Volksentscheid in Berlin - Besetzung der Enteignungs-Expertenkommission führt zu Streit

Der Berliner Senat und die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" streiten über die Besetzung der Expertenkommission, die sich mit dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne befasst. Die Vorsitzende ist nun gefunden.
Die SPD-Politikerin Herta Däubler-Gmelin soll nach rbb-Informationen Vorsitzende der Berliner Expertenkommission werden, die sich mit dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne befasst. Zuerst hatte die taz [taz.de] über die Personalie berichtet. Die 78-jährige Juristin gehörte mehr als 30 Jahre lang dem Deutschen Bundestag an und war um die Jahrtausendwende Bundesjustizministerin.
Über die weitere Besetzung des Gremiums gibt es allerdings Streit zwischen dem Senat und der Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", die den Volksentscheid zum Erfolg geführt hat. Die Initiative wirft vor allem der SPD vor, ausschließlich Enteignungsgegner als Fachleute in das Gremium entsenden zu wollen.
Viele Namen schon bekannt
SPD, Grüne und Linke hatten sich mit der Initiative darüber verständigt, dass alle drei Parteien und die Initiative in der Kommission jeweils ein Viertel der Expertinnen und Experten benennen dürfen. Insgesamt soll das Gremium aus zwölf Mitgliedern plus der Vorsitzenden bestehen.
Die SPD will nach rbb-Informationen den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Michael Eichberger sowie die Juristen Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität und Wolfgang Durner von der Universität Bonn berufen. Alle drei stehen Enteignungen, wie sie die Initiative fordert, kritisch gegenüber.
Linke und Grüne haben sich bei ihren Benennungen auf sechs Expertinnen und Experten verständigt, die Vergesellschaftungen explizit oder tendenziell für möglich halten und befürworten. Es sind die Juristen Christoph Möller von der Humboldt-Universität und Florian Rödl von der Freien Universtität, die Völkerrechtlerin Isabel Feichtner von der Universität Würzburg, der Wirtschaftswissenschaftler Thorsten Beckers von der Bauhaus-Universität Weimar, die Juristin Ann-Kathrin Kaufhold von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie die Volks- und Betriebswirtin Aysel Osmanoğlu, die Vorstandsmitglied bei der gemeinnützigen GLS-Bank ist.
Volksentscheid im September 2021 erfolgreich
Nach dem erfolgreichen Volksentscheid vom September, der den Senat auffordert, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, um die Bestände großer Wohnungskonzerne zu vergesellschaften, hatten die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag verabredet, dass eine Expertenkommission ein Jahr lang prüfen soll, ob und gegebenenfalls wie solche Vergesellschaftungen rechtssicher möglich wären.
Außerdem solle das Gremium die Frage diskutieren, inwieweit ein Enteignungsgesetz wirtschaftlich sinnvoll wäre, erklärte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) am Donnerstag. Geisel erinnerte daran, dass die Entschädigungssumme bis zu 30 Milliarden Euro betragen könnte. "Das wirtschaftlich abzuwägen ist auch eine Aufgabe, neben der Frage der Verfassungsmäßigkeit."
Am Dienstag will der Senat die Einsetzung der Kommission beschließen, auch wenn die Initiative ihre Vertreterinnen und Vertreter bis dahin noch nicht benannt haben sollte. Ihre Plätze würden dann freigehalten, erklärte Geisel.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, der Stadtentwicklungssenator hätte eine mögliche Entschädigungssumme von bis zu 30 Millionen Euro genannt. Das ist falsch, er nannte eine Summe von bis zu 30 Milliarden Euro. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.
Sendung: Abendschau, 24.03.2022, 19:30 Uhr