Volksentscheid in Berlin - Besetzung der Enteignungs-Expertenkommission führt zu Streit

Do 24.03.22 | 13:11 Uhr
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Archivbild: Eine Protestkundgebung von Deutsche Wohnen und Co. enteignen findet vor dem Roten Rathaus statt. (Quelle: dpa/J. Carstensen)
Audio: Inforadio | 24.03.2022 | Thorsten Gabriel | Bild: dpa/J. Carstensen

Der Berliner Senat und die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" streiten über die Besetzung der Expertenkommission, die sich mit dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne befasst. Die Vorsitzende ist nun gefunden.

Die SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin soll nach rbb-Informationen Vorsitzende der Berliner Expertenkommission werden, die sich mit dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne befasst. Zuerst hatte die taz [taz.de] über die Personalie berichtet. Die 78-jährige Juristin gehörte mehr als 30 Jahre lang dem Deutschen Bundestag an und war um die Jahrtausendwende Bundesjustizministerin.

Über die weitere Besetzung des Gremiums gibt es allerdings Streit zwischen dem Senat und der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", die den Volksentscheid zum Erfolg geführt hat. Die Initiative wirft vor allem der SPD vor, ausschließlich Enteignungsgegner als Fachleute in das Gremium entsenden zu wollen.

Viele Namen schon bekannt

SPD, Grüne und Linke hatten sich mit der Initiative darüber verständigt, dass alle drei Parteien und die Initiative in der Kommission jeweils ein Viertel der Expertinnen und Experten benennen dürfen. Insgesamt soll das Gremium aus zwölf Mitgliedern plus der Vorsitzenden bestehen.

Die SPD will nach rbb-Informationen den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Michael Eichberger sowie die Juristen Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität und Wolfgang Durner von der Universität Bonn berufen. Alle drei stehen Enteignungen, wie sie die Initiative fordert, kritisch gegenüber.

Linke und Grüne haben sich bei ihren Benennungen auf sechs Expertinnen und Experten verständigt, die Vergesellschaftungen explizit oder tendenziell für möglich halten und befürworten. Es sind die Juristen Christoph Möller von der Humboldt-Universität und Florian Rödl von der Freien Universtität, die Völkerrechtlerin Isabel Feichtner von der Universität Würzburg, der Wirtschaftswissenschaftler Thorsten Beckers von der Bauhaus-Universität Weimar, die Juristin Ann-Kathrin Kaufhold von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie die Volks- und Betriebswirtin Aysel Osmanoğlu, die Vorstandsmitglied bei der gemeinnützigen GLS-Bank ist.

Volksentscheid im September 2021 erfolgreich

Nach dem erfolgreichen Volksentscheid vom September, der den Senat auffordert, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, um die Bestände großer Wohnungskonzerne zu vergesellschaften, hatten die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag verabredet, dass eine Expertenkommission ein Jahr lang prüfen soll, ob und gegebenenfalls wie solche Vergesellschaftungen rechtssicher möglich wären.

Außerdem solle das Gremium die Frage diskutieren, inwieweit ein Enteignungsgesetz wirtschaftlich sinnvoll wäre, erklärte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) am Donnerstag. Geisel erinnerte daran, dass die Entschädigungssumme bis zu 30 Milliarden Euro betragen könnte. "Das wirtschaftlich abzuwägen ist auch eine Aufgabe, neben der Frage der Verfassungsmäßigkeit."

Am Dienstag will der Senat die Einsetzung der Kommission beschließen, auch wenn die Initiative ihre Vertreterinnen und Vertreter bis dahin noch nicht benannt haben sollte. Ihre Plätze würden dann freigehalten, erklärte Geisel.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, der Stadtentwicklungssenator hätte eine mögliche Entschädigungssumme von bis zu 30 Millionen Euro genannt. Das ist falsch, er nannte eine Summe von bis zu 30 Milliarden Euro. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.

Sendung: Abendschau, 24.03.2022, 19:30 Uhr

29 Kommentare

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  1. 29.

    SUPER, dass Berlin Millionen von Euro ausgeben will um marode Häuser und vermietete Wohnungen aufzukaufen.
    WIR HABENS JA !!!
    Das kann doch nicht ernst gemeint sein werte Damen und Herren des Berliner Senats.

  2. 28.

