Disziplinarverfahren bei Berliner Polizei - 64 Polizisten wird "Dienstvergehen mit politischer Motivation" vorgeworfen

Mi 09.03.22 | 07:51 Uhr | Von Helena Daehler
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Symbolbild: Polizisten in Berlin (Quelle: dpa/Christophe Gateau)
Audio: Abendschau | 09.03.2022 | Helena Daehler | Bild: dpa/Christophe Gateau

Wegen des Verdachts von "Dienstvergehen mit politischer Motiviation" laufen zurzeit mehr als 60 Disziplinarverfahren gegen Berliner Polizistinnen und Polizisten. Vorwürfe, die Polizei gehe nicht entschieden genug gegen Verfehlungen vor, weist sie zurück. Von Helena Daehler

Zurzeit laufen 64 Disziplinarverfahren gegen Beamtinnen und Beamte der Berliner Polizei wegen "politisch motivierter Dienstpflichtverletzungen". Diese Zahl teilte die Pressesprecherin der Berliner Polizei, Anja Dierschke, dem rbb mit (Stand: 23.2.). Vor einem Jahr hatte die Zahl der Disziplinarverfahren wegen des Verdachts rechtsextremistischer oder rassistischer Äußerungen bei 47 gelegen.

Nach Angaben der Innenverwaltung des Senats besteht aktuell wegen Verdachts der politisch motivierten Kriminalität in elf Fällen ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. In drei Fällen würden noch Verfahren laufen mit dem Ziel, den jeweiligen Beamten oder die Beamtin aus dem Dienst zu entfernen. In vier weiteren Fällen betreffe dies Anwärterinnen oder Anwärter.

Im Jahr 2021 wurden laut Innenverwaltung 50 Ermittlungsverfahren abgeschlossen und an die Berliner Staatsanwaltschaft übergeben. Laut Polizei und Senatsverwaltung gibt es knapp 27.000 Beschäftigte bei der Berliner Polizei.

57 Beschwerden nach LADG

Im vergangenen Jahr gingen insgesamt 57 Beschwerden über Beamtinnen und Beamte bei Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) ein, wie die Polizei mitteilte. Dabei liege der Schwerpunkt der Diskriminerungsmerkmale mit 41 Beschwerden auf der ethnischen Herkunft. Ebenfalls oft genannt wurde Diskriminierung aufgrund einer Behinderung oder der geschlechtlichen und sexuellen Identität.

In jüngster Vergangenheit waren immer wieder Vorwürfe des Rassismus oder Rechtsextremismus gegen Polizisten erhoben worden. So soll beispielweise in Chatgruppen rechtsextremes Material geteilt worden sein. Vor wenigen Tagen wurde am Berliner Landgericht ein Prozess gegen früherer Polizeischüler neu aufgerollt, die beim privaten Besuch einer Sportveranstaltung Naziparolen gerufen haben sollen.

Dass Vergehen durch Beamtinnen und Beamte nicht konsequent genug geahndet werden und Fehlverhalten bezüglich Diskriminierung und Alltagsrassismus bei der Polizei alltäglich seien, kritisiert auch der Berliner Polizist Oliver von Dobrowolski Buch, der am Mittwoch dazu ein Buch veröffentlichte. "Das reicht von sprachlicher Diskriminierung bis zu Homophobie, Transfeindlichkeit, (…) Rassismus, Racial Profiling", sagte er dem rbb im Interview. Von Dobrowolski forderte, in der Aus- und Weiterbildung Kommunikationstrainings zu intensivieren.

"Vielfältige Maßnahmen gegen Rechtsextremismus"

Von Dobrowolskis Vorwürfe weist die Senatsverwaltung entschieden zurück und teilte dem rbb schriftlich mit: "Die Aussagen von Herrn von Dobrowolski entsprechen nicht der Realität und werden den vielfältigen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus von Polizei und Innenverwaltung nicht gerecht." Grundsätzlich gelte, dass Polizistinnen und Polizisten mit offen verfassungsfeindlicher Gesinnung keinen Platz in der Polizei Berlin hätten.

