Modellprojekt in Friedrichshain-Kreuzberg - Im Graefekiez soll es bald keine Parkplätze mehr geben

Do 28.04.22 | 09:33 Uhr
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Archivfoto: Die Grimmstraße in Berlin-Kreuzberg nahe des Urban-Krankenhauses am 16.09.2020, als sie als autofreie Spielstraße galt (Quelle: imago images /Travel-Stock-Images).
Video: rbb|24 | 28.04.2022 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: imago images /Travel-Stock-Images

Keine parkenden Autos mehr auf den Straßen - zumindest im öffentlichen Raum und auf einer begrenzten Fläche: Ein Modellprojekt will die Anwohner des Graefekiezes in Kreuzberg stattdessen in ein Parkhaus schicken. Ausnahmen soll es geben.

Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt es eine neue Idee für die angestrebte Verkehrswende: Im Graefekiez, in dem rund 20.000 Menschen leben, könnten demnächst alle privaten Parkplätze im öffentlichen Straßenraum wegfallen.

Darauf zielt jedenfalls ein Antrag von SPD und Grünen ab, der am Mittwochabend in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zunächst zur weiteren Beratung in die zuständigen Ausschüsse überwiesen wurde. SPD und Grüne haben in der BVV zusammen 31 von 55 Sitzen, stellen somit die Mehrheit. Zunächst hatte die "Berliner Zeitung" darüber berichtet.

Vorgeschlagen wird ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt, das zunächst sechs bis zwölf Monate laufen soll. Parkmöglichkeiten sollen dann nur noch für Menschen mit Behinderungen sowie für Sharing- Fahrzeuge wie Autos, Elektroroller, Fahr- oder Lastenräder bestehen. Für Anwohner soll es möglich sein, ihre privaten Fahrzeuge für einen Sonderpreis von 30 Euro im Monat im Parkhaus Hermannplatz zu parken. Weitere Stellflächen sollen nach Bedarf vom Bezirk angeboten werden.

Straßenraum ohne parkende Autos

Die Straßen im Kiez würden im Falle einer Umsetzung der Idee als Spielstraßen ausgewiesen, die aber grundsätzlich weiter befahren werden dürften. Zu- und Anlieferungen wären dann weiterhin möglich. Lediglich die Durchfahrt der Schönleinstraße soll dem Vorschlag zufolge zwischen Kottbusser Damm und Urbanstraße eingeschränkt werden. Vor und während des Projekts sollen die Kiezbewohner in unterschiedlicher Form eingebunden werden.

Sollte der Antrag so beschlossen werden, müsste das Bezirksamt über eine Umsetzung beraten, wie Sprecherin Sara Lühmann erläuterte. Für die Verkehrswende und das Bestreben nach mehr Flächengerechtigkeit sei es wichtig, einmal beispielhaft zu zeigen, wie der Straßenraum ohne parkende Autos genutzt werden könne.

Zwei Drittel der Anwohner für ein solches Konzept

Schon 2021 gab es eine repräsentative Befragung unter Anwohnerinnen und Anwohnern, in der sich etwa zwei Drittel der Befragten für solche Art Maßnahmen ausgesprochen hatten bzw sich "weitreichende Zurückdrängung des Autoverkehrs aus dem eigenen Stadtteil" wünschten. 1.041 Personen über 16 Jahren aus Friedrichshain-Kreuzberg waren an der Umfrage beteiligt, dazu kamen 192 Anwohner bei einer Straßenumfrage. Durchgeführt hatte die Untersuchung das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) [bibliothek.wzb.eu].

Kein Zeitplan festgelegt

Einen Zeitplan gibt es indes noch nicht, auch Details einer möglichen Umsetzung sind offen. Dazu gehört nicht zuletzt die Frage, wie ein solches flächendeckendes Parkverbot durchgesetzt werden könnte.

Die Idee reiht sich ein in diverse Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, Emissionsreduzierung und Neuaufteilung des Straßenraums in Berlin. Der von den Grünen dominierte Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sieht sich hier als Vorreiter. Er treibt schon länger Projekte wie temporäre Spielstraßen, den Ausbau der Radinfrastruktur oder die Sperrung von Straßen oder Straßenzügen für den Durchgangsverkehr voran.

