Land will mehr Wildtiere zum Abschuss freigeben - Warum Brandenburgs neues Jagdgesetz bei Jägern nicht gut ankommt

Das Umweltministerium will den Wildbestand in Brandenburg reduzieren und damit den ökologischen Waldumbau vorantreiben. Gegen das entsprechende neue Jagdgesetz laufen Jäger Sturm und befürchten tiefe Einschnitte. Von Christoph Hölscher
Der Klimawandel macht es nötig: Brandenburg baut seit Jahren seine Wälder um. Weg von den verbreiteten Kiefernmonokulturen, hin zu Laubmischwäldern, die besser mit Trockenheit und Klimaerwärmung zurechtkommen. Doch dabei ist zu viel Wild ein Problem: Reh, Hirsch und Co. knabbern mit Vorliebe die jungen Triebe etwa von Eichen oder Buchen ab – und gefährden dadurch den Waldumbau.
In kaum einem anderen Bundesland frisst Wild so viel Jungwald weg wie in Brandenburg. “Über fünfzig Prozent der gepflanzten Bäumchen werden verbissen, ungezählte werden komplett aufgefressen“, so Umweltminister Axel Vogel (Grüne): "Die Wildbestände müssen angepasst werden, damit unsere Wälder eine Zukunft haben."
Mehr jagen für den Waldumbau
Dafür müsse aber deutlich mehr gejagt werden, so der Minister. Um das zu erreichen, soll es Waldbesitzern künftig leichter gemacht werden, auf ihrem eigenen Grund und Boden zu jagen. Dafür greift das geplante Gesetz tief in das jahrhundertealte System von Jagdrechten und Jagdgenossenschaften ein.
Momentan dürfen Waldeigentümer auf ihren eigenen Flächen nur jagen, wenn sie mindestens 75 Hektar besitzen. Das schließt rund 99 Prozent der Waldeigentümer in Brandenburg aus. Sie sind verpflichtet, sich sogenannten Jagdgenossenschaften anzuschließen, die das Jagdrecht dann verpachten. Doch der Einfluss des einzelnen Waldeigentümers auf die konkrete Jagd ist dadurch recht gering. Und die Jagdpächter sind nicht immer am ökologischen Waldumbau interessiert.
Jagdrecht auch für kleine Waldeigentümer
Nach dem neuen Gesetzentwurf sollen deshalb auch kleine Waldeigentümer ab einer Fläche von zehn Hektar das Recht bekommen, einen Jäger zu beauftragen oder selbst auf die Jagd zu gehen. "Mir ist wichtig, das unmittelbare Jagdausübungsrecht beim Eigentümer zu stärken", so Vogel.
Mit Blick auf die angespannte Situation in den Wäldern brauche man ein Jagdgesetz, das die Verantwortung der Jäger als "Dienstleister" für die Waldeigentümer regelt. Das könnte aber womöglich auch dazu führen, dass Jagdgenossenschaften aufgelöst und langjährige Jagdpachten gekündigt werden. Bei den Jägern stößt der Gesetzentwurf deshalb überwiegend auf Ablehnung.
Jäger lehnen Gesetzentwurf ab
"Diese Novelle schafft Chaos und keinen gesunden Wald", schäumt etwa der Präsident des Landesjagdverbandes Brandenburg, Dirk-Henner Wellershoff. Die Möglichkeit für Eigentümer, auch auf kleineren Parzellen zu jagen, bedeute "das Ende einer ökologisch sinnvollen, flächenübergreifenden jagdlichen Bewirtschaftung."
Auch der Landesbauernverband und die Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften kritisieren den Gesetzentwurf: Die "bisher vorbildlich organisierten Jagdgenossenschaften" würden dadurch zerschlagen, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Das Jagen auf kleinen, parzellierten Flächen mache die Kontrolle des Wildtierbestandes aber eher schwieriger und laufe damit der Absicht des Gesetzes entgegen.
Umweltverbände wollen noch weiter gehen
Umweltverbände wie der NABU, die Grüne Liga, der BUND oder auch der Ökologische Jagdverein begrüßen dagegen den geplanten "Paradigmenwechsel" im Jagdrecht, bemängeln aber, dass der Gesetzentwurf dabei nicht weit genug gehe.
Durch die Untergrenze von zehn Hektar bleibe es weiterhin 93 Prozent der privaten Waldbesitzer verwehrt, das Jagdrecht auf ihrem Eigentum selbst auszuüben, erklären die Umweltverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme: "Deshalb werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass eine Bejagung von Eigentumsflächen ab einem Hektar möglich sein wird."
Konsens noch in weiter Ferne
Viel Überzeugungsarbeit steht dem Umweltminister also noch bevor. Er möchte seinen Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode durch den Landtag bringen. "Es ist leider eine ideologisch stark aufgeladene Debatte, aber ich will die Ideologie rausnehmen", so Vogel. "Waldbesitzer und Jäger sollten das gemeinsame Ziel haben, Wildbestände so zu regulieren, dass die Rehe, Hirsche und Wildschweine einen angemessenen Lebensraum haben, aber eben auch sichergestellt ist, dass unsere Wälder wachsen." Darüber, wie dieses Ziel erreicht werden kann, gibt es allerdings derzeit noch sehr unterschiedliche Vorstellungen.
Sendung: Brandenburg aktuell, 5. März 2022, 19:30 Uhr