Berliner Reaktionen auf Bundes-Pläne - Senat spricht sich gegen, Opposition für A100-Ausbau aus

Der Bund hat den Weg freigemacht für den Ausbau der Stadtautobahn A100 bis zur Storkower Straße. In Berlin löste die Ankündigung ein geteiltes Echo aus. Während der Senat protestiert und sich überrascht zeigt, begrüßt die Opposition die Pläne.
Die Ankündigung zum Ausbau der Stadtautobahn A100 bis zur Storkower Straße ist in Berlin auf ein geteiltes Echo gestoßen. CDU und AfD sprachen von "einer guten Nachricht" und einem "notwendigen Schritt". Die Grünen hingegen attestierten dem FDP-Verkehrsminister Volker Wissing eine "komplette Fehlleistung".
Für den Ausbau der Berliner A100 ist der Bund zuständig. Das Bundesverkehrsministerium hat am Dienstag für das Planungsverfahren grünes Licht gegeben. "Die Veröffentlichung der Informationen über die Planungsleistungen des 17. Bauabschnitts der A100 wird heute auf der Vergabeplattform der Europäischen Union hochgeladen", teilt die zuständige bundeseigene Autobahngesellschaft dem rbb mit. Zuerst berichtete die "Berliner Morgenpost" [Bezahlinhalt] von den Plänen.
Regierende Giffey kritisiert Alleingang des Bundes
Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat sich von der Entscheidung des Bundesverkehrsministerium überrascht gezeigt. Wie sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz des Berliner Senats mit der Brandenburger Landesregierung am Dienstag sagte, hat sie von der Ausschreibung aus der Presse erfahren. "Das ist eine überraschende Entwicklung, die von uns zu diesem Zeitpunkt nicht erwartet wurde", sagte Giffey.
Ihr sei wichtig, zu wissen, wie der 16. Bauabschnitt der A100 eingebunden werde. Zudem gebe es im Koalitionsvertrag die Verabredung, den 17. Bauabschnitt nicht voranzutreiben. Sie hätte sich gewünscht, dass die Schritte, die der Bund unternimmt, mit dem Senat abgestimmt werden und erwarte, dass der Bund den Dialog mit der Landesregierung suche.
Während des Wahlkampfes im vergangenen Sommer lehnte Giffey einen Stopp des Autobahnausbaus ab. Weil sich Linke und Grüne nicht mit Giffey auf eine gemeinsame Haltung zum A100-Ausbau einigen konnten, legten die Koalitionspartner des rot-grün-roten Senats im Koalitionsvertrag fest, den Weiterbau bis nach ihrer gemeinsamen Legislaturperiode auf Eis zu legen.
Verkehrssenatorin Jarasch: "Verkehrspolitik von vorgestern"
Ein deutliches Veto für den Ausbau legten die Grünen im Abgeordnetenhaus ein. "Was das Bundesministerium hier plant, wirkt wie aus der Zeit gefallen", erklärte Umwelt- und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am Dienstag. Sie "gehe davon aus, dass sich das Bundesverkehrsministerium hier noch eines Besseren besinnt."
"Wir haben gerade alle Hände voll zu tun, den ÖPNV auszubauen und attraktiver zu machen, den Klimaschutz zu forcieren. Dazu steigen die Energiepreise. Und jetzt soll als Priorität eine Autobahn durch die Stadt geschlagen werden?" Das sei Verkehrspolitik von vorgestern. "Wir brauchen keine neue Autobahn in der Stadt, wir brauchen die Mobilitätswende", sagte Jarasch weiter.
Opposition begrüßt geschlossen den Weiterbau
Vonseiten der CDU kam hingegen Zustimmung. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion in Berlin, Oliver Friederici, erklärte, ein Weiterbau bringe viele Vorteile. Mit der A100 würde der Osten Berlins besser erschlossen, der Osten der Berliner Innenstadt vom Durchgangsverkehr entlastet und der Flughafen BER besser erreichbar. "Deshalb erwarten wir hier von der Regierenden Bürgermeisterin, dass ihr Senat dieses Großvorhaben mit allen Kräften unterstützt. Berlin ist nun mal Großstadt, nicht Bullerbü", so Friederici.
"Der Weiterbau der A100 ist zwingend notwendig, um die Innenstadt vom Verkehr zu entlasten", erklärte der Verkehrsexperte der AfD-Fraktion in Berlin, Harald Laatsch. Die Mittelfreigabe durch das Bundesverkehrsministerium sei richtig.
Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus hält den Ausbau der A100 im Osten der Stadt ebenfalls für eine gute Entscheidung. "Die A100 ist eine echte Lebensader für Berlin", sagte Czaja. Nach einer Kosten-Nutzen-Analyse sei die Verlängerung notwendig: "Das erklärte Ziel der rot-grün-roten Landesregierung, die Innenstädte vom Autoverkehr zu entlasten, kann nur gelingen, wenn Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden." Von dem Infrastrukturprojekt würden sowohl Anwohner als auch Unternehmen und Wirtschaftsverkehr profitieren.
"Es ist gut, dass die Ampel im Bund endlich etwas Pragmatismus in diese aufgeheizte Diskussion bringt." Vom Berliner Senat fordert der FDP-Politiker eine Ausweitung des Mobilitätsangebots.
Politiker:innen von Grüne, Linke und SPD protestieren
Die Berliner Grünen wie auch die Linke und SPD stellen sich gegen die Pläne des Bundesverkehrsministeriums. Die Verlängerung widerspreche den Zielen der Berliner Koalition auf Landesebene, die Verkehrswende einzuleiten, teilten etwa die Linken-Abgeordneten Kristian Ronneburg, Sebastian Schlüsselburg und Katalin Gennburg mit. Die Autobahn würde zudem "eine Schneise der Umwelt- und Kiezzerstörung durch Treptow, Friedrichshain und Lichtenberg schlagen", so die Linken-Politiker.
"Überrascht und kalt erwischt" zeigte sich auch der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Stephan Machulik. Die rot-grün-rote Koalition in Berlin habe beschlossen bis zum Ende der Legislaturperiode alle Planungen für eine Autobahn-Verlängerung ruhen zu lassen. "Die SPD steht in Gänze hinter dem Koalitionsvertrag", betonte Machulik.
Ein "abstruser Vorstoß" für Grünen-Landesvorsitzende
Die Landesvorsitzenden der Grünen in Berlin, Susanne Mertens und Philmon Ghirmai, bezeichnen den Plan des Bundesverkehrsministeriums als "abstrusen Vorstoß". Die A100 löse ihnen zufolge keines der verkehrsrechtlichen Probleme Berlins.
"Im Gegenteil: Für den Weiterbau würden hunderte Millionen Euro verschwendet, die Luftqualität in der Stadt massiv verschlechtert und tausende Menschen mit zusätzlichem Lärm belastet werden. Eine weitere Autobahn mitten durch Berlin können wir uns weder verkehrspolitisch noch klimapolitisch leisten." Mertens und Ghirmai kündigten an, "entschlossen und mit ganzer Kraft gegen diesen verkehrspolitischen Irrsinn" zu kämpfen.
Sendung: rbb24-Inforadio, 29.03.2022, 17:00 Uhr