Alle Vorwürfe und Beschwerden würden eingängig geprüft, schreibt die Berliner Polizei bezüglich der Vorwürfe des Polizeibeamten. Auch dass es nicht genug Aus- und Weiterbildungsangebote gäbe, weist Polizeisprecherin Dierschke zurück: "Der intensiven und dauerhaften Bildungsarbeit gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und jeglichem Extremismus kommt in der Ausbildung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ein hoher Stellenwert zu und ist im Lehrplan als eigenständiges Leitthema sowie als Seminarangebot fest verankert." Dazu würden auch Seminare und Projekttage in Zusammenarbeit mit der Landesantidiskriminierungsstelle und Organisationen wie Amnesty International zählen.

Sendung: Abendschau, 09.03.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Helena Daehler

28 Kommentare

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  1. 28.

    Tja, so manch Berliner, auch aus Lichtenberg, fährt zur Erholung nach Brandenburg und andere gehen dort "spazieren", um, ähem, FREIHEIT einzufordern oder so . . .

    Ich bin ja mal gespannt, wie viele "Spaziergänger" ab übernächsten Montag noch zusammengetrommelt werden können. Das dürfte sich dann auf einen harten Kern der Verbitterten zusammenschmelzen.

  2. 27.

    Wieso haben Sie denn so intensiv mit der Polizei zu tun, wenn Sie spazieren gehen...?!?

  3. 26.

    Absolut Richtig ,die Beamten sind leider nur Spielbälle der Politiker. Bei meinen Spaziergängen in Brandenburg sind sie total entspannt und man kann super mit ihnen über alles diskutieren . Den Druck den sie aushalten müssen, muss hoch sein. Bepöbeln ,anspucken , drohen und sich bewerfen lassen und dann noch ruhig zu bleiben. Großen Respekt. Schwarze Schafe gibt es überall.

  4. 25.

    Hmm, die Teilnehmer der sogenannten "Spaziergänge", zu deren Teilnahme Rechtsextremisten aufrufen, und auf denen ungeniert Polizisten (und auch Journalisten) angegriffen werden, sollen "Zugezogene" sein? Das wäre mir neu...

  5. 23.

    Sich unliebsamen Haltungen direkt pauschal zu verweigern, so sieht die Welt von Antidemokrat*innen und der Anhängerschaft des Autoritarismus wohl aus. Hier sowie im verlinkten Artikel zu von Dobrowolskis Buch bzw. Anliegen geht es um konkrete Missstände, die zu benennen ausdrücklich sogar Teil der Ausbildung u. des Berufsbilds der Polizei sind. Welche Polizei genau wollen Sie also vorgeblich verteidigen, eine Willkür als Handlungsmaxime verfolgende? Geht es um konkrete, notwendige Kritik, kommt die rechte Ecke direkt mit Rabulistik an und versucht, zu verharmlosen.

    Wenn man ein genaueres Lagebild als das der LADS sucht, wendet man sich an Wissenschaft sowie soziale Organisationen, die z.B. Betroffene von rassistisch motivierter Polizeigewalt beraten und betreuen, wie etwa "KOP". Dass rechtswidriges Verhalten innerhalb der Polizei keine Seltenheit ist, belegen zudem Studien der Ruhr-Universität. Auch geht es nicht um die Anzahl der Fälle, sondern wie damit umgegangen wird.

  6. 22.

    Sie halten "die Zugereisten" nicht für eine verunglimpfende Verallgemeinerung sondern für einen Fakt? Haben Sie mit allen "Zugereisten" gesprochen und deren Bild von der Polizei genau studiert? Auch hier bitte nachdenken bevor geschrieben wird...

  7. 21.

    Wenn Sie Erfahrung mit rassistischen Beamten hätten (so wie ich), würden Sie sich nicht darüber lustig machen. Das ist natürlich auch einfacher, als nachzudenken...

  8. 20.

    Nein aber gegen "Zugereiste", nicht wahr? Aber das wird man ja noch sagen dürfen!

  9. 19.

    Ich erkenne da keinen rechten Kommentar. Für mich sind es leider auch nackte Fakten. Und warum dürfen diese von Hendrik nicht ausgesprochen werden? Immer das in die rechte Ecke drängen.
    Meine Jungs haben übrigens auch Respekt vor der Polizei. Denen würde im Traum nicht einfallen, die Hand gegen die Polizei zu erheben.

