rbb24 Recherche exklusiv - Neue Vorwürfe gegen den Eberswalder FDP-Bundestagsabgeordneten Boginski

Fr 29.04.22 | 06:03 Uhr | Von Gabi Probst
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Archivbild: Friedhelm Boginski (FDP), ehem. Bürgermeister von Eberswalde. (Quelle: dpa/TSP)
Audio: rbb24 Brandenburg aktuell | 29.04.2022 | Gabi Probst | Bild: dpa/TSP

Der Ex-Bürgermeister von Eberswalde und heutige Bundestagsabgeordnete Friedhelm Boginski hat im Wahlkampf von Parteispendern "profitiert", für deren Geschäft er als Bürgermeister zuständig war. Das könnte ihm zum Verhängnis werden. Von Gabi Probst

Auf dem alten NVA-Gelände in Eberswalde sollen u.a. über 300 Wohnungen entstehen. Zwei einheimische Investoren kaufen 2017 das Areal. Die "Schwärzetal Projekt GmbH" der Investoren soll das Projekt abwickeln und schließt 2020 einen sogenannten Städtebaulichen Vertrag mit der Stadt. Dieser Vertrag regelt, was gebaut werden darf und was für die Stadt dabei herausspringt – eine Kita zum Beispiel.

Statt zu bauen wird verkauft

Doch statt zu bauen, verkaufen die Investoren das Areal am 11. März 2021 an die Buwog Bauträger GmbH, eine Tochter des Konzernriesen Vonovia. Doch Verkäufer und Käufer sind bei dem Geschäft auf die Stadt angewiesen. Denn: "Ein Wechsel des Investors bedarf der schriftlichen Zustimmung der Stadt", heißt es im Städtebaulichen Vertrag. Und im Kaufvertrag steht: Die Zahlung des Kaufpreises wird u.a. erst fällig, wenn "…die Zustimmung der Stadt Eberswalde" gemäß "des städtebaulichen Vertrages" vorliegt. Das heißt, die Stadtverordneten müssen zustimmen, dass der Vertrag vom neuen Investor übernommen werden kann.

Fast zeitgleich gibt Friedhelm Boginski bekannt, dass er für die FDP in den Bundestag ziehen will. Mit Platz 2 auf der Landesliste stehen seine Chancen gut. Nachdem seine Kandidatur bekannt wird, erhält der FDP-Ortsverband über einen der Geschäftsführer der "Schwärzetal Projekt GmbH" – also die alten Investoren, die wollen, dass der Kaufvertrag mit der Buwog durch die Stadt rechtswirksam wird – eine Spende. Der Betrag soll nach rbb-Informationen etwas unter 10.000 Euro gelegen haben. Der Kreisverband unterstützt Boginski beim Wahlkampf, z.B. mit Wahlwerbung. Im Mai 2021 soll es eine weitere, vierstellige Wahlspende durch eine andere Firma des alten Investors gegeben haben. Boginski gibt die Spenden im rbb-Interview zu. Wie viel es war, verrät er nicht.

Transparenz versprochen

Den vom Stadtentwicklungsamt vorbereiteten "Beschluss zur Überleitung des Städtebaulichen Vertrages" reicht Boginski im Frühsommer in der Stadtverordnetenversammlung ein und setzt ihn später gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung, Martin Hoeck, für den 21. September 2021 auf die Tagesordnung – fünf Tage vor der Bundestagswahl. Martin Hoeck ist übrigens damals auch sein Wahlkampfmanager. Von den Parteispenden, von denen Boginski im Wahlkampf profitiert, erfahren die Stadtverordneten damals nichts.

Dabei versprach Boginski einst, es besser zu machen als sein Vorgänger, der wegen einer Spendenaffäre verurteilt wurde. "Sie haben einen Eberswalder gewählt, von dem Sie sich versprechen, dass er transparent, parteienunabhängig bzw. parteienübergreifend und sachorientiert handelt", erklärte er 2006 in seiner Antrittsrede. Und weiter: "Sie haben nach turbulenten Zeiten, nach Stagnation und Rufschädigung für die Stadt einen integren Mann mit dem Mut für einen Neuanfang gesucht und gewählt. Dafür für stehe ich."

Insider aus dem Rathaus berichten, plötzlich sollte es ganz schnell gehen. So auch die Erfahrung von Sebastian Walter, Stadtverordneter und Landtagsabgeordneter für die Linke. Er erinnert sich, dass es im vergangenen Sommer plötzlich recht schnell ging mit dem "Städtebaulichen Vertrag". "Auf einmal im Spätsommer, im August, September", sagt er im rbb-Interview, "wurde da ein massiver Zeitdruck gemacht, den ich überhaupt nicht verstanden habe und der auch nicht nötig gewesen wäre."

