Vorschlag der Grünen - Warum sich Berlins U-Bahnhöfe nur bedingt als Schutzbunker eignen

Di 26.04.22 | 17:20 Uhr | Von Hasan Gökkaya
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Menschen steigen am 02.11.2021 an der U-Bahnstation "Heidelberger Platz" in die U3. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Video: rbb|24 | 26.04.2022 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg schlagen die Grünen im Bund vor, Bauwerke wie U-Bahnhöfe künftig in ein "Schutzkonzept" für die Zivilbevölkerung einzubeziehen. An Stationen mangelt es dafür in Berlin nicht - doch es fehlt an Tieflage. Von Hasan Gökkaya

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat auch das Sicherheitsgefühl hierzulande verändert. Auf dem Einkaufszettel einiger Deutschen stehen plötzlich "bombensichere Türen" oder Schutzräume aus "Panzerstahl", wie jüngst das gestiegenen Interesse an Privat-Bunkern zeigte. Ob ein Angriff auf Deutschland realistisch ist, bleibt zwar der Fantasie überlassen. Tatsächlich aber könnnten sich Menschen in Berlin und Brandenburg im Falle des Falles nicht auf instandgehaltene Anlagen wie Hoch- und Tiefbunker verlassen. Denn öffentliche Schutzräume gibt es in Deutschland nicht mehr (bbk.bund.de).

Als Reaktion darauf kündigte der Berliner Senat zuletzt an, bis zu 400 Sirenen zur Warnung vor Katastrophen wieder aufzustellen; die ersten Installationen fanden Ende vergangener Woche statt. Nun preschen auch die Grünen auf Bundesebene vor und bringen eine eigene Idee ins Spiel: "Eine Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, grundsätzlich geeignete Bauten wie U-Bahnhöfe, Tiefgaragen oder Keller in öffentlichen Gebäuden in Schutzkonzepte einzubeziehen", heißt es unter anderem in einem 15-Punkte-Papier.

Finanzierung für Schutzbunker eingestellt

Sollte die Idee auch nur für einen Teil der rund 200 U-Bahnhöfe in Berlin umsetzbar sein, würde die Zahl öffentlicher Schutzräume in der Stadt enorm steigen. Denn die 23 Bunker in Berlin sind seit 2007 offiziell keine "Zivilschutzanlagen" mehr. Einige davon befinden sich nicht einmal mehr in bezirklicher, sondern privater Hand.

Der Grund war ein Beschluss von 2007, wonach Bunkeranlagen in Deutschland nicht weiter erhalten oder konkreter: nicht weiter finanziert wurden. In Brandenburg ist bis heute sogar unklar, wie viele ehemalige Bunkeranlagen es gibt. Es dürften Dutzende sein, die bereits zu Ruinen verkommen sind.

Bei der Umfunktionierung von U-Bahnhöfen oder Tiefgaragen dürfe man sich jedoch keine falschen Illusionen machen, warnt Kay Heyne von "Berliner Unterwelten". Der Verein erforscht und dokumentiert historische unterirdische Bauwerke. Wenn es darum gehe, Menschen für kurze Zeit von der Oberfläche weg zu bringen, etwa bei einem Schusswechsel, könnten U-Bahnhöfe durchaus genutzt werden. Schwierig sei es, wenn Menschen längere Zeit untergebracht werden müssten: "Dafür fehlen notwendige Strom- und Wasseranschlüsse", sagt Heyne dem rbb.