Sendung: Radioeins, 27.04.2022, 15:20 Uhr

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89 Kommentare

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  1. 89.

    Gerade gelesen.Ein Teil der Friedrichstrasse,soll sogar für Radfahrer gesperrt werden.
    Also keine Autos ,keine Radfahrer,nur noch für Fussgänger.
    Berlin war und ist schon immer Provinz.

  2. 88.

    In der Abendschau wurden Leute zu dem Thema interviewt. Ein Junge meinte, die Straßen würden ohne Autos komisch aussehen. Ist doch echt traurig, dass er nicht mal den Gedanken hat, dass es für Kinder angenehmer wird, wenn statt der Parkplätze Freiflächen da sind. Ich durfte das in den 60ern und 70ern noch erleben.

  3. 87.

    Was ist das denn für ein Blödsinn. Hier wohnen auch viele ältere Leute, die nicht mehr gut zu Fuß sind und entweder mit dem Rollator oder auch mit dem Rollstuhl unterwegs sind. Die fahren gar kein Auto mehr. Was denken Sie denn, wie es Rollstuhlfahrern und Leuten mit Rollator in so engen Kiezen wie dem Graefekiez geht, wo sie durch die parkenden Autos gar nicht durchkommen? Ich habe keine Ahnung wo Sie wohnen, aber ich kenne viele in Schöneberg, Charlottenburg und Kreuzberg, die über leerere Straßen und saubere Luft froh wären. Ich fahre übrigens gern Auto, aber inzwischen nicht mehr in der City, wo ich schlimmstenfalls im Stau lande und schwierig einen Parkplatz finde. Das muss doch mal jedem klar werden, dass die verstopften Straßen nicht erstrebenswert sind. Wir konnten übrigens hier in Berlin als Kinder noch auf der Straße Rollschuh fahren.

  4. 85.

    Sollen sie doch alle aufs Land ziehen! Das ist hier BERLIN, eine Groß- und Hauptstadt. Man kann es wirlich nicht mehr hören oder lesen als gebürtiger Berliner (mit Absicht nicht gegendert!!!)! Unfassbar was für Berlin von den ganzen Zugezogenen gefordert wird!!

  5. 84.

    Oh, Sie haben wirklich Glück!!
    Keine Behinderung, keine Krankheit, kein Ischias, kein Hexenschuss.
    Keine körperliche Arbeit wie Fliesenleger, Maurer o.ä.
    Bleiben Sie zu Hause, ohne neue Möbel oder Sanitäranlagen. Sie könnten ja einen Unfall haben und im Rollstuhl landen.

  6. 83.

    Nur noch Parkplätze für Sharing und Behinderte? Ich bin gehbehindert, habe Multiple Sklerose, trotzdem ein ewiges Theater mit dem Versorgungsamt wegen des Merkzeichens. Am besten nur noch Fahrdienste und leck mich am Ar*** mit der Gleichstellung. Hauptsache die, die Rad fahren können sind glücklich. Ich hab mal grûn gewählt. Nie wieder

  7. 81.

    Wir reden hier von 500 Metern! Zur Erinnerung an die Dummschwafler, die hier den Untergang des Abendlands herbeireden!

  8. 80.

    Kein Problem, Gräfe Kiez ist nicht wirklich mein Revier. Also viel Spaß beim ausprobieren. ;-)

  9. 79.

    Ich finde es wirklich überaus freundlich und aufmerksam, dass sich sooo viele hier um die Versorgung der Anwohner:innen mit handwerklichen Dienstleistungen zu sorgen scheinen – und nicht etwa darum, dass Sie mit dem eigenen Autochen nun nicht mehr uneingeschränkt an absolut jeden Ort der Stadt gelangen könnten … Chapeau! Solch ein Übermaß an Selbstlosigkeit hätte ich wirklich nicht erwartet!

  10. 78.

    Ein guter Handwerker schaut sich die Baustelle vorher an, damit er genau weiß, was zu tun ist und was er braucht, damit er nicht x-mal hin und her rennen muss, um fehlendes Werkzeug bzw Material zu holen. Die meisten Handwerker sind leider nicht so schlau, aber vielleicht lernen die das dann noch.