Hat die Spende Einfluss darauf gehabt, dass Boginski den neuen Vertrag noch in seiner Amtszeit in die Stadtverordnetenversammlung einbringt und später als Bürgermeister beim Notar unterschreibt? Boginski bestreitet, dass die Wahlkampfspende Einfluss auf seine Arbeit als Bürgermeister in diesem Fall hatte. Die inhaltliche Arbeit hätte das Stadtentwicklungsamt gemacht, wie üblich. Warum der Investor so spendabel ist, begründet er so: "Weil er die FDP gut findet, weil er will, dass die FDP im Bundestag gut vertreten ist." Wir sollen die Spender fragen. Doch es kam keine Antwort.

Verhaltenskodex eindeutig

Um jeden Verdacht der Befangenheit auszuschließen, hätte Boginski sich nur an den "Verhaltenskodex" für Rathaus-Mitarbeiter halten müssen, der die Trennung von "Dienst" und "Privatleben" verlangt. Und der Wahlkampf für eine Partei gehört zum "Privatleben".

Matthias Einmal von Transparency International sagt, Boginski hätte wegen der ihm bekannten Wahlkampfspende den Vertrag mit den neuen Investoren nicht unterschreiben dürfen. Außerdem hätte er wegen der Spende "sagen müssen: Ich habe mit dem gesamten Verfahren rund um diesen Städtebaulichen Vertrag nichts mehr zu tun. Das muss dann nur mein Vertreter machen."

Martin Heger, Strafrechtler und Leiter der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität, sieht im Ablauf einen möglichen Straftatbestand: "Man muss prüfen, ob es eine Vorteilsannahme oder sogar Bestechlichkeit ist." Es müsse geprüft werden, ob Friedhelm Boginski, der das bestreitet, den Vertrag vielleicht auf Wunsch der alten Investoren schneller auf die Tagesordnung gesetzt habe. "Man muss hier sehen," sagt Heger, "der Bürgermeister ist zumindest mit zuständig für die Tagungsordnung in der Sitzung, in der darüber abgestimmt wird. Wenn er etwas auf den Wunsch eines Spenders hin möglichst frühzeitig platziert, übt er sein Ermessen letztlich im Interesse des Spenders aus und das wäre sogar als Bestechlichkeit strafbar." Ob Boginski auf Wunsch des Spenders gehandelt hat, genau das muss jetzt geprüft werden.

Acht Stadtverordnete stimmen gegen den Vertrag oder enthalten sich im September – auch Sebastian Walter, dem alles zu schnell ging: "Wir kannten das schon seit dem Frühling dieses Jahres, dass da ein Verkauf stattfinden soll. Da wurde uns gesagt, das hat noch Zeit." Man würde "weitere Punkte mit dem neuen Investor verhandeln". Andere, wie der parteilose Stadtverordnete Carsten Zinn, wollen den Konzernriesen nicht: "Ich habe vordergründig gegen die Übernahme des neuen Investors gestimmt aus Wohnungs- und sozialpolitischen Gründen, aber auch aus den Gründen, dass man die Vorlage mit großem Tempo durchgepeitscht hat."

Stadtverordnete enttäuscht

Trotz der Bedenken, die Mehrheit der Stadtverordneten stimmt dem Vertrag zu. Boginski erscheint nur einen Tag nach der SVV beim Notar zur Beglaubigung und unterschreibt die Zustimmungserklärung zum Vertragswechsel.

Bis jetzt hat die Stadt keinen Nachteil. Aber so sagt Strafrechtler Heger, für die Beurteilung des Falls sei das bedeutungslos. "Wenn es für die Stadt positiv ist, gut, und es der Wunsch der Stadt ist, dann mag man das frühzeitig abstimmen. Aber wenn es der Wunsch des Investors ist, der Investor dafür Parteispenden oder Wahlkampfspenden macht, dann riecht das." Auch das muss geprüft werden.

Nach rbb-Recherchen müsste noch etwas geprüft werden. In seinem Bürgermeisterkalender stehen, mitten im Wahlkampf Besuche bei Firmen, die auch für seinen Wahlkampf spendeten und die seit Jahren Aufträge von der Stadt erhalten.