    SheelaDonnerstag, 24.03.2022 | 22:00 Uhr
    "In einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung werden die "Besitzenden" niemals ihre Vormachtstellung zugunsten von sozialen Interessen aufgeben. Was können wir tun?"

    Zunächst einmal wie immer: Uns bilden, interessieren und nach Alternativen suchen. Falls Sie sich für Ökonomie interessieren: "OXI -wirtschaft anders denken" Dolle Wirtschaftszeitung. Sitzt nie eine der Autorinnen bei Anne Will Lanz, May, Britt und Illner.
    Bei Thema Grund & Boden: Die Börse, die strukturelle Spekulation muss raus. Also grob: Öffentliches Gemeineigentum. Von da aus ist Besitz strukturell immer Pacht. Insofern auch nicht einfach über Dynastie qua Geburt leistungslos vererbbares Eigentum einer Familie. Der Ökonomie ist es egal ob es noch "Adel" ist. Vererbt und spekuliert sich Eigentum an Grund & Boden undemokratisch oder dynastisch. Kritik ist: Kontrolle /Gestaltung durch demokratische Prozesse hat gar keinen Zugriff mehr. Das muss anders.

  3. 27.

    Sie müssen sich von der Vorstellung lösen Frau Berta, dass alles was an der grossen Idee der demokratisch-sozialistischen Ökonomie schief gegangen ist bedeutet, dass der Kapitalismus in seiner vorliegenden Form das einzig Wahre ist. Es macht also wenig Sinn, wenn Sie polemisch ein real existierendes soziales, ökonomisches, demokratisches Problem in Ihrer Verklemmung nur als "DDR 2.0" beschreiben können.Sie schreiben einen von bestimmten Interessengruppen notorisch absichtsvoll verbreiteten Irrtum fort. Neubau, seine Notwendigkeit ist das eine. Unbedingt notwendig. In den letzten 5 Jahren ist in Berlin mehr gebaut worden, als in 3 Jahrzehnten davor: Fakt.
    Die Frage der Vertreibung und Entmischung der Stadtgesellschaft in den Innenstädten (auch) durch gemessen am Durchschnittseinkommen zu hohe Mieten, ist politisch wie nachher in den möglichen /nötigen Massnahmen eine ANDERE Frage. Sie wird NICHT durch "mehr bauen" gelöst. Bitte also präzise diskutieren. Wir wollen ja Probleme lösen.

  4. 26.

    angesichts des Scheiterns der Mietpreisbindung durch Berlin dürfte auch hier der BGH im Endeffekt erst einmal Klarstellen wer hier Eigentümer ist die Frage ist nämlich wie viel Eigentum dem Bund gehören und wie viel der Stadt Berlin. Als Mitaktionär der Deutschen Wohnen.

  5. 25.

    Die Eympathisanten oder Nutznießer der Immobilenmafia plärren immer dann vo einer "DDR 2.0" wenn sie keine Argumente vorweisen können.

    Sozialer Wohnungbau ist kein Merkmal oder gar Erfindung der DDR. Der Staat, das sind wir alle und nicht nur ein paar wenige, die sich den Staat aus Profitgier zur Beute machen.

  6. 24.

    Wenn das ein Ziel sein soll dann darf der Staat also kein Grund und Boden mehr an Private Investoren verkaufen, oder ? Er muss dann aber auch dafür sorgen das Wohnungen gebaut werden die für alle gleich teuer oder billig sind. Dann müssen natürlich auch alle das gleiche Einkommen haben ausser natürlich die politischen und Staatstreuen Diener die dann selbstverständlich ihr Eigentum in den besten Ecken haben. Also DDR 2.0

  7. 23.

    Hab ich schon gelesen. Ist um die 400 Jahre alt. Wenigstens kommen Sie mir nicht mit der Bibel. Vielleicht haben Sie ja was aktuelleres zu empfehlen.

  8. 22.

