Bundestag entscheidet - Berliner Landespolitik uneins über Impfpflicht

Die Bundespolitik votiert am Donnerstag für oder gegen eine mögliche Impfpflicht. Auch in der Berliner Landespolitik herrscht keine Einigkeit. Die einen warnen, andere appellieren, manche hoffen und einige drohen gar.
Die Abgeordneten des Bundestages entscheiden am Donnerstagvormittag über die mögliche Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Deutschland. Die Abstimmung erfolgt ohne die sonst üblichen Fraktionsvorgaben. In den Stunden vor der Abstimmung zeichneten sich zunächst keine klaren Mehrheitsverhältnisse ab.
Als einzig ausgearbeiteter Gesetzentwurf liegt vor der Abstimmung ein Kompromissvorschlag für eine Impfpflicht zunächst für Menschen ab 60 Jahre vor. Darauf hatten sich zwei Gruppen von Abgeordneten aus SPD, FDP und Grünen verständigt. Zwei Anträge lehnen eine Impfpflicht ab, die Union fordert in einem Antrag zunächst den Aufbau eines Impfregisters.
Doch all das sind nur Ausschnitte aus einem sehr diversen Meinungsbild sowohl unter den Bundespolitikern als auch in der Landespolitik - etwa in Berlin.

Giffey und Müller klar für Impfpflicht
Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) positionierte sich klar für die Impfpflicht: "Alle 16 Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler haben sich für eine Impfpflicht ab 18 ausgesprochen", sagte sie auf Anfrage des rbb. "Diese Position vertrete ich weiterhin. Es wäre sehr bedauerlich, wenn auch ein Kompromissvorschlag keine Mehrheit erhalten würde."
Auch der ehemalige Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) spricht sich am Donnerstagmorgen im rbb für eine Impfpflicht ab 18 Jahren aus. "Es ist ein Kompromiss, den ich bedauere, weil ich glaube, eine klare Impfpflicht ab 18 wäre für alle Erwachsenen besser gewesen", sagt er über die geplante Abstimmung über eine Impfpflicht ab 60 Jahren.

Czaja setzt auf "Eigenverantwortung"
Sebastian Czaja, Fraktionschef der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus, sagte auf rbb-Anfrage, dass es um "eine schwierige Gewissensentscheidung" gehe: "Der Weg zurück zur Normalität hängt ganz entscheidend davon ab, dass die Bevölkerung einen soliden Immunschutz hat." Doch gehöre eben zu diesem "Weg zurück in die Normalität auch, dass Politik wieder lernt, den Menschen zu vertrauen". Darum spreche er sich für Eigenverantwortung und gezielte Informationsangebote statt einer Impfpflicht aus. Czaja sagte, es brauche nun eine transparente und bundesweit einheitliche Datenlage: "Erst mit diesen Daten lässt sich seriös darüber diskutieren, ob unser Gesundheitssystem im Herbst und Winter erneut an die Überlastungsgrenze kommen könnte."

Schatz äußert rechtliche Bedenken
Ähnlich skeptisch gegenüber einer Impfpflicht äußerte sich der Berliner Linken-Fraktionschef Carsten Schatz, allerdings aus anderen Gründen: "Ich halte es für richtig und werbe dafür, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen, aber mir erschließt sich nicht, wie unter den aktuellen Bedingungen der Omikron-Variante die rechtlichen Voraussetzungen für eine Impfpflicht erfüllt sein können." Schließlich reiche es derzeit noch nicht einmal dazu, die Bürger zum Tragen von Masken in Innenräumen zu verpflichten.

Brinker pocht auf "körperliche Unversehrtheit"
Keinerlei Kompromissbereitschaft für eine - zumindest teilweise - Impfpflicht zeigte die Berliner AfD. "Die AfD und damit auch die Hauptstadtfraktion lehnt jede Form von Impfpflicht ab", sagte Fraktionschefin Kristin Brinker auf rbb-Anfrage. "Das Recht auf körperliche Unversehrtheit jedes einzelnen Menschen ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Es anzutasten wäre ein unverzeihlicher Rückschritt und ein gefährlicher Präzedenzfall."
Bundesrat muss zustimmen
Seit Beginn der Pandemie war eine allgemeine Impfpflicht lange über Parteigrenzen hinweg ausgeschlossen worden. Angesichts schleppender Impfungen hatten sich dann zum Ende des vergangenen Jahres aber unter anderem Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten doch dafür ausgesprochen.
Scholz hatte sich als Abgeordneter zunächst für eine Impfpflicht ab 18 Jahren stark gemacht. Wegen offenkundiger Meinungsverschiedenheiten bringt aber die Regierungskoalition nun keinen eigenen Entwurf ein.
Sollte der Bundestag am Donnerstag eine Impfpflicht - in welcher Form auch immer - beschließen, müsste auch der Bundesrat zustimmen, so dass dann die Stimmen aus der Landespolitik noch einmal neues Gewicht erhalten.
Demonstration von Impf-Gegnern am Brandenburger Tor
Parallel zur Debatte im Bundestag haben laut Polizei rund 350 Impfgegner am Brandenburger Tor gegen die mögliche Einführung der Impfpflicht demonstriert. Die Polizei sei mit 130 Einsatzkräften vor Ort gewesen, darunter auch Hundeführer und die Wasserschutzpolizei auf der Spree. Bislang sei die Demonstration aber friedlich verlaufen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.04.2022, 7 Uhr