  11. 77.

    Sie sehen in der Tat, dass die Begriffe auch in den Medien und sogar seitens der verfassten Politik reichlich durcheinandergehen - deshalb auch das herangezogene Ampel-Beispiel - und dass der verfassten Politik der Vorwurf zehnmal stärkerer Weltfremdheit gemacht würde, würde sie sich 1 : 1 der Verwaltungssprache bedienen.

    Ein Grundproblem, was weder Sie noch ich werden auflösen können.

  12. 76.

    Ist doch super für DHL ,UPS u.s.w. alles vor der Enklave abstellen, keine Treppen mehr, und wenn der Bürger schon mal rauskommt gleich Müll mitnehmen.

  13. 75.

    Sie tun gerade so, als wäre der Graefekiez eine einzige Baustelle und es müssten permanent Handwerker da ihre Autos abstellen. Nochmal: Es funktioniert woanders auch. Es gibt sogar Leute, die wohnen auf Inseln ohne Autoverkehr und trotzdem kommen Handwerker dahin. Was denken Sie, was das für eine verbesserte Wohnqualität ist, wenn kaum noch Autos durch einen Kiez fahren. Ich habe das Glück, seit vier Jahren einen Park und keine direkte Straße vor dem Fenster zu haben. Dafür parke ich mein Auto gern woanders. Wer unbedingt an einer befahrenen Straße wohnen möchte hat in Berlin reichlich Gelegenheiten. Übrigens können Handwerker auch woanders oft nicht direkt vorm Haus parken. Parkverbot, Busspur oder schlichtweg keine freien Parkplätze verhindern das nämlich. Was nun?

  14. 74.

    Da Handwerker und somit Termine schon heute rar gesät sind,wird man ja sehen welche Kunden bevorzugt bedient werden und wer das nachsehen hat.Man muss als Handwerker eine bestimmte Menge an Arbeit erledigen,das heißt aber nicht Werkzeug transportieren oder Parkplätze suchen, Mitarbeiter kutschieren,sondern wirklich den Hintern und die Hände bewegen sonst gibt es kein Geld.Sondergenehmigungen für Kleinreperaturen,aber auch Dauergenehmigungen kosten auch extra Geld und werden dann auch natürlich extra teuer auf die Rechnung umgeschlagen oder gehen wir das allgemeine Knöllchen Inden Fahrkostenpauschale ein.Material und Werkzeug geht nun Mal nicht auf Eseln , auch nicht in Bullerbü.

  15. 73.

    KlausBaerbel:
    "Eine andere Verkehrspolitik ist erst nach anderen Wahlergebnissen möglich."

    Aber das wollen doch die Wähler in Friedrichshain/Kreuzberg gar nicht! Und Sie in Marzahn haben das glücklicherwiese auch nicht zu entscheiden.

  16. 72.

    Zitat: "Ich hoffe,dass dich einige finden werden,die gegen dieses Vorhaben klagen werden. Die Aussicht auf Erfolg ist nicht gering."

    Sie wohnen im Gräfekiez oder überhaupt in Kreuzberg? Und noch eine Frage: Sie sind Jurist und auf Klagen gegen Modelle dieser Art spezialisiert?

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  17. 71.

    Ach so, sie glauben also tatsächlich, dass steigende Bewirtschaftungskosten die Mieter nicht treffen wird? Interessante Theorie. Wir werden ja sehen. Mal abgesehen davon, dass so mancher Eigentümer sich die Wohnung schon vor Jahren gekauft hat und es damals durchaus möglich war als Normalverdiener solche Wohnungen zu bekommen.

  18. 70.

    Es ist aber ein Unterschied, ob ich als Anwohner eine einmalige Ausnahmegenehmigung für einen Umzug beantrage. Oder ob ich als Handwerker eine Dauer Ausnahmegenehmigung brauche, die mir erlaubt das ganze Jahr mit meinem Fahrzeug in diesen Gebieten zu parken. Aber wir werden ja sehen, wie leicht Handwerker Ausnahmegenehmigungen bekommen werden. Ich bin jedenfalls gespannt. Nach meiner bisherigen Erfahrung mit Bezirksämtern kann das eigentlich nur im Chaos enden.

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