Aktuelle Statistik für Brandenburg - Politisch motivierte Kriminalität erreicht neuen Höchststand

Im vergangenen Jahr gab es in Brandenburg über 60 Prozent mehr Straftaten mit politischem Hintergrund als im Jahr davor - und so viele wie noch nie seit Beginn der Erhebung. Zwei Ereignisse wurden insbesonders als Vorwände missbraucht.
Die Zahl politisch motivierter Straftaten in Brandenburg war im vergangenen Jahr so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Das geht aus der Bilanz für 2021 hervor, die Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Polizeipräsident Oliver Stepien am Montag in Potsdam vorgelegt haben.
Der "Statistik zur politisch motivierten Kriminalität" (PMK) zufolge wurden im vergangenen Jahr insgesamt 3.661 politisch motivierte Straftaten gezählt, das waren 63 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Gleichzeitig haben die Fallzahlen damit einen neuen Höchststand erreicht - die entsprechende Statistik wird seit 20 Jahren durchgeführt.
Die meisten Straf- und Gewalttaten im rechten Spektrum
Vor allem die Aggressivität im rechtsextremen Milieu nimmt zu, der Großteil der politisch motivierten Straftaten fällt ins rechte Lager: Hier wurde fast die Hälfte aller Delikte registriert (1.813 Fälle). Ihre Zahl vergrößerte sich im Vorjahresvergleich um vier Prozent. Dem linken Spektrum wurden 386 Fälle zugeordnet – hier stieg die Zahl der Taten im Vergleich zum Jahr 2020 um 130 Prozent an. Dem religiös-ideologischen Bereich wurden 27 Fälle zugerechnet, das entspricht einem Rückgang um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 1.429 politisch motivierte Straftaten konnten keinem dieser Bereiche zugeordnet werden.
Bei den politisch motivierten Gewalttaten zeigt sich ein ähnliches Bild: Von den insgesamt 179 Fällen wurde auch hier der Großteil, nämlich 108, dem rechten Bereich zugeordnet (im Vorjahr 69). Auf den linken Bereich entfielen 18 solcher Taten (im Vorjahr zwölf). Vier Gewaltdelikte wurden im Bereich "religiöse Ideologie" registriert (im Vorjahr zwei). 49 registrierte Gewaltdelikte konnten keinem dieser Bereiche zugeordnet werden.
Die Aufklärungsquote ist 2021 gesunken: 52,5 Prozent aller registrierten politisch motivierten Straftaten wurden aufgeklärt. Im Jahr 2020 waren es 56,7 Prozent. Die Aufklärungsquote im Bereich der Gewaltkriminalität liegt mit 81 Prozent knapp unter dem Niveau des Vorjahres (82,2 Prozent).
Mehr antisemitisch motivierte Straftaten
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gab es 818 Straftaten, darunter 36 Gewaltdelikte. Die meisten dieser Taten werden dem rechten Lager zugeordnet. Darüber hinaus wurden 361 Straftaten im Zusammenhang mit gefälschten Impf-/Testnachweisen/QR-Codes klassifiziert. Immerhin 96,7 Prozent dieser Taten konnten aufgeklärt werden.
Die zweithöchste Deliktgruppe waren Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (242 Fälle). 50 Straftaten (davon 25 Gewaltdelikte) wurden hier gegen Polizeikräfte verübt, 33 Straftaten gegen Politiker.
Auch die Bundestagswahl führte zu den neuen Rekordzahlen: Insgesamt 619 Straftaten wurden in diesem Zusammenhang registriert (65 Straftaten von rechtsgerichteten Personen, 190 von linksgerichteten Personen). Am häufigsten kam es hier zu Sachbeschädigungen (78,2 Prozent). Sieben Gewaltdelikte standen in Zusammenhang mit der Bundestagswahl.
Die Zahl antisemitischer Straftaten hat sich in Brandenburg leicht erhöht: von 147 im Jahr 2020 auf 150 im Jahr 2021. Darunter waren drei Gewaltdelikte (2020: sechs). Die meisten dieser Straftaten geschahen im Internet, wobei 28 dieser Taten Hasspostings waren.
Zwiespältig fällt die Bilanz bei fremdenfeindlichen Übergriffen aus: Zwar sank auch hier die Zahl und es wurden 2021 keine Angriffe auf Flüchtlingsheime festgestellt, dagegen gab es 45 gewalttätige Angriffe auf Flüchtlinge, zehn mehr als noch im Vorjahr.
Deutlich mehr Taten gegen Politiker
Stark angestiegen sind im vergangenen Jahr auch die Angriffe auf Politiker: Hier wurden insgesamt 303 Straftaten gezähltz - nach 136 im Jahr zuvor. Die meisten davon geschahen in Zusammenhang mit der Bundestagswahl, gefolgt von Taten in Zusammenhang mit der Corona- Pandemie. 82 Fälle wurden im Internet gezählt, darunter waren 20 Hasspostings.
Von den 303 Straftaten wurden 47 Fälle dem rechten Bereich zugeordnet, 83 Fälle dem linken Spektrum. Die häufigsten Taten waren Beleidigungs-, Nötigungs-, Bedrohungs- und Sachbeschädigungsdelikte.
Corona und Bundestagswahl sind "Haupttreiber"
Innenminister Stübgen führt diese Zahlen vor allem auf zwei Ereignisse zurück: "Die Bundestagswahl und das zweite Corona-Pandemiejahr. Sie sind Haupttreiber einer Entwicklung, die uns als Gesellschaft zutiefst beunruhigen muss", sagte er. "Politische Überzeugung findet in Wahlen Ausdruck. Das ist das Wesen der Demokratie. Wer aber seinen Hass gegenüber politisch Andersdenkenden durch Sachbeschädigung, Beleidigung oder gar Gewalt ausdrückt, tritt die Demokratie mit Füßen. Das darf der Rechtsstaat nicht dulden", teilte der CDU-Politiker mit.
Polizeipräsident Oliver Stepien blickt "besonders sorgenvoll" auf den erheblichen Anstieg bei politisch motivierten Gewaltdelikten um über 75 Prozent. "Die Polizei wird bei der Bekämpfung dessen auch zukünftig ihren Beitrag leisten. Aber diesen Entwicklungen muss in allen Teilen der Gesellschaft deutlich entgegengewirkt werden", betonte er.
Verein Opferperspektive kritisiert Landesregierung
Auch der Verein Opferperspektive kommt in Teilen zu einem ähnlichen Ergebnis wie das Innenministerium. Man beobachte die zunehmende Gewaltbereitschaft und Radikalisierung innerhalb der Pandemieleugner-Bewegung mit großer Sorge, teilte die Projektkoordinatorin Anne Brügmann in einer Pressemitteilung mit. "Daher stellt es aus unserer Sicht ein schweres Versäumnis der Brandenburger Landesregierung, das rechte Tötungsdelikt in Senzig mit vier Todesopfern nicht ausreichend und deutlich genug verurteilt zu haben", so Martin Vesely, Berater der Opferperspektive. Anfang Dezember waren im Königs-Wusterhausener Ortsteil Senzig fünf Leichen einer Familie entdeckt worden. Mutmaßlicher Täter ist laut Polizei der Familienvater. In einem Abschiedsbrief hatte er unter anderem Sorgen vor Verhaftung wegen eines gefälschten Impfzertifikates angeführt. Als einen Tatgrund sehen die Ermittler aber mittlerweile auch antisemitische Motive.
Sendung: Brandenburg aktuell, 21. März 2022, 19:30 Uhr
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