Sonderbildungsprogramm "Stark trotz Corona" - Senat fördert Schüler mit Defiziten als Folge der Pandemie

Do 10.03.22 | 07:27 Uhr | Von Kirsten Buchmann
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Symbolbild: Schüler lernen zusammen. (Quelle: dpa/Waltraud Grubitzsch)
Video: Abendschau | 10.03.2022 | Sabrina Wendling | Bild: dpa/Waltraud Grubitzsch

Das Programm "Stark trotz Corona" soll Kindern und Jugendlichen vor allem helfen, Lernlücken zu schließen. Doch viele brauchen auch Hilfe bei Problemen jenseits von Mathe und Deutsch. Unterstützt werden sie zum Beispiel von älteren Schülerinnen. Von Kirsten Buchmann.

Für Lia Görner aus der zwölften Jahrgangsstufe des Immanuel-Kant-Gymnasiums ist nach ihrer letzten Unterrichtsstunde noch nicht Schuss. Zwei bis drei Mal in der Woche hilft die 17-Jährige am Nachmittag jüngeren Schülerinnen und Schülern, bei denen in der Corona-Zeit Lücken entstanden sind. Ein Schwerpunkt dabei ist Mathe: "Die kommen immer wieder, um für jede Woche, den Inhalt, den sie nicht verstanden haben, nachzuarbeiten. Das klappt sehr gut."

Erkrankungen in nicht unerheblicher Anzahl

Wiederholen, festigen, üben - seit Januar unterstützt Lia Jüngere - etwa Zehntklässler, denen die Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss bevorstehen. Für ihre Arbeit mit ihnen erhält Lia Geld aus dem Programm "Stark trotz Corona".

Vor allem in Mathe, Französisch und Latein macht es sich bemerkbar, dass in der Corona-Zeit ein Teil der Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten hatte, eigenständig zu Hause zu lernen. Mehr als sonst wurden nicht versetzt. Wie gut das Aufholen mit Hilfe des Programms gelingt, kann der Leiter des Immanuel-Kant-Gymnasiums Arnd Niedermöller noch nicht sagen. Für ihn sind die Lernlücken allerdings nicht die einzige Folge der Corona-Pandemie, die er im Blick haben muss: „Die psychischen Belastungen der Schülerinnen und Schüler haben sich in handfesten Erkrankungen manifestiert und zwar in nicht unerheblicher Anzahl."

Sorge um Fortsetzung des Programms auch 2023

Niedermöller, der auch Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektorinnen und -direktoren des Landes Berlin ist, spricht von Magersucht, Depressionen und sogar Suizidversuchen unter den Schülern. An seiner Schule organisiert er daher mit Hilfe des Programms „Stark trotz Corona“ auch präventive Maßnahmen. Externe Partner erteilen Workshops zu Themen wie Klassengemeinschaft stärken, Umgang mit sozialen Medien oder „Wie gehe ich mit Stress um?“. Allerdings laufe das Programm Ende des Jahres aus, so Niedermöller. Unterstützung braucht es aus seiner Sicht jedoch darüber hinaus dauerhaft durch Psychologen.

Das unterstreicht auch Sven Zimmerschied von der Sekundarschulleitervereinigung: „Für einen Schüler ist nicht das Problem, dass er jetzt in Mathe etwas nicht kann, sondern vielmehr: ,Zu Hause läuft es nicht, ich bin nicht in der Lage in Ruhe zu schlafen.‘ Solche Sachen kommen viel stärker raus.“

Die Regeln einhalten

An der Moabiter Grundschule findet die stellvertretende Schulleiterin Ilona Vogt es wichtig, die Kinder individuell beim Schließen von Lernrückständen zu unterstützen. Schließlich hätten laut Lernstandserhebungen vom Schuljahresanfang 167 von rund 420 Kindern Förderbedarf. Zugleich gab es laut Ilona Vogt viele Gewaltvorfälle auf dem Schulhof sowie Vandalismus. Daher habe die Schule Angebote für die Kinder in der großen Hofpause geschaffen: "Ein Kollege, der auch in der Lernförderung ist, unterstützt auch hier und sorgt auf dem Fußballplatz für die Einhaltung der Regeln. Das ist auch schon merklich besser geworden."