U-Bahnhöfe zu flach für Schutz gegen schwere Waffen

Er sieht aber noch einen weiteren Faktor, der den Einsatz von U-Bahnhöfen als Schutzbunker zumindest einschränke. Bei einem direkten Beschuss reiche die Schutzfunktion der Stationen kaum, da sie laut Heyne dafür zu flach unter der Erde gebaut sind. "In Berlin handelt es sich meistens um Unterpflasterbahnen. Das heißt, man reißt die Straße auf, gräbt eine Grube, legt die U-Bahn rein und macht die Grube wieder zu." In vielen Fällen sei die Decke eines U-Bahnhofs also gleichzeitig auch der Untergrund für die darüber liegende Straße - zum Teil nur 60 Zentimeter dick, vermutet er. "Da ist keine wirkliche Abdeckung, nichts dazwischen, dementsprechend ist keine hohe Schutzwirkung zu erwarten", so Heyne. Er schätzt, dass nur vielleicht zwei oder drei Berliner U-Bahnhöfe in einer Tiefe von 15 oder 20 Metern liegen.

"U-Bahnhöfe ähnlich effektiv wie private Kellerräume"

Ähnlich sieht das Norbert Gebbeken, Baustatiker und Leiter des Forschungszentrums Risk an der Universität der Bundeswehr München. "Wir sehen in der Ukraine, dass die Menschen zum Beispiel in Mariupol U-Bahnhöfe nutzen, um sich vor dem Krieg zu schützen. Das ist zunächst richtig und empfehlenswert, obwohl sie keine definierten Schutzräume sind", sagt er im Gespräch mit rbb|24.

Dem Experten zufolge können U-Bahnhöfe ähnlich effektiv sein wie private Kellerräume, um sich zumindest vor leichten Waffen zu schützen. "Wenn allerdings Mörser oder panzerbrechende Waffen zum Einsatz kommen, reichen die Wände oder Decken von Bestandsbauten oft nicht", so Gebbeken.

Folglich müssten öffentliche Einrichtungen aufwendig umfunktioniert werden. Da sieht der Verein "Berliner Unterwelten" aber das große Problem für die Hauptstadt: "Man kann nicht einfach mal einen U-Bahnhof, der in Betrieb ist, ein halbes Jahr zu machen und sagen: 'wir bauen den jetzt um'", sagt Heyne.

Spranger: "Wir sind im engen Austausch mit der BVG"

Gebbeken und Heyne verweisen zudem auf ein ethisches Problem. Wer darf rein und wer nicht? In einen Berliner U-Bahnhof passen höchstens ein paar Tausend Menschen - während des Zweiten Weltkrieges war in Berlin in Bunkern etwa für acht bis zehn Prozent der Bevölkerung Platz.

Eine Reaktivierung der alten Schutzbunker wird es in der Hauptstadt nicht geben. Das stellte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Dienstag während einer Pressekonferenz klar. Bei den U-Bahnhöfen scheint das letzte Wort noch nicht entschieden. "Wir sind im engen Austausch mit der BVG, dabei geht es auch um die Tiefe", sagte Spranger.

Sendung: Abendschau, 26.04.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Hasan Gökkaya

52 Kommentare

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  1. 52.

    Doof, dass in Berlin offenbar noch nie ernsthafte Kriegshandlungen stattgefunden haben, bei denen man Erfahrungen damit sammeln konnte, wie gut sich die Tunnelstationen als Schutz insbesondere vor Angriffen aus der Luft eignen.

    (Recherchetips für den RBB: U-Bahnhof Bayerischer Platz, U-Bahnhof Weberwiese)

  2. 51.

    "... Nachbarland Ukraine durch Russland völlig grundlos überfallen wurde. ..."
    Nichts rechtfertigt das Vorgehen Putins, da gebe ich Ihnen vollkommen recht.
    Jedoch würde ich dieses "völlig grundlos" ein wenig in Frage stellen?
    Was läuft da seit 2014?

  3. 50.

