15 Versammlungen geplant - 5.000 Polizisten sollen Demos am 1. Mai in Berlin sichern

In den vergangenen Jahren war vor dem 1. Mai das Hauptthema die Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Demonstrationen. In diesem Jahr redet niemand mehr über Masken und Abstände. Es geht wieder um Demo-Routen, Polizeitaktik und Ausschreitungen.
Die Straßen in Berlin-Neukölln werden am Abend des 1. Mai voraussichtlich richtig voll werden. Die Behörden rechnen mit mehreren zehntausend Demonstrierenden. Insgesamt rund 5.000 Polizisten sollen bei den zahlreichen Demonstrationen im Einsatz sein.
Etwa die Hälfte davon kommt zur Unterstützung aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei, wie Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Dienstag sagte. Diese Zahl entspricht etwa der Größenordnung der vergangenen Jahre.
15 Demonstrationen sind angemeldet
Insgesamt 15 Demonstrationen seien angemeldet, sagte Spranger, die erst seit einigen Monaten im Amt ist. Der allergrößte Teil der Menschen werde friedlich demonstrieren. An Abend bei der traditionellen 18.00 Uhr-Demonstration der linken und linksextremen Szene sei aber "höchstwahrscheinlich" mit Gewaltausbrüchen zu rechnen. 500 Teilnehmer aus der linksextremen Szene würden laut Spranger erwartet.
Spranger hoffe, dass der Maifeiertag friedlich ablaufe. "Aber das wird sich dann entsprechend entscheiden, weil solche Kundgebungen zum 1. Mai eben auch immer die Plattform für radikale bis extremistische Proteste bieten", so Spranger. Ein kleiner Teil der Demonstranten werde wohl die Lage ausnutzen für "Stein-, Pyrotechnik- oder Flaschenwürfe".
Polizei plant Konzept der "ausgestreckten Hand"
Die Polizei sei "sehr, sehr gut vorbereitet". Sie verfahre wieder nach dem Prinzip der "ausgestreckten Hand". Das bedeutete immer, dass die Polizei auf Kommunikation setze, solange es friedlich bleibt. Details der Polizeitaktik wollte Spranger nicht nennen, um nicht "weitere Konfliktpotenziale" zu schaffen.
Zur Frage, ob die Polizei Wasserwerfer bereithalte, sagte sie, das sei angesichts der Straßenfeste nicht erstrebenswert. "Mit Wasserwerfern bin ich sehr vorsichtig. Da muss man sehr aufpassen." Sie rate da eher ab, aber die Polizei entscheide letztlich über solche Einsätze.
Streckenverlauf der "Revolutionären 1. Mai-Demo" noch unklar
Die genaue Strecke der sogenannten "Revolutionären 1. Mai-Demonstration" durch Neukölln steht laut Spranger immer noch nicht fest, weil der Bezirk auf der Sonnenallee und dem Hermannplatz Straßenfeste geplant habe. Die Polizei führe noch Gespräche mit den Anmeldern der Demonstration, unter Umständen müsste ein Gericht entscheiden.
Beginnen soll die linke und linksextreme Demonstration am Abend in diesem Jahr auf dem Hertzbergplatz an der Sonnenallee in Neukölln. Der Endpunkt ist in Kreuzberg auf dem Oranienplatz geplant. Ob die Demonstranten dort ankommen, ist allerdings völlig offen.
Gerechnet wird mit 5.000 bis 20.000 Teilnehmern, wie am Montag vom Verfassungsschutz mitgeteilt wurde. Der Titel lautet: "Revolutionärer Erster Mai: Yallah Klassenkampf - No war but classwar!". Besonders thematisiert wird auf Plakaten wohl auch die geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor.
Ein Hubschrauber, der am Montag und Dienstag lange über Kreuzberg, etwa im Bereich der Oranienstraße, flog, hat laut Polizei keinen Bezug zu den geplanten Demonstrationen. Es gehe um Luftaufnahmen in ganz Deutschland zum Thema Gewässer- und Umweltschutz, sagte eine Sprecherin.
