Streit um Gesetzgebungskompetenz - GEW-Gutachten sieht Berliner Hochschulgesetz als verfassungskonform an

Droht dem Berliner Hochschulgesetz ein ähnliches Schicksal wie dem Mietendeckel? Humboldt-Uni und die Opposition wollen es als verfassungswidrig stoppen - ein GEW-Rechtsgutachten kommt zu einem anderen Schluss. Von Christoph Reinhardt
Kurz vor dem Ende der vergangenen Legislaturperiode hatte die rot-rot-grüne Koalition noch schnell die Änderung des Berliner Hochschulgesetzes beschlossen. Woraufhin die empörte damalige Präsidentin der Humboldt-Universität Sabine Kunst ihren Rücktritt erklärte – und kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit noch Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichte. Denn die Neuregelung gefährde nicht nur die Exzellenz der Berliner Wissenschaft, sondern sei auch verfassungswidrig.
Das entscheidende Argument der Kritiker: Ähnlich wie beim Mietendeckel fehle dem Abgeordnetenhaus die Gesetzgebungs-Kompetenz, um den Berliner Hochschulen strengere arbeitsrechtliche Vorgaben zu machen als das Bundesrecht. So argumentiert jedenfalls der HU-Rechtsprofessor Matthias Ruffert, der auch die Berliner CDU und FDP bei einer Normenkontrollklage beim Berliner Verfassungsgerichtshof vertritt.
Mietendeckel 2.0?
Die frühere HU-Professorin und emeritierte Verfassungsrechtlerin Rosemarie Will weist diese Argumente ihres Kollegen Ruffert aber zurück. Im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat sie zusammen mit dem Rechtsanwalt Michael Plöse ein weiteres Gutachten vorgelegt [gew-berlin.de]. Ergebnis: Keineswegs stehe das Berliner Gesetz im Widerspruch zum Arbeitsrecht des Bundes.
Zwar gebe das Abgeordnetenhaus den Berliner Hochschulen vor, grundsätzlich auf sachgrundlose Befristungen zu verzichten und bestimmten Nachwuchswissenschaftlern unbefristete Arbeitsverträge anzubieten - obwohl der Bund den Hochschulen weitgehende Rechte einräumt, Wissenschaftler auch befristet einzustellen. Aber das Arbeitsrecht sehe eben auch unbefristete Arbeitsverträge ausdrücklich vor. Darum schaffe die Berliner Vorgabe, nur bestimmte Möglichkeiten des Bundesrechts zu nutzen, gerade kein eigenes Arbeitsrecht. Sondern liege eindeutig im Zuständigkeitsbereich des Landes für die Wissenschaft: Die Personalpolitik seiner Hochschulen im Rahmen des Bundesrechts zu regeln.
Auf welche Seite des schmalen Grats zwischen (Bundes-)Arbeitsrecht und (Landes-) Hochschulrecht sich am Ende die Verfassungsrichter schlagen werden, dürften die Streitparteien wohl erst in mehreren Jahren erfahren. Eine schnelle Lösung durch die erst am Dienstag von der inzwischen rot-grün-roten Koalition vorgelegte, sogenannte "Reparaturnovelle", mit der das eilig beschlossene Gesetz der Vorgänger-Koalition entschärft werden soll, ist für die Gutachterin Will nicht zu erwarten. Verfassungsrechtlich sei der Reparaturversuch der Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote jedenfalls nicht notwendig, stattdessen werfe er neue Probleme auf.
Reparatur unnötig
So verkleinere der Senatsentwurf den Anwendungsbereich erheblich, weil alle Nachwuchswissenschaftler, deren Stellen mit Drittmitteln finanziert werden, keinen Anspruch mehr auf eine unbefristete Stelle haben sollen.
Die GEW-Landesvorsitzende Martina Regulin forderte sowohl die Humboldt-Universität als auch die Oppositionsparteien auf, auf die Verfassungsklage bzw. das Normenkontrollverfahren zu verzichten. Das von der Gewerkschaft in Auftrag gegebene Gutachten sei vielmehr ein Signal sowohl an die Hochschulen als auch an die Koalition, den Berliner Nachwuchswissenschaftlern dauerhafte Perspektiven zu bieten.