    Das die USA bei den drei genannten Beispielen zum Teil keine gute Figur machten ändert nichts an der menschenverachtenden und brutalen Weise wie das Nachbarland Ukraine durch Russland völlig grundlos überfallen wurde. Es ändert auch nichts daran, dass auf Befehl Putins schlimmste Kriegsverbrechen begangen wurden und täglich begangen werden und es ändert auch nichts daran, dass Putin vorzugsweise Kinder und Greise mit Splitterbomben massakrieren lässt. Es ändert auch nichts daran, dass Putin Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Versorgungsbetriebe für Wasser und Elektrizität vorzugsweise zerstört wird.
    Das in der Vergangenheit andere Staaten auch kriege führten ändert nichts daran, dass Putin täglich Kriegsverbrechen begehen lässt und entschuldigt Putins Verhalten nicht im Geringsten

  4. 49.

    Nicht das USA eigentlich permanent irgendwo zündeln oder aktiv Länder destabilisieren.
    - Afghanistan
    - Irak
    - Lybien
    Der "Westen" hat sich moralisch dort auf Generationen hin verbrannt und den Hass auf uns gesät. Die drei nur mal als prominenteste Kandidaten.
    Schon vergessen?

  5. 48.

    Hier will keiner Krieg führen aber was will Putin? Die Ukraine wollte auch keinen Krieg führen und wird nun mit den schlimmsten Waffen in Schutt und Asche gelegt. Oder sollte man sich jedem Diktat von Putin ergeben und seinen Befehlen fügen?

  6. 47.

    Wer hat Putin für diesen Krieg autorisiert? Er ist trotzdem in die Ukraine einmarschiert und verübt dort schrecklichste Kriegsverbrechen und Putin ist gegen jede Art von diplomatischen Lösungen immun.

  7. 46.

    Die Ukraine befand sich auch nicht im Krieg mit Russland und plötzlich standen die russischen Truppen in der Ukraine und zerbombten alles von Krankenhäusern, Schulen, E-Werken, Kindergärten und Wohnhäuser. Und das alles mit möglichst vielen Menschen in den Gebäuden insbesondere Kinder und Greise.
    Ob uns Russland angreift ist nicht unsere Entscheidung und Deutschland bis zur Elbe wird von gewissen russischen Kreisen als ihr Einflussgebiet betrachtet.
    Übrigens, befindet sich Russland auch nicht mit der Ukraine im Krieg. Putin sagt, dass ist eine besondere militärische Maßnahme, kein Krieg.

  8. 45.

    Da man Aufzüge schon im Brandfall nicht benutzen soll, ist die Frage, ob man es während eines Bombardements tun sollte, freilich eine hypopthetische.
    Was ich meinte:
    Klügere Grüne treten aus der Partei aus und denken über Umschulungen zu Satirikern nach.
    Putin will ganz sicher keine Bomben auf Deutschland abwerfen lassen.
    Also ist es müßig, sich da in Was-wäre-wenn-Fantasien hineinzusteigern (und eventuell darüber nachzudenken, wie man U-Bahnhöfe klimaneutral und putinsicher umbauen kann und wieviele Toilettenräume es dort dann geben müsste, um allen 60 oder 70 Geschlechtern gerecht zu werden).

  9. 44.
    Antwort auf [Nicole] vom 26.04.2022 um 17:29

    Wie wollen Sie es schaffen den Kriegshetzer Vladimir Putin einzusperren und ihm seine Massenvernichtungswaffen wegzunehmen? Ohne Putin bräuchten wir keine Bunker und die Welt wäre viel friedlicher.

  10. 43.

    Es besteht kein Grund Angst in der Bevölkerung durch derartige Meldungen zu verstärken. Ein Atomschlag hätte eine finale Wirkung. Bombenangriffe wie 1944, oder Haubitzenbeschuss sind nicht zu erwarten. Gegen Raketenbeschuss sind UBahnhöfe erwartbar nutzlos.
    Und das Wichtigste ist: Wir befinden uns nicht im Krieg mit Russland.

  11. 42.

    Strom werden wir wohl dann nicht mehr haben, der wird strategisch als erstes weggebombt, die Frage beantwortet sich von selbst: Die Treppe nehmen!

