Land will mehr Wildtiere zum Abschuss freigeben - Warum Brandenburgs neues Jagdgesetz bei Jägern nicht gut ankommt

Sa 05.03.22 | 08:39 Uhr | Von Christoph Hölscher
  20
Jäger auf dem Hochsitz (Bild: imago images/Joker)
Video: rbb|24 | 05.03.2021 | Material: Brandenburg aktuell | Bild: imago images/Joker

Das Umweltministerium will den Wildbestand in Brandenburg reduzieren und damit den ökologischen Waldumbau vorantreiben. Gegen das entsprechende neue Jagdgesetz laufen Jäger Sturm und befürchten tiefe Einschnitte. Von Christoph Hölscher

Der Klimawandel macht es nötig: Brandenburg baut seit Jahren seine Wälder um. Weg von den verbreiteten Kiefernmonokulturen, hin zu Laubmischwäldern, die besser mit Trockenheit und Klimaerwärmung zurechtkommen. Doch dabei ist zu viel Wild ein Problem: Reh, Hirsch und Co. knabbern mit Vorliebe die jungen Triebe etwa von Eichen oder Buchen ab – und gefährden dadurch den Waldumbau.

In kaum einem anderen Bundesland frisst Wild so viel Jungwald weg wie in Brandenburg. “Über fünfzig Prozent der gepflanzten Bäumchen werden verbissen, ungezählte werden komplett aufgefressen“, so Umweltminister Axel Vogel (Grüne): "Die Wildbestände müssen angepasst werden, damit unsere Wälder eine Zukunft haben."

Mehr jagen für den Waldumbau

Dafür müsse aber deutlich mehr gejagt werden, so der Minister. Um das zu erreichen, soll es Waldbesitzern künftig leichter gemacht werden, auf ihrem eigenen Grund und Boden zu jagen. Dafür greift das geplante Gesetz tief in das jahrhundertealte System von Jagdrechten und Jagdgenossenschaften ein.

Momentan dürfen Waldeigentümer auf ihren eigenen Flächen nur jagen, wenn sie mindestens 75 Hektar besitzen. Das schließt rund 99 Prozent der Waldeigentümer in Brandenburg aus. Sie sind verpflichtet, sich sogenannten Jagdgenossenschaften anzuschließen, die das Jagdrecht dann verpachten. Doch der Einfluss des einzelnen Waldeigentümers auf die konkrete Jagd ist dadurch recht gering. Und die Jagdpächter sind nicht immer am ökologischen Waldumbau interessiert.

Jagdrecht auch für kleine Waldeigentümer

Nach dem neuen Gesetzentwurf sollen deshalb auch kleine Waldeigentümer ab einer Fläche von zehn Hektar das Recht bekommen, einen Jäger zu beauftragen oder selbst auf die Jagd zu gehen. "Mir ist wichtig, das unmittelbare Jagdausübungsrecht beim Eigentümer zu stärken", so Vogel.

Mit Blick auf die angespannte Situation in den Wäldern brauche man ein Jagdgesetz, das die Verantwortung der Jäger als "Dienstleister" für die Waldeigentümer regelt. Das könnte aber womöglich auch dazu führen, dass Jagdgenossenschaften aufgelöst und langjährige Jagdpachten gekündigt werden. Bei den Jägern stößt der Gesetzentwurf deshalb überwiegend auf Ablehnung.

Jäger lehnen Gesetzentwurf ab

"Diese Novelle schafft Chaos und keinen gesunden Wald", schäumt etwa der Präsident des Landesjagdverbandes Brandenburg, Dirk-Henner Wellershoff. Die Möglichkeit für Eigentümer, auch auf kleineren Parzellen zu jagen, bedeute "das Ende einer ökologisch sinnvollen, flächenübergreifenden jagdlichen Bewirtschaftung."