Eberswalder Stadtverordnete jedenfalls sind entrüstet. Für Carsten Zinn haben die Abläufe "mehr als ein Geschmäckle": "Gerade in seiner neuen Funktion als Bundestagsabgeordneter, da wird er doch unglaubwürdig", meint er. Der Stadtverordnete Hans Mai, SPD/Fraktion Bürger für Eberswalde, sagt: "Das überrascht und enttäuscht mich auch. Wenn das Einfluss auf den schnellen Abschluss eines Vertrages genommen hat, ohne dass wir aus der Stadtverordnetenversammlung darüber informiert wurden, dann ist es für mich eigentlich unbegreiflich." Seine Kollegin Katja Lösche findet das eine "große Schweinerei". Mai und Lösche sind deshalb so entrüstet, weil der rbb schon im Dezember darüber berichtet hatte, dass Boginski seinen Wahlkampf für den Bundestag mit seinem damaligen Amt als Bürgermeister vermischt habe und seine Sekretärin dafür eingespannt haben soll. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ermittelt seitdem gegen ihn wegen Untreue.

Nach rbb-Recherchen hatten die alten Investoren und Spender Boginiskis das Gelände einst für 3 Millionen Euro gekauft. Verkauft haben sie es jetzt für über 13 Millionen Euro.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 29.04.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Gabi Probst

7 Kommentare

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  1. 7.

    Herr Boginski war Wahlbeamter und seine Aufgabe war, a) die Stadtverwaltung Eberswalde zu führen und b) die Beschlüsse der SVV umzusetzen. Der Zeit-Raum-Bezug ist dadurch schon unbestreitbar.

    Die zivilrechtlichen, dienstrechtlichen und strafrechtlichen Vorwürfe beziehen sich allesamt auf vorsätzliches Handeln ENTGEGEN diesen Aufgaben. Ganz einfach; eigentlich!

  2. 6.

    Der Marktvregelt das ist doch das Mantra der Fdp. Gilt wahrscheinlich auch für die 10.Mios die jetzt in privaten Taschen gelandet sind- wäre auch schön für die Stadtkasse gewesen.

  3. 5.

    Wenn ich es recht sehe, wurde Herr Boginski als Kandidat der FDP zum Bürgermeister gewählt. Dass bei einem politischen Wahlbeamten zwischen parteilichem und öffentlichem Engagement nicht klar zu unterscheiden ist, sollte allen klar sein.

  4. 4.

    Was nicht i.O. ist muss aufgeklärt werden. Dafür sind wir den Journalisten dankbar.
    Man erinnere sich: 2019 und 2020 (und so weiter?), wird unzulässige Wahlhilfe von Herrn Woidke regelmäßig kritisiert und weil er nichts befürchten muss, entschuldigt er sich gleich hinterher... Wetten das das wieder so sein wird?

  5. 3.

    Gekauft für 3 Millionen und verkauft für 13 Millionen. Da kann man die Parteispende nicht unbedingt als Bestechungsgeld sehen. Dazu war die Summe zu gering. Bei Parteispenden belohnt der Spender die politischen Vorgaben der jeweiligen Partei. Da wurde die FDP dann eben als spendenwürdig gesehen. Ein Zusammenhang mit dem Deal kann man da wohl kaum unterstellen. Zumal das Geld ja keine Einzelperson bekommen hat. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, die Historie um den Parteispendenskandal der CDU nochmal in die Medien zu bringen. Vielleicht macht der RBB mal einen Beitrag dazu.

  6. 2.

    Seit der Strafanzeige von Mitte Dezember 2021 brütet die Staatsanwaltschaft am Ermittlungsverfahren und bekommt weder die Ermittlungsarbeit noch das Schreiben der Anklageschrift auf die Reihe.

    Derzeit ist ein Mindestschaden zu Ungunsten der Stadt Eberswalde i.H.v. rund 65.000 €uro entstanden.

    Wer hat weswegen Interesse, dieses Verfahren, wie auch immer, zu verschleppen?!

    Die Stadt Eberswalde muss Zivilklage inkl. Schadenersatzklage einreichen, um an ihr Geld zu kommen.

    Die neuerlichen Vorwürfe bringen das Fass zum überlaufen und der eigentliche Dienstherr des Bürgermeisters, der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, und der neue Bürgermeister sind hier in der PFLICHT, alles Erdenkliche in ihren Zuständigkeiten unverzüglich auf den Weg zu bringen. Selbstverständlich parteiübergreifend, transparent und fair.

    Auch die Kommunalaufsicht des Landkreises Barnim hällt sich bedeckt. Warum nur?

    Hier müssen die Medien ansetzen und legalen Druck ausüben.

  7. 1.

    Lieber rbb, vielleicht kann man noch weiterrecherchieren ... 10 Millionen Wertsteigerung ... hat die Stadt was davon oder ein Share-Deal? Das hätte man da ja u.U. durch die Zustimmungsregelung im alten Kaufvertrag unterbinden können.

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