Disziplinarverfahren bei Berliner Polizei - 64 Polizisten wird "Dienstvergehen mit politischer Motivation" vorgeworfen

Wegen des Verdachts von "Dienstvergehen mit politischer Motiviation" laufen zurzeit mehr als 60 Disziplinarverfahren gegen Berliner Polizistinnen und Polizisten. Vorwürfe, die Polizei gehe nicht entschieden genug gegen Verfehlungen vor, weist sie zurück. Von Helena Daehler
Zurzeit laufen 64 Disziplinarverfahren gegen Beamtinnen und Beamte der Berliner Polizei wegen "politisch motivierter Dienstpflichtverletzungen". Diese Zahl teilte die Pressesprecherin der Berliner Polizei, Anja Dierschke, dem rbb mit (Stand: 23.2.). Vor einem Jahr hatte die Zahl der Disziplinarverfahren wegen des Verdachts rechtsextremistischer oder rassistischer Äußerungen bei 47 gelegen.
Nach Angaben der Innenverwaltung des Senats besteht aktuell wegen Verdachts der politisch motivierten Kriminalität in elf Fällen ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. In drei Fällen würden noch Verfahren laufen mit dem Ziel, den jeweiligen Beamten oder die Beamtin aus dem Dienst zu entfernen. In vier weiteren Fällen betreffe dies Anwärterinnen oder Anwärter.
Im Jahr 2021 wurden laut Innenverwaltung 50 Ermittlungsverfahren abgeschlossen und an die Berliner Staatsanwaltschaft übergeben. Laut Polizei und Senatsverwaltung gibt es knapp 27.000 Beschäftigte bei der Berliner Polizei.
57 Beschwerden nach LADG
Im vergangenen Jahr gingen insgesamt 57 Beschwerden über Beamtinnen und Beamte bei Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) ein, wie die Polizei mitteilte. Dabei liege der Schwerpunkt der Diskriminerungsmerkmale mit 41 Beschwerden auf der ethnischen Herkunft. Ebenfalls oft genannt wurde Diskriminierung aufgrund einer Behinderung oder der geschlechtlichen und sexuellen Identität.
In jüngster Vergangenheit waren immer wieder Vorwürfe des Rassismus oder Rechtsextremismus gegen Polizisten erhoben worden. So soll beispielweise in Chatgruppen rechtsextremes Material geteilt worden sein. Vor wenigen Tagen wurde am Berliner Landgericht ein Prozess gegen früherer Polizeischüler neu aufgerollt, die beim privaten Besuch einer Sportveranstaltung Naziparolen gerufen haben sollen.
Dass Vergehen durch Beamtinnen und Beamte nicht konsequent genug geahndet werden und Fehlverhalten bezüglich Diskriminierung und Alltagsrassismus bei der Polizei alltäglich seien, kritisiert auch der Berliner Polizist Oliver von Dobrowolski Buch, der am Mittwoch dazu ein Buch veröffentlichte. "Das reicht von sprachlicher Diskriminierung bis zu Homophobie, Transfeindlichkeit, (…) Rassismus, Racial Profiling", sagte er dem rbb im Interview. Von Dobrowolski forderte, in der Aus- und Weiterbildung Kommunikationstrainings zu intensivieren.
"Vielfältige Maßnahmen gegen Rechtsextremismus"
Von Dobrowolskis Vorwürfe weist die Senatsverwaltung entschieden zurück und teilte dem rbb schriftlich mit: "Die Aussagen von Herrn von Dobrowolski entsprechen nicht der Realität und werden den vielfältigen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus von Polizei und Innenverwaltung nicht gerecht." Grundsätzlich gelte, dass Polizistinnen und Polizisten mit offen verfassungsfeindlicher Gesinnung keinen Platz in der Polizei Berlin hätten.
Alle Vorwürfe und Beschwerden würden eingängig geprüft, schreibt die Berliner Polizei bezüglich der Vorwürfe des Polizeibeamten. Auch dass es nicht genug Aus- und Weiterbildungsangebote gäbe, weist Polizeisprecherin Dierschke zurück: "Der intensiven und dauerhaften Bildungsarbeit gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und jeglichem Extremismus kommt in der Ausbildung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ein hoher Stellenwert zu und ist im Lehrplan als eigenständiges Leitthema sowie als Seminarangebot fest verankert." Dazu würden auch Seminare und Projekttage in Zusammenarbeit mit der Landesantidiskriminierungsstelle und Organisationen wie Amnesty International zählen.
Sendung: Abendschau, 09.03.2022, 19:30 Uhr