Gewerkschaft der Polizei sieht sich vor "großer Herausforderung"
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht sich vor einer großen Herausforderung, die es zu meistern gelte. Durch den weitgehenden Wegfall der Infektionsschutzmaßnahmen erwartet die Gewerkschaft viele Menschen auf der Straße, gleichzeitig fehle mit dem abgesagten Myfest ein wichtiges deeskalierendes Vehikel. Auch die Lücken im Versammlungsfreiheitsgesetz würden Extremisten in die Karten spielen, sagte GdP-Landesvize Stephan Kelm am Mittwochmorgen.
"Wir werden keinen 1. Mai wie in den späten 1980ern erleben, aber es wird eben auch kein Kindergeburtstag", so Kelm. Man erwarte ein "durchaus spürbares Gewaltpotential". Man werde für die diversen Versammlungslagen alle verfügbaren Einsatz- und Alarmhundertschaften (5) in den Dienst rufen. Der Personalansatz sei damit mit dem aus den letzten Jahren vor der Pandemie vergleichbar. Man werde beim Blick auf die aktuellen politischen Konfliktlagen und die Ankündigungen aus dem linksextremen Szenebereich "jede und jeden Einzelnen brauchen", sagte Kelm, "Berlin wird sicher sein, auch wenn vielleicht mal irgendwo ein Müllcontainer etwas länger brennt“, sagte er.
Großes Fahrradkorso am Nachmittag durch Grunewald
Schon am Nachmittag des 1. Mai werden mehr als 10.000 Demonstranten bei einem großen Fahrradkorso durch den Villen-Stadtteil Grunewald erwartet. Am 30. April sind am Nachmittag und Abend eine große linke Demonstration durch Wedding, ein Straßenfest in der Nähe des von Linksautonomen teilbesetzten Hauses in der Rigaer Straße und eine feministische Frauen-Demonstration von Prenzlauer Berg nach Mitte geplant.
Im vergangenen Jahr demonstrierten mehrere Tausend Menschen in Neukölln. An einigen Stellen kam es zu Gewaltausbrüchen, die Polizei löste die Demonstration auf. Gewalt von kleineren Gruppen aus der linksautonomen Szene und Angriffe auf die Polizei gehörten in den vergangenen Jahrzehnten zum üblichen Ablauf der Demonstration. Die großen Straßenschlachten der 80er- und 90er-Jahre gab es allerdings schon lange nicht mehr.
Zahlreichen Verkehrseinschränkungen am gesamten Wochenende
Der Berliner Senat hat derweil über zahlreiche Verkehrseinschränkungen informiert: Schon ab Samstag, ca. 12:00 Uhr wird die Straße des 17. Juni zwischen Yitzhak-Rabin-Straße und Brandenburger Tor gesperrt. Auch die Ebertstraße zwischen Behrenstraße und Scheidemannstraße wird ab diesem Zeitpunkt bis zum Sonntagabend, ca. 20:00 Uhr voll gesperrt sein.
Für den traditionellen Aufzug des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) werden am Sonntag auch die Alexanderstraße in Mitte, die Karl-Liebknecht-Straße und Unter den Linden gesperrt werden. Der Demonstrationszug startet gegen 10:00 Uhr.
In Neukölln finden mehrere Straßenfeste statt. Gesperrt werden unter anderem die Karl-Marx-Straße im Bereich Rathaus Neukölln, der Hermannplatz inklusive des Kreuzungsbereiches Urbanstraße/Sonnenallee/Kottbusser Damm sowie die Sonnenallee zwischen Reuterstraße und Pannierstraße.
Für die Dauer der Straßensperrungen werden auch die betroffenen Bus- und Tramlinien unterbrochen oder umgeleitet - die BVG werde kurzfristig darüber informieren, heißt es in einer Senatsmitteilung.
Sendung: Abendschau, 26.04.22, 19:30 Uhr