Bundestag entscheidet - Berliner Landespolitik uneins über Impfpflicht

Do 07.04.22 | 12:19 Uhr
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.) gibt bei der namentlichen Abstimmung im Deutschen Bundestag seine Stimmkarte ab. (Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka)
Bild: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Bundespolitik votiert am Donnerstag für oder gegen eine mögliche Impfpflicht. Auch in der Berliner Landespolitik herrscht keine Einigkeit. Die einen warnen, andere appellieren, manche hoffen und einige drohen gar.

Die Abgeordneten des Bundestages entscheiden am Donnerstagvormittag über die mögliche Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Deutschland. Die Abstimmung erfolgt ohne die sonst üblichen Fraktionsvorgaben. In den Stunden vor der Abstimmung zeichneten sich zunächst keine klaren Mehrheitsverhältnisse ab.

Als einzig ausgearbeiteter Gesetzentwurf liegt vor der Abstimmung ein Kompromissvorschlag für eine Impfpflicht zunächst für Menschen ab 60 Jahre vor. Darauf hatten sich zwei Gruppen von Abgeordneten aus SPD, FDP und Grünen verständigt. Zwei Anträge lehnen eine Impfpflicht ab, die Union fordert in einem Antrag zunächst den Aufbau eines Impfregisters.

Doch all das sind nur Ausschnitte aus einem sehr diversen Meinungsbild sowohl unter den Bundespolitikern als auch in der Landespolitik - etwa in Berlin.

Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin (Quelle: dpa/Annette Riedl)
Bild: dpa/Annette Riedl

Giffey und Müller klar für Impfpflicht

Die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) positionierte sich klar für die Impfpflicht: "Alle 16 Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler haben sich für eine Impfpflicht ab 18 ausgesprochen", sagte sie auf Anfrage des rbb. "Diese Position vertrete ich weiterhin. Es wäre sehr bedauerlich, wenn auch ein Kompromissvorschlag keine Mehrheit erhalten würde."

Auch der ehemalige Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) spricht sich am Donnerstagmorgen im rbb für eine Impfpflicht ab 18 Jahren aus. "Es ist ein Kompromiss, den ich bedauere, weil ich glaube, eine klare Impfpflicht ab 18 wäre für alle Erwachsenen besser gewesen", sagt er über die geplante Abstimmung über eine Impfpflicht ab 60 Jahren.

Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der FDP Berlin (Quelle: dpa/Annette Riedl)
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Czaja setzt auf "Eigenverantwortung"

Sebastian Czaja, Fraktionschef der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus, sagte auf rbb-Anfrage, dass es um "eine schwierige Gewissensentscheidung" gehe: "Der Weg zurück zur Normalität hängt ganz entscheidend davon ab, dass die Bevölkerung einen soliden Immunschutz hat." Doch gehöre eben zu diesem "Weg zurück in die Normalität auch, dass Politik wieder lernt, den Menschen zu vertrauen". Darum spreche er sich für Eigenverantwortung und gezielte Informationsangebote statt einer Impfpflicht aus. Czaja sagte, es brauche nun eine transparente und bundesweit einheitliche Datenlage: "Erst mit diesen Daten lässt sich seriös darüber diskutieren, ob unser Gesundheitssystem im Herbst und Winter erneut an die Überlastungsgrenze kommen könnte."

Carsten Schatz, Fraktionsvorsitzender Die Linke Berlin (Quelle: dpa/Annette Riedl)
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Schatz äußert rechtliche Bedenken

Ähnlich skeptisch gegenüber einer Impfpflicht äußerte sich der Berliner Linken-Fraktionschef Carsten Schatz, allerdings aus anderen Gründen: "Ich halte es für richtig und werbe dafür, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen, aber mir erschließt sich nicht, wie unter den aktuellen Bedingungen der Omikron-Variante die rechtlichen Voraussetzungen für eine Impfpflicht erfüllt sein können." Schließlich reiche es derzeit noch nicht einmal dazu, die Bürger zum Tragen von Masken in Innenräumen zu verpflichten.

