Mögliche Abgabe für Vermieter - Senat prüft Mietensteuer zur Entlastung des Berliner Wohnungsmarkts

Der Mietendeckel ist Geschichte. Ob die Enteignung großer Immobilienkonzerne eine Zukunft hat, ist ungewiss. Zwei Berliner SPD-Abgeordnete bringen nun eine dritte Idee ins Spiel: eine Abgabe für Vermieter, die besonders stark abkassieren. Von Jan Menzel
Wenn es nach den beiden SPD-Abgeordneten Lars Rauchfuß und Mathias Schulz geht, könnten die Goldenen Zwanziger das Modell zur Bekämpfung der aktuellen Wohnungsnot in Berlin abgeben. Vor 100 Jahren wurden in Preußen die übermäßigen Inflationsgewinne von Immobilienbesitzern mit der Hauszinssteuer abgeschöpft. Mit dem Geld baute der Staat die legendären Weltkulturerbe-Siedlungen der 1920er Jahre.
Ob ein ähnliches Instrument auch jetzt helfen könnte, prüft die Finanzverwaltung, wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hervorgeht, die dem rbb exklusiv vorliegt.
Finanzstaatssekretärin Barbro Dreher (Grüne) kündigt darin eine "Gesamtbewertung" an, ob eine solche Abgabe angemessen ist beziehungsweise welche Folgen und "Ausweichreaktionen" zu erwarten wären. Der SPD-Abgeordnete Lars Rauchfuß aus Tempelhof-Schöneberg ist schon einen Schritt weiter: "Wir glauben, dass das Instrument hilft, die Mieten zu dämpfen."
DIW: Erlöse von 200 Millionen Euro jährlich
Er und der Weddinger SPD-Abgeordnete Mathias Schulz haben ein Konzept aufgegriffen, dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im vergangenen November angelehnt an die preußische Hauszinssteuer präsentiert hatte. Darin wird eine so genannte "progressive Mietensteuer" skizziert. Sie würde fällig bei allen Nettokaltmieten, die über 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. die im Mietspiegel bestimmt wird. Der Studie zufolge zahlen gut 41 Prozent der Berliner Miethaushalte eine Miete von über 110 Prozent der Vergleichsmiete.
Nettokaltmieten oberhalb dieser 110 Prozent könnten mit 10 bis 30 Prozent besteuert werden. Das DIW sieht den Vorteil dieser Abgabe darin, dass sie nur die Gewinne von Immobilienbesitzern abschöpfen würde, die hohe und sehr hohe Mieten verlangen. Genossenschaften und Vermieter, die nicht so stark auf Profite setzen, wären nicht betroffen.
"Den Gewinn, den das Land aus so einer Abgabe ziehen würde, könnte man zielgerichtet dafür einsetzen, den Wohnungsbau zu fördern, weil wir dann mehr Geld dafür hätten", sagt Mathias Schulz, der in der SPD-Abgeordnetenhausfraktion für Stadtentwicklung zuständig ist. Das DIW schätzt die möglichen Erlöse aus einer progressiven Mietensteuer auf rund 200 Millionen Euro im Jahr.
Berlin könnte Abgabe ohne den Bund erheben
Allerdings dürfte es ähnlich wie beim letztlich vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten Mietendeckel auf das "Wie" ankommen. "Für die Umsetzung der Idee einer Steuer fehlt es auf Landesebene an einer Gesetzgebungskompetenz", stellt Finanzstaatssekretärin Dreher fest. Bundesländer könnten nur Verbrauch- und Aufwandsteuren erheben. "Alternativ bliebe allerdings die Ausgestaltung in Form einer Abgabe." Diesen Weg hatte auch das DIW in seinem Konzept favorisiert.
Der SPD-Abgeordnete Mathias Schulz kann einer solchen Abgabe noch etwas abgewinnen: "Der Charme dieser Idee wäre, dass wir den Bund dazu nicht brauchen. Dieser prüfe bekanntlich immer sehr lange, bis er zu einer Entscheidung komme. "Das sehen wir gerade beim Vorkaufsrecht, wo die FDP immer blockiert." Deshalb müsse Berlin alleine vorangehen.
Für seinen Parteifreund Lars Rauchfuß geht es darum, eine "rechtskonforme Art der Regulierung" als Ersatz für den gescheiterten Mietendeckel zu bekommen. Er gibt auch zu bedenken, dass niemand vorhersagen könne, zu welchem Ergebnis die Expertenkommission kommen wird, die sich im Auftrag des Senats mit dem Volksbegehren zur Enteignung großer Immobilienkonzerne beschäftigt. Deshalb müsse die Mietensteuer zügig vom Senat geprüft und anschließend ein konkretes Modell im Parlament erarbeitet werden. Er hoffe, so Rauchfuß, dass die Mietensteuer noch in dieser Wahlperiode umgesetzt werde.
Opposition kritisiert Vorschlag
Dirk Stettner, der Sprecher für Bauen und Wohnen in der Berliner CDU-Fraktion, warf dem Senat vor, die Berlinerinnen und Berliner täuschen zu wollen. Nach dem Scheitern des Mietendeckels nun eine "Mietabgabe" zu prüfen sei "teurer Etikettenschwindel", so Stettner. "Das wäre unzumutbar, schafft nicht eine zusätzliche Wohnung und somit keinerlei Entspannung auf dem Wohnungsmarkt."
Zudem seien wichtige Details unklar, etwa die Miethöhe, ab der die Abgabe gefordert wird, so Stettner. Ein Problem sei, dass durch den Mietendeckel der qualifizierte Mietspiegel verlorengegangen sei. "Damit scheint es aussichtslos, ortsübliche Vergleichswerte bei Mietforderungen zu bestimmen", sagte Stettner.
Auch der Wohnungsbauexerte der AfD-Fraktion, Harald Laatsch, lehnt eine solche Abgabe ab, wie er in einer Mitteilung am Mittwoch schreibt. Sie sei ein "rücksichtloser Versuch, die in der Frage der Enteignung heillos zerstrittene rotgrünrote Koaltion zu befrieden".
Die FDP befürchtet, dass durch eine Mietensteuer "das Angebot an Mietwohnungen noch weiter abnimmt". Schon jetzt sei der Markt durch Milieuschutzgebiete, den Mietendeckel und zuletzt das Umwandlungsverbot stark geschrumpft, sagte Björn Jotzo, Sprecher für Stadtentwicklung und Mieten der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus.
Mieterverein sieht Nachbesserungsbedarf
Der Berliner Mieterverein begrüßte den Vorschlag, mahnte aber Nachbesserungen an. "Die ortsübliche Vergleichsmiete mit ihrer schwierigen Ermittlung ist als Grundlage nicht geeignet", so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. "Die Sonderabgabe sollte zudem progressiv aufgebaut werden. Wer die Schwellenwerte hoch überschreitet, sollte auch eine prozentual höhere Sonderabgabe entrichten."
Der Mieterverein sei zudem der Auffassung, dass eine Sonderabgabe "keinesfalls ein Ersatz für wirksame Mietenregulierungen" darstellen könne. Diese helfe nicht den einzelnen Mietern, sondern komme, wenn sie zweckgebunden ist, der Mieterschaft allgemein zu Gute, so Wild. "Man kann die Einführung einer Sonderabgabe auch als Reaktion darauf verstehen, dass der Bund nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Mietendeckel nicht zu notwendigen Mietenregulierungen bereit ist."
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.04.2022, 12 Uhr