Zunächst lief das Programm "Stark trotz Corona" schleppend an. Schulleitungen nennen als Grund dafür die bürokratischen Hürden, um überhaupt die Gelder zu beantragen. Laut der Berliner Bildungsverwaltung sind inzwischen rund zwölf Millionen der 44 Millionen Euro, um Lernlücken zu schließen, abgerufen. Das entspricht 27 Prozent.

Nachhilfe durch ältere Schüler mit positiven Nebeneffekten

Die 17-jährige Lia vom Immanuel-Kant-Gymnasiums ist froh, dass sie durch das Programm Jüngeren mit ihrer Nachhilfe unter die Arme greifen kann, wenn sie zusätzlich zum Unterricht Erklärungen brauchen: "Ich glaube, da haben die Schüler:innen einen bessern Draht und können das vielleicht nochmal auf eine andere Art erklären. Von daher glaube ich, dass es ein Angebot ist, das weiter existieren sollte."

In ihren kleinen Gruppen könne sie schließlich gut auf die Einzelnen eingehen. Auch Schüchterne trauen sich da Fragen zu stellen.

Sendung: Inforadio, 09.03.2022, 14.40 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

13 Kommentare

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  1. 13.

    Sie unterrichtet nicht. Sie erklärt den Schülern den Stoff, gibt keine Noten. Dadurch können schwache Schüler stressfrei und ohne Zeitdruck die vorhandenen Lernlücken schließen.

  2. 12.

    Ich weiß, aber letztens bin ich hier ziemlich scharf angegangen worden, als ich auf genau diese Auswirkungen hingewiesen habe. Hätte angeblich alles nichts mit Corona zu tun. Viele, zu Viele verschließen die Augen und wollen die Missstände nicht sehen, wollen nicht wahrhaben, was die Corona-Politik den Kindern angetan hat und dies immer noch tut.

  3. 11.

    Nur warum bitte schafft der Berliner Schulsenat Kapazitäten für solche Förderangebote, plant Lehrkräfte dafür ein und verlangt dann von den bereits regulär mit Arbeit abgefüllten Lehrern, dass sie Inhalt und Aufgabe für die förderbedürftigen Schüler zusätzlich erstellen? Wozu braucht es dann noch Lehrkräfte in Ergänzung, wenn diese eigentlich nur daneben sitzen und das Kind motivieren sollen, die Aufgaben des regulären Lehrers zu bearbeiten? Wenn ich sehe, was zumindest im Fall einer Bekannten an Mehraufgaben pro Lehrer anfallen und wer sich da im Schulumfeld gern weit aus der Verantwortung zieht, dann kann man bei solchen Meldungen nur mit dem Kopf schütteln und den Wert solcher Aktionen extrem in Zweifel ziehen.

  4. 10.

    Was Lia privat macht ist ihre Sache. Wenn Sie unterrichtet, muss Sie die richtige Grammatik lehren, sonst gibt es Sechsen...

  5. 9.

    Selbst das Wiederholen der Klassenstufen unter den aktuellen Bedingungen behebt nicht alle Nachteile. Wie oben genannt sind durch die "Maßnahmen" viele psychische und gesundheitliche Probleme befördert worden. Die Beispiele sind nur die Spitze des Eisbergs: "spricht von Magersucht, Depressionen und sogar Suizidversuchen unter den Schülern."

  6. 8.

