Däubler-Gmelin sitzt Experten-Gremium vor - Senat setzt Kommission zum Enteignungs-Volksentscheid ein

Di 29.03.22 | 19:13 Uhr
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eilnehmer einer Demonstration unter dem Motto "Gegen den Mietenwahnsinn — jetzt erst recht!" halten am Potsdamer Platz Fahnen der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" in die Höhe. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Audio: Inforadio | 29.03.2022 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Eine juristische Pleite wie beim Mietendeckel soll beim Enteignungsgesetz unbedingt vermieden werden - der Berliner Senat hat am Dienstag ein Expertengremium eingesetzt, das die Umsetzbarkeit des erfolgreichen Volksentscheids abschätzen soll.

Der Berliner Senat hat eine Expertenkommission zum Volksentscheid "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" eingesetzt. Das Gremium solle Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen für eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen prüfen, heißt es in einer Mitteilung der Senatskanzlei vom Dienstag.

Vorsitzende der Expertenkommission ist die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Ihr zur Seite stehen unter anderem der ehemalige Bundesverfassungsrichter Michael Eichberger, drei Professoren der Humboldt-Universität und der Freien Universität, sowie drei Experten, die von der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" benannt werden.

Giffey gegen die Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne

Die Kommission werde sich zunächst mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen in Berlin befassen, teilte die Senatskanzlei mit. "Dabei sollen Möglichkeiten und rechtssichere Wege für eine Vergesellschaftung benannt und bewertet werden." Hierzu gibt es im Berliner Senat widerstreitende Meinungen: Während die SPD in weiten Teilen skeptisch auf die Vergesellschaftung schaut, sehen vor allem die Linken die rechtliche Grundlage dafür durch Paragraph 15 des Grundgesetzes ausreichend geschaffen. Der Paragraf, in dem die Überführung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum generell für rechtmäßig erklärt wird, wurde bislang nie angewendet.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte sich in einem aktuellen rbb-Interview erneut gegen die Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne ausgesprochen. Dadurch werde kein neuer Wohnraum geschaffen, so Giffey. Zudem seien die Kosten zu hoch.

Die Kommission hat dafür ein Jahr Zeit

Erst in einem zweiten Schritt soll die Kommission "wohnungswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Belange" bewerten. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansichten: Während der Senat Kosten von bis zu 30 Milliarden Euro erwartet, gehen die Enteignungsaktivisten von deutlich weniger aus. Die Linke fordert, dass eine Entschädigung der enteigneten Unternehmen unter Marktwert geschehen müsse – was juristisch allerdings fraglich ist.

Die Kommission soll dafür ein Jahr Zeit bekommen und dem Senat dann eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen vorlegen.

Beim Volksentscheid am 26. September vergangenen Jahres hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Enteignung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Die Hoffnung ist, dass durch diese Vergesellschaftung gegen finanzielle Entschädigung der Anstieg der Mieten gestoppt oder gebremst werden kann.

Streit um Zusammensetzung

Über die Besetzung des Gremiums gab es Streit zwischen dem Senat und der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", die den Volksentscheid zum Erfolg geführt hat. Die Initiative warf vor allem der SPD vor, ausschließlich Enteignungsgegner als Fachleute in das Gremium entsenden zu wollen.

SPD, Grüne und Linke hatten sich mit der Initiative darüber verständigt, dass alle drei Parteien und die Initiative in der Kommission jeweils ein Viertel der Expertinnen und Experten benennen dürfen.

Sendung: Inforadio, 29.03.2022, 10:00 Uhr

47 Kommentare

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  1. 46.

    Ich fordere eine gerechte Miete. Das heißt, dass die Miete die Instandhaltungskosten deckt. Fertig.
    Die Gewinne kommen durch die exorbitanten Handelspreise der Immobilien zustande. Reicht.

    Stattdessen sieht man TV Menschen, die ein Haus für 200Tsd Euro kaufen, jetzt 1,5Mio Wert ist und der Besitzer sich darüber beschwert, dass es unerwünscht ist, dass der sein Ruhestand durch die Wuchermiete finanziert wird. Haus verkaufen, 650% Gewinn mitnehmen, neue Investition suchen oder mit den Geld einen schönen Lebensabend finanzieren.

  2. 45.