    Die Wähler wurden wegen der bekannten Geiz-ist-Geil-Mentalität mit dem Versprechen billiger Mieten geködert. Dabei haben die "Aktivisten" bewusst zwar den eigenen Gesetzesentwurf an die Medien lanciert, aber wie damals die FDP den aus gutem Grund nicht den Berlinern zur Abstimmung vorgelegt. Die Linke zieht das erwartbare Schauspiel ab und halten die eigenen Bedenken lieber unter der Decke. So manchen dürften die Äußerungen von Lederer peinlich sein, der selber eine ausführliche Prüfung der Machbarkeit der Enteignung und anschließender Vergesellschaftung angeregt hat. Letztere geht in der Diskussion oft unter, hat doch das Berliner Volk dieses Recht eben nicht dem Land gegeben. Dass bei einer solchen Prüfung nicht nur die Claqueure der Enteignung zu beteiligen sind, ist dabei eine Selbstverständlichkeit. Der Widerstand dagegen deutet zusätzlich auf die Zweifel der Enteignungsbefürworter hin, die sich ihrer Sache nicht so sicher sind wie sie vorgeben.

  9. 21.

    Herzlichen Dank für Ihren Hinweis, wir haben den Fehler korrigiert.

    Beste Grüße,

    Ihre Redaktion

  10. 20.

    @rbb: Ihr Artikel enthält einen Fehler: Geisel spricht von Milliarden nicht Millionen.

  11. 19.

    Das Wörtchen "zugleich" und die Bedeutung von "soll" in Ihrem eigenen Zitat haben Sie gekonnt übersehen? Die Bedeutung, die Sie da reininterpretieren, ergibt sich daraus nämlich nicht. Das ist eine sehr bekannte, oft wiederholte aber trotzdem inkorrekte Fehlinterpretation.

  12. 17.

    Sie dürfen sicher sein, dass Sie nicht der Erste/Einzige sind, dem der Artikel des GG bekannt ist.

    Recht funktioniert aber leider nicht beschränkt auf einen Artikel.

    Jede Interpretation eines rechtlichen Bestandteils hat zwingend nach dem Wortlaut, der Systematik, der historischen Einbettung und nach dem Telos zu erfolgen.

    Daraus folgen dann mehrseitige Gutachten, also umfassendere Werke als unsere Forumsauslassungen.

  13. 16.

    Sie dürfen sicher sein, dass Sie nicht der Erste/Einzige sind, dem der Artikel des GG bekannt ist.

    Recht funktioniert aber leider nicht beschränkt auf einen Artikel.

    Jede Interpretation eines rechtlichen Bestandteils hat zwingend nach dem Wortlaut, der Systematik, der historischen Einbettung und nach dem Telos zu erfolgen.

    Daraus folgen dann mehrseitige Gutachten, also umfassendere Werke als unsere Forumsauslassungen.

  14. 15.

    Diese ganze Enteignungsdebatte ist völliger Blödsinn. Wie kann ich etliche Millionen von Euro an Steuergeldern für Häuser investieren, in denen die Wohnungen bereits belegt und meist auch noch sanierungsbedürftig sind.
    Es wird dabei leider an die vielen Menschen die eine Wohnung suchen überhaupt nicht gedacht.
    Dieses Geld sollte lieber in den Wohnungsneubau investiert werden.

  15. 14.

    Warum setzt sich eigentlich niemand mit dem Wortlaut aus Art 14 Abs 2 Satz 2 GG auseinander? : "...Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Soll bedeutet: Eigentum MUSS stets dem Wohle der Allgemeinheit dienen, nur in besonderen und sehr seltenen Ausnahmefällen kann davon abgewichen werden. Im Grunde sind mE damit Spekulationen mit Wohnungen & Grundstücken mit den negativen Effekten nicht mit der Verfa vereinbar. Es profitierten Einzelne & schadet die Allgemeinheit.

  16. 13.

    „Niederwassern“ _ sollte „niemals“ werden, sorry.

  17. 12.

    Sie meinen die Eigentümer, korrekt.

    Besitzer sind die Mieter.

    Aber Sie werden Niederwassern ändern.

    Ich empfehle Ihnen Thomas Hobbes, der Mensch ist des Menschen Wolf - unpopulär, aber nicht unrichtig.

    Viel Spaß bei der Lektüre.

  18. 11.

    In einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung werden die "Besitzenden" niemals ihre Vormachtstellung zugunsten von sozialen Interessen aufgeben. Was können wir tun?

  19. 9.

    Da brauchen sich die die Freunde der Enteignung gar keine Hoffnungen machen, es wird nicht dazu kommen!

