Interview | Polizist Oliver von Dobrowolski - "Das N-Wort, Z-Wort, das K-Wort - all das kommt täglich vor bei der Polizei"

Die Vorwürfe wiegen schwer: Schwulenfeindlichkeit, Sexismus, Diskriminierung - das alles komme täglich vor bei der Berliner Polizei, schreibt Oliver von Dobrowolski in einem Buch. Auch wenn sich die Lage zuletzt verbessert habe, sei noch viel zu ändern.
Oliver von Dobrowolski arbeitet seit 24 Jahren bei der Berliner Polizei, derzeit in einer speziellen Brennpunkt- und Präsenzeinheit, die sich um Kriminalitäts-Hotspots kümmert. In den vergangenen Jahren prangerte er in verschiedenen Interviews an, dass es immer wieder zu diskriminierendem Verhalten komme, Beamt:innen sich rassistisch oder rechtsextrem äußerten und Kolleginnen Opfer von Sexismus würden. Jetzt hat er darüber ein Buch geschrieben: "Ich kämpfe für eine bessere Polizei".
rbb: Welche Missstände sehen Sie bei der Polizei? Warum haben Sie sich entschieden, ein Buch zu schreiben?
Oliver von Dobrowolski: Ich versuche in meinem Buch darüber zu berichten, was täglich bei der Polizei leider vorkommt - an Fehlverhalten, an Missständen. Das reicht von sprachlicher Diskriminierung bis zu Homophobie, Transfeindlichkeit, überhaupt den Umgang mit queeren Menschen. Es geht natürlich auch um Rassismus, Racial Profiling. Vor allem aber möchte ich darauf hinweisen, dass es mit einer anderen Kommunikationskultur vermeidbar wäre. Und dass es einfach in die Köpfe der Polizist:innen in Deutschland gehört, dass wir nicht für uns da sind, sondern für die Gesellschaft und dass wir uns entsprechend auch verhalten sollten.
rbb: Sie beschreiben zahlreiche Vorfälle, die Sie nach Ihren eigenen Angaben schockieren. Auch solche, die länger zurückliegen, aber Ihrer Meinung nach bis heute keine entschiedenen Konsequenzen nach sich ziehen. Als Beispiel nennen Sie einen Vorfall im Jahr 2014 bei der Kriminalpolizei. Was ist damals passiert?
2014 hat ein Kollege von mir in einem Kriminalkommissariat in einem Chat an Kolleg:innen tatsächlich Hakenkreuze verschickt und andere Dinge, die den Holocaust verherrlichen. Das Ganze ist denkbar schlecht ausgegangen.
Es gab einzelne Kollegen, die das festgestellt hatten und gesagt haben: Das geht so nicht. Das wurde dann aber gedeckelt, und die Kollegen, die darauf aufmerksam machen wollten, haben Ärger bekommen. Erst später kam es durch mehrere Umwege zur Justiz und zu Verhandlungen. Der Kollege wurde damals tatsächlich zu einer Geldstrafe verurteilt. Heutzutage, denke ich mal, würde man da auch schärfere Strafen vorsehen. Aber dieser Kollege ist mir später noch begegnet auf meiner eigenen Dienststelle, das hat mich an sich schon sehr verwundert und erst recht, dass er wenig später dann auch noch befördert wurde.
Sieben Jahre später, im vergangenen November, haben Sie in Ihrer eigenen Dienststelle [Brennpunkt- und Präsenzeinheit, Anm.d.Red.] Kritik geübt, bei der es um einen rassistischen Vorfall ging.
Ja, das sind laufende Verfahren. Da es ist wie bei den Politikern oder bei Behördenchefs, die sagen halt immer: Dazu kann und darf man nicht Stellung beziehen, zumindest nicht konkret. Ganz allgemein kann ich sagen, dass ich darauf hingewiesen hatte, dass es von einzelnen Mitarbeitenden Äußerungen gab, die in die Ecke Rassismus und auch Volksverhetzung gingen. Es war auch Sexismus im Spiel oder sexuelle Übergriffigkeit. Das wird momentan ermittelt. Das hat natürlich auch für Unruhe gesorgt, und ich habe interessanterweise seitdem mit Anfeindungen und Ausgrenzung zu tun. Das ist natürlich auch eine Art des Umgangs mit solchen Umständen, die ich mir anders wünschen würde.
