Journalisten bei Pro-Palästina-Demo ausgeschlossen - Gewerkschaft der Polizei kritisiert Berliner Versammlungsgesetz

Bei einer pro-palästinensischen Demo am Samstag schloss die Polizei Pressevertreter auf Wunsch des Versammlungsleiters aus - daraufhin hagelte es Kritik. Die Gewerkschaft der Polizei beklagt hingegen Lücken im Berliner Versammlungsgesetz.
Nach dem umstrittenen Polizeieinsatz bei einer Demonstration am Sonnabend hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Lücken im Berliner Versammlungsgesetz beklagt. Bei dem Einsatz hatte die Polizei auf Verlangen des Versammlungsleiters zwei Pressevertreter aus dem Demonstrationszug ausgeschlossen, nachdem diese von anderen Teilnehmern aggressiv angegangen worden waren.
In der Politik wurde der Polizei daraufhin Fehlverhalten vorgeworfen. Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader, forderte die Polizei auf, die Entscheidung der Beamten aufzuarbeiten. nach seiner Ansicht wurde die Abwägung zwischen der Versammlungsfreiheit mit dem Grundrecht auf freie Berichterstattung nicht ausreichend vorgenommen.
GdP kritisiert "schwammige Formulierungen"
Der stellvertretende GdP-Landesvorsitzende Stephan Kelm dagegen kritisierte "viele ungeklärten Rechtsbegriffe und schwammige Formulierungen" im Versammlungsfreiheitsgesetz, das erst im vergangenen Jahr durch die rot-rot-grüne Koalition neu gefasst worden war. Man habe schon damals auf eklatante Lücken aufmerksam gemacht, sagte Kelm. "Selbstverständlich sind Presse- und Meinungsfreiheit Grundrechte, die es zu schützen gilt". Politiker, die von der Couch aus Bewertungen abgäben, wenn Einsatzkräfte in hitziger Lage ein fehlerhaftes Gesetz anwenden müssten, sollten besser dafür sorgen, dass ihre Gesetze lückenlos seien.
Das Versammlungsgesetz sieht in seiner jetzigen Form vor, dass der Versammlungsleiter auch Pressevertreter von der Teilnahme ausschließen darf, wenn diese die Ordnung der Versammlung "erheblich stören", wie es im Gesetz heißt. Körperliche Gewalt darf die Versammlungsleitung dabei aber nicht anwenden, so die Erläuterung in der Gesetzesbegründung - auch wenn sich die ausgeschlossene Person weigert, sich zu entfernen. Vielmehr liegt die Verantwortlichkeit für so einen Eingriff allein bei der Polizei – und nur, wenn ansonsten die Durchführung der Versammlung gefährdet ist.
Schrader: Polizei muss Pressefreiheit berücksichtigen
Niklas Schrader (Die Linke), Sprecher für Innenpolitik im Berliner Abgeordnetenhaus, kann keine Mängel im Gesetz erkennen: Die Verantwortung liege bei der Polizei, die selbst prüfen müsse, ob eine erhebliche Störung der Versammlung vorliege. "Der Versammlungsleiter darf nicht nach Gutdünken die Pressefreiheit aushebeln." Zudem müsse die Polizei bei ihrer Abwägung ausdrücklich die Pressefreiheit berücksichtigen. Dies sei im Fall vom Wochenende nicht zu erkennen gewesen.
Schrader zeigte sich aber offen, das Gesetz noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und bei Bedarf Formulierungen nachzuschärfen. Dies sei bereits in der vergangenen Legislaturperiode verabredet worden. Zunächst müsse aber die Polizei ihr Vorgehen aufarbeiten. Eine Gelegenheit dazu dürfte die nächste Sitzung des Berliner Innenausschusses am kommenden Montag sein. Der FDP-Innenexperte Björn Jotzo hatte bereits angekündigt, den Polizeieinsatz auf die Tagesordnung zu setzen.
Sendung: radioeins, 24.04.2022, 9 Uhr