Auch der Landesbauernverband und die Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften kritisieren den Gesetzentwurf: Die "bisher vorbildlich organisierten Jagdgenossenschaften" würden dadurch zerschlagen, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Das Jagen auf kleinen, parzellierten Flächen mache die Kontrolle des Wildtierbestandes aber eher schwieriger und laufe damit der Absicht des Gesetzes entgegen.

Umweltverbände wollen noch weiter gehen

Umweltverbände wie der NABU, die Grüne Liga, der BUND oder auch der Ökologische Jagdverein begrüßen dagegen den geplanten "Paradigmenwechsel" im Jagdrecht, bemängeln aber, dass der Gesetzentwurf dabei nicht weit genug gehe.

Durch die Untergrenze von zehn Hektar bleibe es weiterhin 93 Prozent der privaten Waldbesitzer verwehrt, das Jagdrecht auf ihrem Eigentum selbst auszuüben, erklären die Umweltverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme: "Deshalb werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass eine Bejagung von Eigentumsflächen ab einem Hektar möglich sein wird."

Konsens noch in weiter Ferne

Viel Überzeugungsarbeit steht dem Umweltminister also noch bevor. Er möchte seinen Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode durch den Landtag bringen. "Es ist leider eine ideologisch stark aufgeladene Debatte, aber ich will die Ideologie rausnehmen", so Vogel. "Waldbesitzer und Jäger sollten das gemeinsame Ziel haben, Wildbestände so zu regulieren, dass die Rehe, Hirsche und Wildschweine einen angemessenen Lebensraum haben, aber eben auch sichergestellt ist, dass unsere Wälder wachsen." Darüber, wie dieses Ziel erreicht werden kann, gibt es allerdings derzeit noch sehr unterschiedliche Vorstellungen.

Sendung: Brandenburg aktuell, 5. März 2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Christoph Hölscher

20 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 20.

    Sie haben es leider schon grundlegend nicht verstanden. In den Jagdgenossenschaften sind nicht die Jäger organisiert. Sondern die Grundeigentümer. Aber immer schön ohne Ahnung drauflosreden....

  2. 19.

    In Ihrer Jugend wurden in Brandenburg vor allem Kiefern kultiviert. Die sind bei den Wildtieren nicht so beliebt wie die im Artikel angeführten Laubbäume, die im Rahmen des Waldumbaus verstärkt gepflanzt werden. Da der Umbau beschleunigt werden muss, sind die erwähnten extrem hohen Verbißraten nicht mehr tolerabel. Das geplante Gesetz ist dabei ein Schlag ins Gesicht der Jagdpächter. Die müssen sich selber fragen, warum gerade in Brandenburg der Schaden so groß ist und was die Pächter in anderen Länder besser machen.

  3. 18.

    Der Bestand an bestimmten Neozoen ist allerdings gemäß einer EU-Richtlinie einzudämmen. Dazu gehört auch der Waschbär.

  4. 17.

    Den Verbiß in meinem Wald nachzuweisen ist sehr komplex und kompliziert, anders als beim Landwirt, dem der direkte Ernteausfall erstattet wird durch den Jagdpächter - nicht durch die Jagdgenossenschaft! Und weil das einfacher nachzuweisen ist für den Bauern, als der verbisschaden an den Jung-Bäumen (wie will der Gutachter das berechnen? Der Baum ist ja noch da, halt nur wachstumsdezimiert), werden hauptsächlich wildschweine geschossen, die im Wald eher nützlich sind als schaden anrichten. Das Reh grast im geschützten Wald die Triebe ab, während der Jäger das Schwein schießt ( das wiegt auch 4-5x soviel wie ein reh und bringt mehr Fleisch auf die Waage . . .).

    Ich habe seit 25 Jahren Waldbesitz noch keinen Jäger in meinem Wald gehabt, der wirklich erfolgreich die Rehe so reduzierte, dass die verbißquote für eine zügige Naturverjüngung angemessen war. Sie sprachen zwar anders:"Ja, wir schießen dir die Rehe weg" - erfolgreich geschehen ist das noch nie.

  5. 16.