Hat sich in den vergangenen Jahren etwas verändert, wenn es um Konsequenzen bei Fehlverhalten geht?
Ich denke schon, dass sich etwas verändert hat - ganz einfach, weil auch mittlerweile mehr Leute aufstehen und den Mut haben, so etwas zu melden und auch zu sagen: Das kann nicht in meinem Namen geschehen. Hier spreche ich von Mitarbeitenden der Polizei. Es gibt aber natürlich auch für alle Leute außerhalb der Polizei die Möglichkeit, Fehlverhalten und Missstände zu dokumentieren, beispielsweise mit dem Smartphone. Das hat auch deutlich zugenommen.
Auch die Bewertung dieser ganzen Vorfälle ist eine andere. Bestimmte Dinge, die passieren, werden heute nicht mehr einfach mit einer Geldstrafe geahndet, sondern dann gibt es in der Regel schon die Bestrebungen der Behörden, diese Leute auszusortieren, und das ist in meinen Augen auch der richtige Schritt und eine gute Entwicklung.
Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach diskriminierungsfreie Sprache in der täglichen Polizeiarbeit?
Die Sprache ist enorm wichtig, ganz einfach, weil sich aus der Sprache häufig dann auch das spätere Verhalten ableitet. Ich muss schauen, dass ich diskriminierungsfrei denke, aber auch vor allem spreche. Das ist umso wichtiger, wenn ich mit den Leuten auf der Straße spreche, gerade mit Leuten, die ich vielleicht in irgendeine polizeiliche Maßnahme nehmen möchte, dann ist es wichtig, dass ich sie korrekt anspreche, dass ich Respekt und auch Höflichkeit zeige.
Können Sie Beispiele nennen?
Es ist einerseits der Klassiker, das sehr oft geduzt wird, ohne dass man die Person kennt, weil man einfach denkt, sie kommt jetzt aus einem marginalisierten Bereich unserer Gesellschaft. Das ist aber nicht richtig, weil auch gerade diese Menschen Respekt verdienen. Es sind aber natürlich auch Dinge der Alltagsdiskriminierung, auch Sprachgebrauch, den ich jetzt hier nicht reproduzieren möchte. Aber die bekannten Beschimpfungen wie das N-Wort, Z-Wort, das K-Wort - all das kommt täglich bei der Polizei vor. Leider.
Inwiefern könnten Aus- und Weiterbildungen in der Berliner Polizei die Problematik entschärfen?
Ich denke, man muss den Fokus etwas verschieben. Man muss erkennen, dass es bei der Polizei besonders wichtig ist, Kommunikationstrainings durchzuführen, dass man zum Beispiel die Diversity-Kompetenz steigert - und das Ganze nicht nur als Pflichtseminar innerhalb der Ausbildung oder des Studiums ansieht, sondern dass das auch fortwährend in der dienstlichen Karriere stattfindet, dass es obligatorische Fortbildungskurse gibt. Auch wenn das am Ende etwas zum Nachteil anderer Befähigungen geht: Dass ich drei Mal im Jahr schießen gehe, dass ich andauernd nachweisen muss, dass ich das Einsatzfahrzeug richtig bedienen und fahren kann - das ist auch alles wichtig, aber das meine ich mit "den Fokus etwas verschieben". Worte sind enorm wichtig. Mit Kommunikativ kann ich auch unheimlich gut deeskalieren und brauche dann am Ende vielleicht andere Einsatztechniken nicht.
Welche Konsequenzen hat es für Sie persönlich, dass Sie auf die Missstände aufmerksam machen?
Also für mich persönlich hat das die Konsequenz, dass ich noch in den Spiegel gucken kann, weil ich das sonst nicht ertragen würde. Ansonsten ist es natürlich einer Karriere nicht förderlich. Es ist so, dass man nicht gerade beklatscht wird oder gerne als Mitarbeitender genommen wird. Es ist auch oft so, das Kolleg:innen einen ablehnen, weil sie pauschal meinen, man würde die Polizei verunglimpfen oder auch die Erfolge so ein bisschen in den Dreck ziehen. Es kann bis zur Ausgrenzung führen, Anfeindungen, das klassische Mobbing - das ist all das, was man da so kennt und leider erwarten muss.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bei diesem Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung eines Interviews, das Helena Daehler für den rbb geführt hat.
Sendung: Abendschau, 09.03.2022, 19:30 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 09.03.2022 um 21:50 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.