Sonderbildungsprogramm "Stark trotz Corona" - Senat fördert Schüler mit Defiziten als Folge der Pandemie

Das Programm "Stark trotz Corona" soll Kindern und Jugendlichen vor allem helfen, Lernlücken zu schließen. Doch viele brauchen auch Hilfe bei Problemen jenseits von Mathe und Deutsch. Unterstützt werden sie zum Beispiel von älteren Schülerinnen. Von Kirsten Buchmann.
Für Lia Görner aus der zwölften Jahrgangsstufe des Immanuel-Kant-Gymnasiums ist nach ihrer letzten Unterrichtsstunde noch nicht Schuss. Zwei bis drei Mal in der Woche hilft die 17-Jährige am Nachmittag jüngeren Schülerinnen und Schülern, bei denen in der Corona-Zeit Lücken entstanden sind. Ein Schwerpunkt dabei ist Mathe: "Die kommen immer wieder, um für jede Woche, den Inhalt, den sie nicht verstanden haben, nachzuarbeiten. Das klappt sehr gut."
Erkrankungen in nicht unerheblicher Anzahl
Wiederholen, festigen, üben - seit Januar unterstützt Lia Jüngere - etwa Zehntklässler, denen die Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss bevorstehen. Für ihre Arbeit mit ihnen erhält Lia Geld aus dem Programm "Stark trotz Corona".
Vor allem in Mathe, Französisch und Latein macht es sich bemerkbar, dass in der Corona-Zeit ein Teil der Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten hatte, eigenständig zu Hause zu lernen. Mehr als sonst wurden nicht versetzt. Wie gut das Aufholen mit Hilfe des Programms gelingt, kann der Leiter des Immanuel-Kant-Gymnasiums Arnd Niedermöller noch nicht sagen. Für ihn sind die Lernlücken allerdings nicht die einzige Folge der Corona-Pandemie, die er im Blick haben muss: „Die psychischen Belastungen der Schülerinnen und Schüler haben sich in handfesten Erkrankungen manifestiert und zwar in nicht unerheblicher Anzahl."
Sorge um Fortsetzung des Programms auch 2023
Niedermöller, der auch Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektorinnen und -direktoren des Landes Berlin ist, spricht von Magersucht, Depressionen und sogar Suizidversuchen unter den Schülern. An seiner Schule organisiert er daher mit Hilfe des Programms „Stark trotz Corona“ auch präventive Maßnahmen. Externe Partner erteilen Workshops zu Themen wie Klassengemeinschaft stärken, Umgang mit sozialen Medien oder „Wie gehe ich mit Stress um?“. Allerdings laufe das Programm Ende des Jahres aus, so Niedermöller. Unterstützung braucht es aus seiner Sicht jedoch darüber hinaus dauerhaft durch Psychologen.
Das unterstreicht auch Sven Zimmerschied von der Sekundarschulleitervereinigung: „Für einen Schüler ist nicht das Problem, dass er jetzt in Mathe etwas nicht kann, sondern vielmehr: ,Zu Hause läuft es nicht, ich bin nicht in der Lage in Ruhe zu schlafen.‘ Solche Sachen kommen viel stärker raus.“
Die Regeln einhalten
An der Moabiter Grundschule findet die stellvertretende Schulleiterin Ilona Vogt es wichtig, die Kinder individuell beim Schließen von Lernrückständen zu unterstützen. Schließlich hätten laut Lernstandserhebungen vom Schuljahresanfang 167 von rund 420 Kindern Förderbedarf. Zugleich gab es laut Ilona Vogt viele Gewaltvorfälle auf dem Schulhof sowie Vandalismus. Daher habe die Schule Angebote für die Kinder in der großen Hofpause geschaffen: "Ein Kollege, der auch in der Lernförderung ist, unterstützt auch hier und sorgt auf dem Fußballplatz für die Einhaltung der Regeln. Das ist auch schon merklich besser geworden."
Zunächst lief das Programm "Stark trotz Corona" schleppend an. Schulleitungen nennen als Grund dafür die bürokratischen Hürden, um überhaupt die Gelder zu beantragen. Laut der Berliner Bildungsverwaltung sind inzwischen rund zwölf Millionen der 44 Millionen Euro, um Lernlücken zu schließen, abgerufen. Das entspricht 27 Prozent.
Nachhilfe durch ältere Schüler mit positiven Nebeneffekten
Die 17-jährige Lia vom Immanuel-Kant-Gymnasiums ist froh, dass sie durch das Programm Jüngeren mit ihrer Nachhilfe unter die Arme greifen kann, wenn sie zusätzlich zum Unterricht Erklärungen brauchen: "Ich glaube, da haben die Schüler:innen einen bessern Draht und können das vielleicht nochmal auf eine andere Art erklären. Von daher glaube ich, dass es ein Angebot ist, das weiter existieren sollte."
In ihren kleinen Gruppen könne sie schließlich gut auf die Einzelnen eingehen. Auch Schüchterne trauen sich da Fragen zu stellen.
Sendung: Inforadio, 09.03.2022, 14.40 Uhr