    "Somit hat das Land drei Fehler begangen.
    1. Den sozialen Wohnungsbau selber eingestellt und lieber auf Wohngeld umgestellt.
    2. Den sozialen Wohnungsbau auf dem freien Markt zu wenig gefördert.
    3. Das einfache Bauen nicht mehr durch Vorschriften (Klima, barriefrei usw.) und teures Bauland zu ermöglichen."
    1. Wohngeld macht überteuerte Wohnungen wirtschaftsfähig,ist also kontraproduktiv.
    2. Der soziale Wohnungsbau wird seit 2015 wieder gefördert.Es gab sehr viele Maßnahmen um das zu fördern.Sogar die FDP hat inzwischen Vorschläge als eigene deklariert,bei denen sie sich vorher laut öffentlich dagegen gestellt hat.
    3. Das sind zwei Punkte. Baurecht ist nicht nur durch den Senat festgelegt,da gibt es auch immer Bundesvorgaben. Da gibt es Verbesserungsbedarf. Die Grundstückspreise legt der Senat nur für eigene Grundstücke fest und da gibt es nicht mehr viele. Die anderen Grundstücke kommen vom "freien Markt".

  3. 44.

    Jetzt klingt Ihr Kommentar solider. Und Ihre Bedenken, hinsichtlich der Baukosten, sind mehr als berechtigt. Diese verteuernden Bauvorschriften gelten für kommunal Unternehmen auch. Also Überarbeitung der Auflagen auf ein physikalisch sinnvolles Maß? Bisher konnten die Dämmdicken nicht einmal angepasst werden. Neue Auflagen drohen dagegen schon wieder... und man bekommt was man gewählt hat, egal ob sinnvoll oder nicht, weil ja keine Überprüfung der Ideologie auf Zielerreichung stattfindet.
    P.S. Die Lohnentwicklung wird dem Rechnung tragen... Der Staat kann helfen: Subunternehmertum bekämpfen oder andere Ausbeutung im Niedriglohnbereich. Was macht eigentlich Herr Heil, außer Almosen verteilen? Zu beschwerlich der Weg in seinem Job?

  4. 43.

    Grundsätzlich sehe ich Wohngeld auch als sinnvolle Maßnahme.

    Nur dazu müsste auch Neubau mit einfachen Wohnhäusern und günstigeren Mieten von den privaten gebaut werden. Der Staat ermöglicht dies durch die Vorschriften jedoch nicht.

    Somit fallen jährlich viele Wohnung aus der sozialen Bindung und es wir kein günstigerer Neubau geschaffen.

    So kann es nicht funktionieren. Der Staat setzt die falschen Hebel.

  5. 42.

    Grundsätzlich sehe ich Wohngeld auch als sinnvolle Maßnahme.

    Nur dazu müsste auch Neubau mit einfachen Wohnhäusern und günstigeren Mieten von den privaten gebaut werden. Der Staat ermöglicht dies durch die Vorschriften jedoch nicht.

    Somit fallen jährlich viele Wohnung aus der sozialen Bindung und es wir kein günstigerer Neubau geschaffen.

    So kann es nicht funktionieren. Der Staat setzt die falschen Hebel.

  6. 41.

    Es fällt zunehmend schwer, das Thema Wohnungsmarkt noch zu verstehen. Kürzlich erfuhr ich, dass die Wohnungen in unserem Haus in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden. Irgendwer hat beschlossen, dass die Wohngegend kein soziales Erhaltungsgebiet ist. Ein Zynismus ohnegleichen. Erste Sondierung in Immobilienportalen: es gibt freie Wohnungen, aber die sind billig-möbliert und werden zu horrenden Mieten angeboten - z. B. 37 qm mtl. 1900 €... Das Thema "Wohnen" als "Menschenrecht" - nicht bei uns.

  7. 40.

    Wohngeld ist gerechter und solidarischer als der Soziale Wohnungsbau. Das jahrelange Wohnen, auf Kosten der Allgemeinheit, ist nicht akzeptabel und behindert sogar die Entwicklung begehrter Wohnlagen.

  8. 39.

    Das wird in einem riesen Desaster ungeahnten Ausmaßes enden. So oder so. Entweder die Wähler gehen auf die Barrikaden oder die Gerichte zerfetzen den Senat.. oder beides. Aber was auch immer, es werden weniger Wohnungen gebaut und immer weniger vermietet.
    Mit dem Geld könnte man viele Wohnungen neu schaffen, stattdessen wird nur der Status Quo finanziert für viel, viel Geld und wenig wenig Menschen. Dass dieses System nicht funktioniert zeigen die mit über 10 Milliarden verschuldeten landeseigenen Wohnungsgesellschaften. Geteilt durch deren 323.000 Wohnungen macht das eine Wohnungsverschuldung von über 30 Tausen € pro Wohnung. Durch nicht kostendeckende Mieten. Und das selbst noch bei vielen Geschenken und Subventionen wie etwa verbilligte oder kostenlose Grundstücke. Pfründe, mit denen private nicht kalkulieren können.

  9. 38.

    mmmmm bin ich ein Däne? Lebe ich in Dänemark? Mein Kommentar evtl nochmals lesen es geht um die kriminellen Elemente um Scheinfirmen, Briefkasten Firmen vorrangig

  10. 37.

    Erklären Sie doch bitte sachlich den Zusammenhang, sie selbst haben ja Bezug auf meinen Beitrag von 18.37 Uhr genommen und agieren nur persönlich.

