Däubler-Gmelin sitzt Experten-Gremium vor - Senat setzt Kommission zum Enteignungs-Volksentscheid ein

Eine juristische Pleite wie beim Mietendeckel soll beim Enteignungsgesetz unbedingt vermieden werden - der Berliner Senat hat am Dienstag ein Expertengremium eingesetzt, das die Umsetzbarkeit des erfolgreichen Volksentscheids abschätzen soll.
Der Berliner Senat hat eine Expertenkommission zum Volksentscheid "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" eingesetzt. Das Gremium solle Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen für eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen prüfen, heißt es in einer Mitteilung der Senatskanzlei vom Dienstag.
Vorsitzende der Expertenkommission ist die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Ihr zur Seite stehen unter anderem der ehemalige Bundesverfassungsrichter Michael Eichberger, drei Professoren der Humboldt-Universität und der Freien Universität, sowie drei Experten, die von der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" benannt werden.
Giffey gegen die Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne
Die Kommission werde sich zunächst mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen in Berlin befassen, teilte die Senatskanzlei mit. "Dabei sollen Möglichkeiten und rechtssichere Wege für eine Vergesellschaftung benannt und bewertet werden." Hierzu gibt es im Berliner Senat widerstreitende Meinungen: Während die SPD in weiten Teilen skeptisch auf die Vergesellschaftung schaut, sehen vor allem die Linken die rechtliche Grundlage dafür durch Paragraph 15 des Grundgesetzes ausreichend geschaffen. Der Paragraf, in dem die Überführung von Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum generell für rechtmäßig erklärt wird, wurde bislang nie angewendet.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte sich in einem aktuellen rbb-Interview erneut gegen die Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne ausgesprochen. Dadurch werde kein neuer Wohnraum geschaffen, so Giffey. Zudem seien die Kosten zu hoch.
Die Kommission hat dafür ein Jahr Zeit
Erst in einem zweiten Schritt soll die Kommission "wohnungswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Belange" bewerten. Auch hier gibt es unterschiedliche Ansichten: Während der Senat Kosten von bis zu 30 Milliarden Euro erwartet, gehen die Enteignungsaktivisten von deutlich weniger aus. Die Linke fordert, dass eine Entschädigung der enteigneten Unternehmen unter Marktwert geschehen müsse – was juristisch allerdings fraglich ist.
Die Kommission soll dafür ein Jahr Zeit bekommen und dem Senat dann eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen vorlegen.
Beim Volksentscheid am 26. September vergangenen Jahres hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Enteignung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Die Hoffnung ist, dass durch diese Vergesellschaftung gegen finanzielle Entschädigung der Anstieg der Mieten gestoppt oder gebremst werden kann.
Streit um Zusammensetzung
Über die Besetzung des Gremiums gab es Streit zwischen dem Senat und der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", die den Volksentscheid zum Erfolg geführt hat. Die Initiative warf vor allem der SPD vor, ausschließlich Enteignungsgegner als Fachleute in das Gremium entsenden zu wollen.
SPD, Grüne und Linke hatten sich mit der Initiative darüber verständigt, dass alle drei Parteien und die Initiative in der Kommission jeweils ein Viertel der Expertinnen und Experten benennen dürfen.
Sendung: Inforadio, 29.03.2022, 10:00 Uhr