Berliner Polizei hatte nicht gewarnt - Innenstaatssekretär räumt Fehler bei Umgang mit Drohmail gegen Kocak ein

Do 24.03.22 | 14:30 Uhr
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Archivbild: Ferat Kocak (Die Linke) spricht während der Plenarsitzung im Berliner Abgeordnetenhaus. (Quelle: dpa/W. Kumm)
Audio: Inforadio | 24.03.2022 | OT Torsten Akmann | Bild: dpa/W. Kumm

Während in Hessen ein Berliner wegen der "NSU 2.0" Drohschreiben vor Gericht steht, war eine dieser Mails auch Thema im Abgeordnetenhaus. Darin war der Linken-Politiker Ferat Kocak bedroht worden - und die Polizei hatte ihn nicht darüber informiert.

Der Berliner Innenstaatssekretär Torsten Akmann hat Fehler beim Umgang der Polizei mit einem Drohschreiben gegen den jetzigen Linken-Abgeordneten Ferat Kocak eingeräumt. Das sagte Akman am Donnerstag im Abgeordnetenhaus.

Wie der rbb berichtete, hatte das Landeskriminalamt (LKA) Kocak 2019 nicht gewarnt, als bei der Polizei im März eine Drohmail mit dem Absender "NSU 2.0" eingegangen war. Darin wurde Kocak mutmaßlich von einem Beschuldigten im Prozess am Landgericht Frankfurt um die "NSU 2.0"-Schreiben bedroht.

Absprache mit LKA in Hessen

Weil bei den Ermittlungen das hessische LKA federführend ist, hatte die Berliner Polizei die Kollegen in Hessen informiert. Das LKA Hessen teilte daraufhin mit, dass es verschiedene solcher Schreiben auch andere Personen betreffend gegeben habe. In keinem Fall seien die Drohungen wahr gemacht worden. Deshalb kam das LKA zu der Einschätzung, dass keine Gefährdung von Ferat Koczak vorlag.

Akmann entschuldigte sich am Donnerstag im Namen des Berliner Senats und stellvertretend für die Polizeipräsidentin. Akmann sagte wörtlich: "Sie wissen, ich stehe sonst 100-prozentig hinter der Polizei. An dieser Stelle hat die Polizei Berlin einen Fehler gemacht." Akmann gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Hintergründe in einem bald startenden Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden.

Prozess um "NSU 2.0"-Schreiben: Angeklagter bedroht Deniz Yücel

Im Prozess in Hessen um die "NSU 2.0"-Drohschreiben hat der Angeklagte den als Zeugen anwesenden Journalisten Deniz Yücel verbal bedroht. Auf die Frage Yücels, ob der Angeklagte bestimmte Mails verfasst habe, sagte Alexander M. am Donnerstag vor dem Landgericht Frankfurt, wenn er könnte, würde er "ganz andere Sachen" mit ihm machen. In dem Verfahren wirft die Staatsanwaltschaft dem 54-Jährigen aus Berlin unter anderem Beleidigung in 67 Fällen, versuchte Nötigung und Bedrohung vor.

Yücel kritisierte am Donnerstag das hessische LKA, das sich bei seinen Ermittlungen in Form und Inhalt derartig merkwürdig und befremdlich an ihn gewandt habe, dass er nicht geantwortet habe.

Unter dem Absender "NSU 2.0" verschickten Rechtsextremisten ab August 2018 weit mehr als 140 Morddrohungen an Politikerinnen und Politiker, Medien- und Kulturschaffende. Die Drohschreiben hatten bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.

Sendung: Inforadio, 24.03.2022, 16 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    Doch,erst recht seit die Untersuchungen in Hessen im Sande verlaufen. Hier hat doch der Berliner Nazi als Kollege seine telefonischen Auskünfte erhalten. Wenn bei mir sich jemand telefonisch Auskünfte erbeten hätte, wäre er auf den Dienstweg verwiesen worden, fertig! Haben denn die Hessen keinen Eid geleistet?Da darf man doch Bedenken äußern.

  2. 8.

    Sie behaupten nicht ernsthaft, dass die demokratisch kontrollierte und aufs strengste an Recht und Gesetz gebundene Polizei mit Verfassungsfeinden kollaboriert?

  3. 7.

    Es sind ja nicht die ersten "Pannen" bei der hessischen und Berliner Polizei. So wurde Ferat Kocak nicht gewarnt als zwei polizeibekannte Rechtsextremisten ihn und sein soziales Umfeld ausspioniert haben, trotz Observierung. So gelang dann der Mordanschlag, quasi unter der Augen der Beamten.

    Wer da noch an Zufälle oder Schlamperei glaubt ist reichlich naiv.

  4. 6.

    Ihnen ist aber schon aufgefallen, dass dies kein Einzelfall ist? Das es traurigerweise immer wieder zu solchen "Zwischenfällen" kommt, wo Polizei und Rechtsextreme irgendwie miteinander drin hängen? Augen auf machen und nicht mit der 1000 Einzeltätertheorie kommen...

  5. 5.

    Das Drohschreiben wurde nach Rücksprache mit dem bearbeitenden LKA in Hessen als nicht bedrohlich eingestuft und dementsprechend gehandelt. Es wäre besser gewesen man hätte Herrn Kocak über dieses Schreiben informiert, andererseits hätte es nicht für Bewachung oder sonstige polizeiliche Maßnahmen ausgereicht. Ich vermute das Herr Kocak, falls er in sozialen Medien unterwegs ist, regelmäßig Drohungen erhält.

  6. 4.

    Finde ich ein bisschen einfach die " hinterher -st -man -immer -schlauer-Aussage". Fakt ist, es gab sehr viele solcher Schreiben und da diese offensichtlich nicht aus der Feder eines Kindes stammten, hat man die ernst zu nehmen. Das 140 Mal nichts passiert ist, ist zwar schön, aber alleine, das 140 Mal soetwas verschickt wurde bedeutet ja bereits, dass jmd. ne gewaltige Macke haben muss und das da Vorsicht geboten ist. Zumindest eine dringende Warnung hätte rausgehen müssen, keine Frage

  7. 3.

    @ Verwaltungsfreund, DOCH! Drohschreiben sollten immer als solche behandelt werden. Übrigens gegen Abgeordnete ALLER Parteien, auch gegen Abgeordnete der von mir abgelehnten Parteien (z.B. AfD). Drohschreiben betreffen nämlich in erster Linie Menschen. Und erst dann politischen Personen.

  8. 2.

    Sehe ich ganz ähnlich. Es ist für die Polizei sehr schwer, eine Abwägung zu treffen, die am Ende alle zufrieden stellt. Einerseits besteht der Wunsch von potentiellen Opfern, vor Gefahren gewarnt zu werden, andererseits sollte diese Gefahr aber so konkret sein, dass eine Prävention über das ohnehin übliche Maß hinaus auch wirklich notwendig ist und nicht noch höheren Stress und Angst erzeugt, als ohnehin schon vorhanden. Dies ist eben keine einfache und leichte Einschätzung für die Beamten und ist keine Boshaftigkeit sondern ein Minenfeld. Wie Sie richtig sagen: Hinterher sind alle schlauer.

  9. 1.

    Gefahrenprävention ist immer mit einer Prognoseentscheidung verbunden. Prognosen können aber nur ex-ante bewertet werden oder anders gesagt: hinterher ist man immer schlauer. Daher sollte der Polizei hier kein Vorwurf gemacht werden, denn sie hat so gehandelt, wie es aus der ex-ante-Sicht am zweckmäßigsten erschien.

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