    Es mag so sein dass viele Jäger berufstätig sind.
    Aus eigener Erfahrung weiß ich aber auch von vier Jägern die nur die Hälfte an Strecke haben gegenüber einem Jäger im Nachbarrevier auf höchstens der halben Fläche. Und der ist berufstätig, die anderen nicht.

  6. 15.

    Also ganz so einseitig wie Sie das sehen ist es in der Realität nicht.Wie schon von Chris angeführt verpachten die Genossenschaften die Flächen an einzelne Jäger oder Jagdgemeinschaften,die das Jagdrecht ausüben.
    Und richtig ist auch,dass die Jäger zur Biotoppflege verpflichtet sind. Hat sich einer mal über die Sicherheit Gedanken gemacht ? Jeder Waldeigentümer rast dann selbst mit seiner Waffe umher, in kleinen Arealen-ohne Absprache .
    Die schiessen doch nicht mit Wattebällchen! Bei so kleinen bejagbaren Flächen ist oft kein natürlicher Kugelfang vorhanden und die Geschosse fliegen über die Jagdgrenze hinaus( sogar bis 10km). Es sei denn das Gesetz wird dahingehend geändert, dass die Jagd nur noch mit Saufeder gestattet wird. Somit können keine Absprachen im Zuge der Sicherheit gewährleistet werden und Jagdunfälle sind vorprogrammiert.Man sollte sich nicht so einseitig festlegen.
    Ich frage mich,wie zu meiner Kindheit die Bäume gewachsen sind -bei höherem Wildbestand.

  7. 14.

    Wir Jäger sind auch nur Menschen und stehen zumeist in einem Arbeitsverhältnis, ich bin ca 5×in der Woche im Revier. Die Jagd wird nicht einfacher, große Monokulturen verhindern das , dazu noch viele Jagdgegner. Die Raubwildbejagung liegt mir am Herzen. Aber wir sind Jäger und keine Schlächter

  8. 13.

    Biester?
    Es sind Lebewesen, die genauso wie sie (Empathielose Kreatur) ein Recht hat auf dieser Erde zu leben!

  9. 12.

    Die Autofahrer helfen. Hab in den letzten Tagen mind. 2 erlegte Waschbären am Straßenrand gesehen. Könnte man aber auch als Bestätigung Interpretieren, dass es zu viele von den Biestern gibt.

  10. 11.

    Waldrandgestaltung?
    Das geht aber nur in Absprache mit dem Eigentümer!
    Allzuviel Niederwild ist auch nicht mehr vorhanden.
    Die Jäger schaffen es nicht Waschbären und Marderhunde zurückzudrängen. Was machen die die ganze Zeit?
    Es gibt immer noch zuviel Wild und die Jäger diskutieren.
    Vielleicht noch eine neue Art einbürgern?

  11. 10.

    Biotopverbessernde Maßnahmen, dienen der Verbesserung des Lebensraumes. Zum Beispiel für das Niederwild, das können Hasen, Fasane oder Rebhühner sein. Die Anlage von Hecken sind auch solche Maßnahmen.

  12. 9.

    Also verstößt schon zur Zeit das Landesjagdgesetz gegen das Bundesjagdgesetz?
    Es gibt unterschiedliche Größen für Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbezirken in den Gesetzen!
    Das da noch keiner geklagt hat.
    Ich war schon bei einem Jagdschaden anwesend, wo ein Reh in einem eingezäunten Gebiet die Haupttriebe der angepflanzten Eichen abgeknabbert hat.
    Es gibt eindeutig zu viel Wild!
    Eine natürliche Waldverjüngung ist bei diesen Wildbeständen nicht möglich.
    So geht das nicht mit dem Waldumbau.

  13. 8.

    Was sind biotopverbessernde Maßnahmen?
    Sind das eventuell Eingriffe in die Natur? Oder gar Wildfütterung?

  14. 7.

    Bundesrecht geht vor Landesrecht.
    Das wird wohl nichts mit grüner Spinnerei.

    Rein fachlich ist das sowieso Irrsinn.