    Wenn es ums Sachliche geht, wird es erfahrungsgemäß bei Ihnen sehr dünn.

  11. 36.

    Leider sind z.B. auch dänische Pensionfonds Berliner Immobilienspekilanten geworden, weil bei uns die Wohnungen so billig sind, also Erfolg auf Wertsteigerung besitzen! :-(

  12. 35.

    Leider kostet diese Initiative nur Geld, welches Berlin nicht hat und schafft gleichzeitig keine einzige, dringend benötigte, neue Wohnung. Hoffentlich wird auch endlich nicht mehr in Berlin gebaut, sondern nur noch am Rande, Richtung Brandenburg erlaubt! Dem Erhitzen der Innenstädte muss endlich etwas entgegen gesetzt werden. Kein zusätzlicher Beton/Asphalt mehr in den Innenstädten!

  13. 34.

    Im Tiergarten muss man noch viiiiiel lernen!
    Aber heute ist es besonders schlimm anzusehen.

  14. 33.

    In welchem Zusammenhang stehen Ihres Erachtens übrigens Ihre als Argument herhaltenden Buchgewinne (also keine realen, verwirklichten Gewinne) zu der geforderten freiwilligen Mietabsenkung (sofortige, verwirklichte Liquiditätseinbussen, Finanzierungen) durch Vermieter.

    Erklären Sie mir doch bitte, was das eine mit dem anderen zu tun haben soll?

  15. 32.

    Der freie Wohnungsmarkt hat in der Bundesrepublik seit seiner Gründung 50 Jahre lang funktioniert, auch für die niedrigere Einkommensgruppen, für sozial schwache war der soziale Wohnungsbau zuständig.

    Das war die Realität damals, heute haben wir so gut wie keinen sozialen Wohnungsbau mehr, und da zu vermehrt Dumpinglöhne, dies auf Grund von politischen Entscheidungen. Obendrauf wurde die Überregulierung des Wohnungsmarktes gesetzt, in der Hoffnung damit die Probleme zu lösen.

    Die nachhaltige Lösung wäre,, die Dumpinglöhne zu unterbinden und den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln, und den übrigen Wohnungsbau nicht zu behindern.

  16. 31.

    „Die Sozialwohnung werden nicht auf Grund des fehlenden Gewinns (inflationsbereinigt) weniger, sondern aus Gier.“

    Es sind die Rahmenbedingungen die der Staat vorgibt, die dafür sorgen ob gebaut wird.

    Sozialer Wohnungsbau wird direkt gefördert, jedoch nicht attraktiv genug. Selbst unter staatlicher Kontrolle oder Verwaltung ist er nicht wirklich attraktiv. Darum hat haben die Länder den sozialen Wohnungsbau zurückgefahren, und zahlt den sozial schwachen Mietern lieber Wohngeld als Zuschuss zu Marktmieten. Aber dies setzt voraus, dass Bauen auf dem freien Markt attraktiv ist und nicht nur in Spitzenlagen zu Spitzenpreisen.

    Somit hat das Land drei Fehler begangen.
    1. Den sozialen Wohnungsbau selber eingestellt und lieber auf Wohngeld umgestellt.
    2. Den sozialen Wohnungsbau auf dem freien Markt zu wenig gefördert.
    3. Das einfache Bauen nicht mehr durch Vorschriften (Klima, barriefrei usw.) und teures Bauland zu ermöglichen.

  17. 30.

    Die Option haben die Investoren auch, aber die die wollen mehr Geld. Ich habe persönlich keinen guten finanziellen Background um eine Millioneninvestition zu stemmen, die im nächsten Jahr schon 10% mehr wert sein kann.
    Die Sozialwohnung werden nicht auf Grund des fehlenden Gewinns (inflationsbereinigt) weniger, sondern aus Gier.

    Sie werden ihrem gewählten Nutzernamen gar nicht gerecht.

  18. 29.

    Das Land Berlin hat vor ca. 20 Jahren einen Großteil seiner Wohnungen freiwillig verkauft und jetzt wollen sie diese Wohnungen per Enteignung zurück, das ist ja lächerlich und wird auch rechtich gar nicht durchzusetzen sein.

  19. 28.

    P. S.

    "Zu Ihrer Erinnerung: In der Sache hier geht es nicht um die Bedürfnisse von Banken, Börsen, Hedgefonds und Spekulanten."

    Und was haben Ihre o. a. "Feinde" nun mit der Vonovia/DW, die in Berlin für ca. 6 Euro/qm im durchschnittlich vermieten, nun genau gemeinsam ?

    Bitte werden Sie hier in der Differenzierung konkret und bleiben bitte auch sachlich.

    Ich möchte Ihren Gedankengang der Differenzierung gerne nachhaltig verstehen.

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