  12. 41.

    Ein alberner Vorschlag, der mich an die Anfrage der Piratenpartei erinnert, ob Berlin auf eine Zombieinvasion vorbereitet wäre.
    Wie wahrscheinlich ist es, dass Berlin von Putin (oder sonstwem) bombardiert wird?
    Übrigens wohne ich in Tempelhof und müsste ggfs. über zwei Kilometer weit rennen, um zum nächsten U-Bahnhof zu gelangen (genau wie auch sämtliche hier in der Gegend wohnende Rentner, Gehbehinderte und Kleinkinder, die dann die Wahl hätten, ob sie die hoffentlich vorhandenen, funktionierenden und nicht überfüllten Aufzüge oder doch lieber die Treppen benutzen).
    So kennt man die Grünen:
    Nicht funktionierende Lösungen für nicht vorhandene Probleme.

  13. 40.

    Wir reden über Schutzbunker?? Was für ein Blödsinn. Kein Mensch hat die jetziege Regierung für einen Krieg autorisiert. Und wir wollen auch keinen Krieg. Stopp aller Waffenlieferungen - es muss diplomatisch gelöst werden.

  14. 39.

    Die meisten U-Bahnstrecken und ihre Haltepunkte sind entweder oberirdisch, wie z.B. in Kreuzberg und Pankow oder folgen in weiten Teilen der Definition "Unterpflastebahn", also relativ oberflächennah. Da würde der Keller eines mehrgeschossigen Hauses evtl. mehr Sicherheit bieten, weil dann ja mit viel Glück evtl. wenigstens die Trümmer über dem Keller einen gewissen Schutz vor weiteren Einschlägen bieten.

    Aber liebe Leute - ihr wollt doch nicht ernsthaft hier Krieg führen?

    Wenn doch, sagt Bescheid, daß ich rechtzeitig auswandern kann.
    Ich hab das Desaster in der Ukraine nicht gewollt und möchte, daß unsere Regierung umgehend für Deeskalation und Frieden sorgt, anstatt irgendwelche Waffen liefern zu wollen.

  15. 38.

    Warum denkt man überhaupt darüber nach? Deutschland hat seit 45 keine Aggression gegen über Ländern gemacht, bzw. unternommen! Also ist doch diese Diskussion null und nichtig.

  16. 37.

    "Habe ich es richtig verstanden, daß bevor der Nato-Bündnisfall ausgelöst wird, Sie einen Präventivkrieg gegen Rußland führen wollen?" Nein. Aber das wollen Putinfaschisten so verstehen.

    "Auch halten sie es für absolut richtig, wenn es sein muß, die Ukraine bis zum letzten Ukrainer zu verteidigen?"

    Gegenfrage. Was würden sie machen wenn ein feindlicher, faschistischer Staat die Bundesrepublik besetzt?

  17. 36.

    Tun Sie uns bitte einen Gefallen und nehmen an der Diskussion nicht mehr teil. Sie sind sichtlich emotional überfordert! Und wenn Sie wieder einen klaren Gedanken fassen können, prüfen Sie Ihre Äußerungen auf Anstand und Respekt.

  18. 35.

    "Deswegen sollten die Grünen endlich aufhören mit ihren Krieg verlängernden Forderungen." Bislang verlängert ihr Kumpel Putin den Krieg.

  19. 34.

    Sorry für die Offenheit. Aber wenn hier eine Atombombe runterknallt, dann möchte ich lieber dierekt danebenstehen als mit den Folgen zu leben. Wenn man dass dann noch leben nennen kann.
    Deswegen sollten die Grünen endlich aufhören mit ihren Krieg verlängernden Forderungen.

  20. 33.

    Wie kann sich eine Partei nur so extrem um die eigene Achse drehen. Werden die irgendwie unter Druck gesetzt? Gibts Dossiers bei der NSA die morgen in der Bild stünden?

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