    Seit Jahren muss ich mir schon anhören das Rehe und Rotwild angeblich den Wald auffressen. Das stimmt aber nicht. Wer Holzplantagen anlegt muss auch wissen das er 1-2% der Fläche als Wildäsungsflächen anlegen muss.

  15. 6.

    Sie liegen da vielleicht ein wenig falsch,! In Jagdgenossenschaften sind nicht die Jäger organisiert, sondern die Flächeneigentümer. Alle Eigentümer von Flächen wie Acker, Wald oder Grünlandflächen sind Mitglied einer Jagdgenossenschaft. Diese Genossenschaft entscheidet welcher Jäger ihre Flächen bejagt und dafür zahlt der oder die Jäger, jährlich Pacht. Jagen heißt aber nicht nur schiessen, sondern auch viele Biotopverbessernde Maßnahmen durchzuführen. Dafür sind 10 Hektar Jagdfläche viel zu wenig. Maisfelder sind oft viel größer, wie soll das darin befindliche Schwarzwild bejagd werden. Geht garnicht usw..

  16. 5.

    Wie soll sichergestellt werden, dass der Wildbestand korrekt erfasst wird? Waldeigentümer haben doch kein Interesse daran den gesunden Wildbestand zu erhalten. Es sollten die Schonungen weiter traditionell eingezäunt werden. Die Abschussquote zusätzlich etwas erhöhen für die Jagdvereine. Das täte alles den jungen Bäume auch gut und das Chaos bliebe aus.

  17. 4.

    Kleiner Nachtrag, könnte schwierig werden, wenn Leute wie Clemens Tönnies zu den großen privaten Waldbesitzern im Land gehören. Ob der Interesse an Wildfleischproduktion hat?

  18. 3.

    "Jäger lehnen Gesetzentwurf ab ... Dafür greift das geplante Gesetz tief in das jahrhundertealte System von Jagdrechten und Jagdgenossenschaften ein."
    Man sollte nicht den Frosch fragen wenn der Sumpf trocken gelegt werden soll passt als Spruch hier sehr genau. Im Jahr 2022 funktioniert das System Jagdgenossenschaften einfach nicht mehr (sieht man auch an Wildunfallstatistiken), scheinbar muss da erst ein EU Richterspruch her um diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Eine " flächenübergreifenden jagdlichen Bewirtschaftung " mag zwar schön für die in Jagdgenossenschaften organisierten Jägern sein,
    aber unzureichend für die Allgemeinheit, die ein viel höhers Interesse (auch zahlenmäßig) an einen Waldumbau hat (Abwägung von Wirtschaftsinteressen gegenüber der Bevölkerung). Zahlen den die Jagdgenossen auch die Kosten für die 50% Verbiss an Jungbäumen?

  19. 2.

    "Jäger lehnen Gesetzentwurf ab ... Dafür greift das geplante Gesetz tief in das jahrhundertealte System von Jagdrechten und Jagdgenossenschaften ein."
    Man sollte nicht den Frosch fragen wenn der Sumpf trocken gelegt werden soll passt als Spruch hier sehr genau. Im Jahr 2022 funktioniert das System Jagdgenossenschaften einfach nicht mehr (sieht man auch an Wildunfallstatistiken), scheinbar muss da erst ein EU Richterspruch her um diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Eine " flächenübergreifenden jagdlichen Bewirtschaftung " mag zwar schön für die in Jagdgenossenschaften organisierten Jägern sein,
    aber unzureichend für die Allgemeinheit, die ein viel höhers Interesse (auch zahlenmäßig) an einen Waldumbau hat (Abwägung von Wirtschaftsinteressen gegenüber der Bevölkerung). Zahlen den die Jagdgenossen auch die Kosten für die 50% Verbiss an Jungbäumen?

  20. 1.

    Die Wertschöpfungsketten für Wildfleisch ausbauen, dann hilft vielleicht der Markt und ganz nebenbei verringern wir die Massentierhaltung ein wenig.

Nächster Artikel