46.

    Wenn von 88.000 Studien zum Klimawandel lediglich 28 andere Gründe als das Handeln des Menschen als Grund für den Klimawandel sehen, sind das wohl eher wenige.
    https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimaforschung-klimawandel-mensch-ist-ursache-studie-1.5443664

  16. 45.

    Nennen Sie mir doch mal ein Ding auf dieser Welt was unabhängig von Interessen ist. Stellvertretend zum IPCC dürfen Sie auch gerne beim Dachverband der Kohleindustrie in Deutschland anrufen und da erklären warum alle Klimaforscher falsch liegen. Wenn Ihre Argumente überzeugend sind werden die sicher die richtigen Lobbywege haben um das auch der Politk beizubringen und Sie brauchen sich nie wieder Sorgen um Windkraft zu machen. Ein kleiner Obulus für Ihre Mühen springt dabei sicher auch raus, also los!

  17. 44.

    Der IPCC ist eine zwischenstaatliche Institution (!), die Wissenschaftler in den IPCC beruft. Da ist also nichts unabhängig von Interessen und Ideologien, so dass es auch nicht verwundert, dass Wissenschaftler, die nicht die dort gängigen Thesen teilen, nie berufen wurden. Es gibt sie aber. Und nicht mal wenige. Man hört sie nur nicht so oft, da sie auch keine mediale Plattform bekommen.

  18. 43.

    Bei Überschuss wird halt der Solar- und Windstrom exportiert, nennt sich Wirtschaft. Ich sag ihnen die Zukunft voraus, es werden Speicher kommen und dann der Strom aus Solar und Wind die Kohlekraftwerke in den Ruin treiben. Letztlich braucht man dann gar kein Ausstiegsdatum für Kohle, erledigt sich von selbst. Kohle- und Atomstrom ist ja jetzt bereits ein Minusgeschäft trotz massiver Subventionen.

  19. 42.

    "Uckermark-Disco" das ja wohl ein Witz. Man sollte mal in den Gärten von Grundstückbesitzern schauen, wieviel dumme Leuchtdinger da sind. Vorgeschobener Grund würde ich sagen. Wie steht man eigentlich zur Straßenbeleuchtung, ist ja mindestens mehr als 100 mal heller als die kleinen Lampen bei den Windrädern.

  20. 41.

    Die Meinungen gehen nur unter Laien auseinander. Die Experten sind sich einig. Woran mag das wohl liegen?

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