Wohnen-Volksentscheid in Berlin - Linken-Chefin warnt wegen Enteignungs-Frage vor Koalitionsbruch

Das Thema Enteignung wurde auf dem Parteitag der Berliner Linken am Samstag heiß diskutiert. Falls der Volksentscheid nicht umgesetzt werden sollte, könnte das laut Parteichefin Schubert das Ende von Rot-Grün-Rot sein. Doch auch sie selbst erntete Kritik.
Vor dem Hintergrund der Debatte um die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen hat die Berliner Linken-Landesvorsitzende Katina Schubert vor einem möglichen Koalitionsbruch gewarnt, sollte der Senat sich nicht für eine Umsetzung des Volksentscheids aussprechen. "Ob die rot-grün-rote Koalition dann für uns noch haltbar ist, werden wir dann bewerten müssen", sagte Schubert am Samstag auf dem Parteitag der Berliner Linken, die wegen ihrer Corona-Erkrankung per Video zu den Delegierten sprach.
Linke will "aufs Ganze gehen"
Schubert betonte in ihrer Rede, die Linken würden in der Koalition "alles dafür tun, damit der Auftrag der Initiative 'Deutsche Wohnen und Co. enteignen' auch erfüllt werden kann." Dennoch sei aktuell offen, ob es am Ende gelingt, eine parlamentarische Mehrheit für das Vergesellschaftungsgesetz zu bekommen. Ihren Koalitionspartnern warf sie vor, die Linke zu unterschätzen: "Sie würden uns nie glauben, dass wir aufs Ganze gehen würden" - womit gemeint sein dürfte: die Koalition zu verlassen.
Der Senat hat eine Expertenkommission eingesetzt, die Vorschläge machen soll, ob und wie sich der Volksentscheid umsetzen ließe. Sie soll in Senat in einem Jahr eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen vorlegen. "Die Expertenkommission hat einen klaren Auftrag. Sie
bietet erstmalig die Chance, die Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände zu befördern, und das finde ich nicht hoch genug zu würdigen", sagte der Berliner Kultursenator Klaus Lederer.
Gespalten im Umgang mit Enteignungsinitiative
Die Berliner Linke ist gespalten im Umgang mit der Volksinitiative. Einige hoffen auf einen rechtssicheren Gesetzentwurf zur Enteignung. Andere kritisieren die letzte Woche vom Senat eingesetzte Expertenkommission, weil sie nicht nur das "wie" der Enteignungen, sondern auch das "ob" untersuchen dürfte.
Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" wirft Linke Täuschung vor
Deutliche Kritik sowohl an der Expertenkommission als auch an der Linken äußerte Gastrednerin Bana Mahmood, Sprecherin der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen". Sie bedankte sich zunächst bei der Partei-Basis für die Zusammenarbeit. Dann warf sie der Parteiführung vor, mit dem Volksentscheid zwar Wahlkampf gemacht zu haben. Das Versprechen, die Initiative auf Senatsebene mit einzubeziehen, habe die Partei aber nicht eingehalten.
Mahmood sprach von einem "Supergau". Die Initiative fühle sich von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus getäuscht. "Uns wurde der Eindruck einer Zusammenarbeit vermittelt", so Mahmood. "In dieser Hoffnung sind wir enttäuscht worden." Die Linke werde sich nun entscheiden müssen, ob sie an der Seite der Volksinitiative und der Mieterinnen und Mieter stehe oder Koalitions-Frieden bevorzuge. Im Saal gab es darauf gemischte Reaktionen: Einige Delegierten klatschten, andere bekundeten ihre Entrüstung.
Die Enteignungsaktivisten drohen damit, die vom Senat eingesetzte Expertenkommission zu boykottieren. Eigentlich steht der Initiative die Besetzung von drei Plätzen in der Kommission zu. Landesvorsitzende Schubert appellierte an sie, die Kommission mitzubesetzen, denn sie sei ein wichtiger Schritt in Richtung Vergesellschaftungen.
Grüne reagieren überrascht bis verhalten
Auf dem zeitgleich stattfindenden Parteitag der Berliner Grünen fielen die Reaktionen auf Schuberts Rede überrascht bis verhalten aus. Bettina Jarasch, die grüne Senatorin für Verkehr und Umwelt, sagte dem rbb: "Es ist klar, dass die Linke unter Druck steht. Dafür habe ich auch Verständnis." Doch aus Jaraschs Sicht sei die vom Senat eingesetzte Expertenkommission der richtige Weg. "Wir haben einen Koalitionsvertrag geschlossen, um fünf Jahre verlässliche Regierungspolitik zu machen. Ich gehe davon aus, dass das auch für Die Linke gilt. Wenn das nicht so ist, dann muss Die Linke sich überlegen, für wie regierungsfähig sie überhaupt in Zukunft noch gehalten werden wird", so Jarasch.
Philmon Ghirmai, Co-Landesvorsitzender der Grünen, sagte dem rbb, er wolle festhalten, dass die Grünen den Volksentscheid "ernst nehmen würden". Aus seiner Sicht solle in der Expertenkommission über das "ob" und über das "wie" der möglichen Vergesellschaftung gesprochen werden. Alles Weitere obliege dem Senat, sobald die Kommission ihre Arbeit beendet habe.
Sendung: rbb24 Abendschau, 02.04.2022, 19:30 Uhr