  10. 18.

    Dass die absolute Mehrheit der Polizisten ihre Arbeit gut macht, bezweifelt auch niemand. Den Begriff „Dunkelziffer“ haben Sie schon mal gehört? Diese wird es auch hier geben, da können Sie sich ganz sicher sein. Für solche Beamten ist kein Platz in unserer Polizei!

  11. 17.

    Es ist aber seit 2015 das auch wir verstärkt angegriffen werden von dieser besagten Personengruppe. Aber hören will das keiner. Die Folge daraus, man wird immer misstrauischer wenn man auf bestimmte Personen trifft. Nur ist diese misstrauen unsereseits die Folge dass die Ursachen nicht beim Namen genannt werden.

  12. 16.

    Bei solchen Artikeln sollte die Kommentarfunktion künftig einfach deaktiviert werden, denn außer des üblichen Polizei-Bashings kommt dabei ja eh nicht heraus. Ist in gewissen Kreisen hat Usus und gehört zum guten Ton. Die selben heulen dann aber besonders laut rum, wenn genau diese Polizei mal nicht schnell genug zu Hilfe kommt oder nicht schnell genug das gewünschte Ermittlungsergebnis liefert.
    Wie viele tausend Polizisten gibt es in Berlin? Davon besteht bei 64 ein Verdacht (!) auf unangemessenes bzw. ordnungswidriges Handeln, davon 57 aus dem letzten Jahr, der Rest aus anderen. Wie viele Promille macht das denn aus? Wie viele Prozent der Vorwürfe erweisen sich überhaupt als berechtigt? Hier wird ja teilweise wieder getan, als wäre alles bestätigt. Unschuldsvermutung? Was ist das? Dass es immer mal Fehltritte gibt, ist leider normal. Diese werden geahndet und gut ist es. Die absolute Mehrheit macht einen sauberen Job!

  13. 15.

    Für sind daß auch nur Menschen wie Du und Ich, ich will die Verfehlungen nicht gut heißen dafür müssen sie ihre gerechte Strafe bekommen.

  14. 14.

    Wenn auch nur einer von zehn Polizisten eben nicht mein Freund und Helfer ist, mich seine Ablehnung auch deutlich spüren lässt, indem er mich vielleicht einfach nicht ernst nimmt, mir nicht glaubt und mich ungerecht behandelt, wird es schon schwierig, der Institution Polizei in ihrer Gesamtheit uneingeschränktes Vertrauen entgegenzubringen. Eben weil ich ja nicht weiß, welcher Polizist mir das nächste Mal gegenübersteht. Wie also sollte jemand, der so eine Erfahrung bereits machen musste, seinen Kindern dann aber (guten Gewissens) uneingeschränktes Vertrauen zur Polizei vermitteln können? Intolerante, voreingenommene oder gar extremistische Beamte zerstören das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei und sind deshalb nicht tragbar. Nicht zuletzt im Interesse ihrer rechtschaffenen Kollegen, für die dieser Vertrauensverlust negative Auswirkungen wie ablehnendes – und in der schlimmsten Ausprägung sogar feindliches – Verhalten ihnen gegenüber zur Folge haben kann.

  15. 13.

    Und Sie bedanken sich noch für einen rechten Kommentar, indem ganz billig verallgemeinert wird ("die Zugereisten")? Würde mich bei Ihnen bedanken, wenn Sie mal nachdenken, bevor Sie rechtes Gedankengut beklatschen...

  16. 12.

    Das genaue Gegenteil von "nicht dein dein Freund und Helfer" ?
    Aha.

  17. 11.

    Dann nehme ich mal an, ihre Kinder haben keine dunkle Hautfarbe? In dem Fall machen Sie leider öfter als Sie es wahr haben wollen die Erfahrung, dass die Polizei nicht "dein Freund und Helfer" ist. Oft leider das genaue Gegenteil...

  18. 10.

    Ja, Recht so - und ebenso auch alle die, die jemals über Mrs. Doubtfire, Charley's Tante, Tootsie oder den dunkelhäutigen Pittiplatsch gelacht haben!!

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