    Das Berliner Vorhaben ist in zweifacher Hinsicht verfassungswidrig. Neben der nicht vorhandenen Grundvoraussetzung einer marktbeherrschenden Stellung großer Wohnungskonzerne ist auch die Entschädigung der Konzerne unterhalb des Verkehrswerts verfassungswidrig.

    Das Bundeskartellamt hat dazu bereits festgestellt, dass es keine problematische Macht dominanter Unternehmen auf dem Berliner Wohnungsmarkt gibt. Der Sozialisierungsartikel kann daher in Berlin nicht aktiviert werden.

  20. 8.

    30 000 000 erscheint mir aus der Luft gegriffen. Ich glaube nicht, dass das Verfassungsgericht da mitspielt.
    Alle Achtung vor Frau Double-Gmelin, dass sie sich das auflädt. Den Parteien steht doch frei wen sie benennen, das können die Enteigner ihnen doch nicht vorschreiben. Das entscheidende Wort wird ohnehin in Karlsruhe gesprochen.

  21. 7.

    30 Millionen ließen sich wahrscheinlich von den Mietern einsammeln. Aber auch die 30 Milliarden von denen Geisel spricht wären doch wohl drin, wenn man mal schnell 100 Milliarden für Aufrüstung raushauen kann...

  22. 6.

    Nur 30 Millionen???
    Packts an!

  23. 5.

    Der Senat ist doch gar nicht an "Enteignung" interessiert. Das sieht man doch daran, daß eine "Expertenkommission" gegründet werden musste. So ein Schwachsinn.

  24. 4.

    Es werden zu viele Juristen in der Expertenkommission sitzen. Diese verfügen nicht über die erforderliche Expertise in wohnungswirtschaftlicher, gesellschaftsrechtlicher und finanzpolitischer Hinsicht.

    Im Koalitionsvertrag heißt es:

    “In einem zweiten Schritt werden für diese Wege wohnungswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Aspekte berücksichtigt und entsprechende Empfehlungen an den Senat erarbeitet. Der Senat wird die möglichen verfassungskonformen Wege einer Vergesellschaftung unter wohnungswirtschaftlichen, gesellschaftsrechtlichen und finanzpolitischen Gesichtspunkten gewichten und bewerten.”

    Der Senat sollte die Besetzung der Kommission umgehend überdenken.

  25. 3.

    Sie irren. Anhand der Vergesellschaftungs-Initiative wird sehr wichtige (Verfassungs)Diskussion geführt. Geht grundlegend um demokratische Kontrolle einer unserer knappsten Ressourcen: Grund & Boden. Diese Auseinandersetzung haben alle Gesellschaften durch alle Jahrhunderte mehr oder minder eskaliert bis hin zum inneren Bürgerkrieg oder Krieg geführt. Grund und Boden ist seitdem nicht vermehrt worden. Es gibt nur den, den es gibt. Und immer ging es um genau den, um den sich alle am meisten drängen. Wir können also nicht zulassen, dass demokratisch gewählte Ordnungspolitik nichts mehr gestalten kann. Weil das Eigentum von zunehmenden Monopolen ist. "Gestaltung" nur noch in nicht-demokratischen Einrichtungen wie Börse, Hedge-Fond, privatwirtschaftlicher Konzern- und Bankenleitung konzentriert ist.
    Weshalb selbstverständlich diskutiert und entschieden werden muss, wie die Sozialverpflichtung des Eigentums, die Notwendigkeit von Gemeineigentum zentraler Infrastruktur alltagswirklich ist.

  26. 2.

    Warum bildet man eigentlich keine Experten Kommission zur Schaffung von mehr Wohnraum Bezirk übergreifend. Alles andere ist eh ein unterfangen was niemand weiterbringt geschweige denn Wohnraum schafft.

  27. 1.

    "E-Kommission" bringt Zeit... damit diejenigen, die sich "verrannt" und das eigentliche Ziel (geringere Mieten) aus den Augen verloren haben, ihre Ausweglosigkeit einsehen können.

    P.S. Es kann nicht klappen, weil der Nachweis, so die Mieten zu senken oder zu beeinflussen, nicht geführt werden kann, weil großer Wohnungskonzerne zu wenig Wohnungen besitzen. Ja nicht einmal exorbitante Gewinne lassen sich nachweisen, die ja an sich nicht verboten wären. Bleibt die Bekämpfung des Wuchers....

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