    Mein Kind will keinen "Mathe-Förder", mein Kind würde es bevorzugen, weniger hysterische LehrerInnen zu haben, die aus Angst vor einem erneuten Lockdown Zensuren durch "3 Testst und Klassenarbeiten am gleichen Tag" hamstern - und dann kommt doch kein Lockdown! Mein Kind will keinen Ringelpietz mit Anpacken (Floß bauen, Segeln lernen) sondern einen an die "Zeiten" angepassten Lehrplan, z. B. kein Singen und Klatschen, und kein Hallensport ohne Masken vormittags, was im Verein nachmittags verboten ist, dafür aber statt LER lieber mehr Mathestunden VORMITTAGS, um Stoff zu festigen und zu wiederholen - nicht einfach durch Erhöhen der Hausaufgaben-Menge!

  7. 7.

    Ich fürchte, die ukrainischen Schüler werden mit großem Entsetzen feststellen, in welch miserablen Zustand sich Schulen hierzulande befinden und wie hinterwäldlerisch hier noch immer organisiert wird. Solange das Faxgerät im Sekretariat die wichtigste und manchmal sogar modernste Technik in der ganzen Schule ist, verliert Deutschland immer mehr den Anschluss, obwohl jeder weiß, dass dieses Land nur mit exzellenter Bildung überhaupt zukunftsfähig ist. An Bildung und Kinderbetreuung wird seit Jahrzehnten gespart, dass es nicht nur quietscht sondern sogar kracht. Die gesamte Corona-Politik war für die Schüler dabei der vorläufige Tiefpunkt. Fast kein Land dieser Erde hat Schüler so massiv und lange vom geordneten Lernen ausgeschlossen, wie Deutschland. Die Defizite waren vorhersehbar und sie werden auch mit den homöopathischen Dosen an Förderung nicht aufgeholt werden können.

  8. 6.

    Na klar,die Kinder möglichst den ganzen Tag in die Schule abschieben, natürlich mit Maske! Schön bequem für die Eltern!!!! Super Einfall!!!

  9. 5.

    Anstatt immer wieder neue Programme aufzulegen, deren abzurufende Mittel wahrscheinlich nur mit einem immensen Antrags"wust" für die Schulen nutzbar sind, sollte man die Schulen entsprechend finanziell ausstatten. Aber da wurde ja auf 3.000 € heruntergekürzt!!
    Auch vor dem Hintergrund der Integration ukrainischer Schüler ein mehr als schlechter Witz!!

  10. 4.

    Das Beste wäre die flächendeckende Gantagsschule. Morgens hin, abends mit gemachten Hausaufgaben und nach Förderunterricht zurück. Oder für bildungsschwächere sogar in Internatsform.

  11. 3.

    "Stark trotz Corona"? Im Ernst? Das hat bestimmt 100 000 Euro Berater- und Marketinghonorar gekostet. Sonst eine gute Sache. Unbedingt fortsetzen!

  12. 2.

    Am Gymnasium unseres früheren Wohnortes in Baden-Württemberg gab es das Projekt 'SuSI' (Schüler-unterrichten-Schüler-Initiative). Hier unterstützten Schülerinnen und Schüler der Kursstufe
    Schülerinnen und Schüler der Klassen 5-7 bei der Hausaufgabenbetreuung in Kernfächern oder anderen gewünschten Fächern. Finanziell unterstützt wurde dieses Projekt vom Förderverein des Gymnasiums. Ich hörte damals viel Gutes über dieses Projekt.
    Leider reicht der Platz nicht für mehr Erläuterungen.

  13. 1.

    In der Regel gehen neue ( sinnvolle ) Förderprogramme immer zu Lasten der bereits überlassteten Lehrer*innen. Den neues Personal wird selten eingestellt Das muss neben viel Bürokratie durch die Senatsverwaltung und dem normalen ( und unnormalen online ) Unterricht auch noch geleistet werden - mindestens mit zusätzlichen Material für die Schüler*innen.

    So erlebe ich das beispielhaft bei einer Lehrerin aus der Grundschule.

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