Kristin Brinker, Landesvorsitzende der Berliner AfD (Quelle: dpa/Wolfgang Kumm)
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Brinker pocht auf "körperliche Unversehrtheit"

Keinerlei Kompromissbereitschaft für eine - zumindest teilweise - Impfpflicht zeigte die Berliner AfD. "Die AfD und damit auch die Hauptstadtfraktion lehnt jede Form von Impfpflicht ab", sagte Fraktionschefin Kristin Brinker auf rbb-Anfrage. "Das Recht auf körperliche Unversehrtheit jedes einzelnen Menschen ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Es anzutasten wäre ein unverzeihlicher Rückschritt und ein gefährlicher Präzedenzfall."

Bundesrat muss zustimmen

Seit Beginn der Pandemie war eine allgemeine Impfpflicht lange über Parteigrenzen hinweg ausgeschlossen worden. Angesichts schleppender Impfungen hatten sich dann zum Ende des vergangenen Jahres aber unter anderem Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten doch dafür ausgesprochen.

Scholz hatte sich als Abgeordneter zunächst für eine Impfpflicht ab 18 Jahren stark gemacht. Wegen offenkundiger Meinungsverschiedenheiten bringt aber die Regierungskoalition nun keinen eigenen Entwurf ein.

Sollte der Bundestag am Donnerstag eine Impfpflicht - in welcher Form auch immer - beschließen, müsste auch der Bundesrat zustimmen, so dass dann die Stimmen aus der Landespolitik noch einmal neues Gewicht erhalten.

Demonstration von Impf-Gegnern am Brandenburger Tor

Parallel zur Debatte im Bundestag haben laut Polizei rund 350 Impfgegner am Brandenburger Tor gegen die mögliche Einführung der Impfpflicht demonstriert. Die Polizei sei mit 130 Einsatzkräften vor Ort gewesen, darunter auch Hundeführer und die Wasserschutzpolizei auf der Spree. Bislang sei die Demonstration aber friedlich verlaufen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.04.2022, 7 Uhr

27 Kommentare

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  1. 27.

    War im Ostteil nicht anders. Nach dem amtlichen Impfkalender kam die Schulärztin mit ner Spritze oder OPV. Da hat keiner rumgemosert. Wieso auch? Es ging um die Gesundheit der Kinder und spinnerte Impfverweigerer gab es nicht.

  2. 26.

    Soll mit dem beschließen der Impfpflicht gewartet werden bis sich ein neues Virus ankündigt?
    Eine allgemeine Impfpflicht JETZT wäre eine gute Vorbereitung für den Herbst gewesen. Denn das war garantiert nicht die letzte Variante des Virus.
    Hallo Politiker: werdet doch mal wach !!!
    Die Bürger hatten sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen.

  3. 24.

    „Covidioten“ klingt wahrlich nicht nett, trifft den Nagel aber leider einfach mal sowas von auf den Kopf."
    Achtung, der kommt flach: Wobei er bei dieser Klientel dort noch am wenigsten Schaden anrichtet.

  4. 23.

    Geimpft wurde auch in der DDR gegen Pocken, Kinderlähmung, Diphterie, Tetanus, Keuchhusten, Tuberkulose und ab den 1970er-Jahren auch gegen Masern. Heute gibt es auch weiterhin eine Quasi-Impflicht bei manchen Krankheiten. Nur hier hat die Linke rechtliche Bedenken, will aber bedenkenlos enteignen.

  5. 22.

    Geimpft wurde auch in der DDR gegen Pocken, Kinderlähmung, Diphterie, Tetanus, Keuchhusten, Tuberkulose und ab den 1970er-Jahren auch gegen Masern. Heute gibt es auch weiterhin eine Quasi-Impflicht bei manchen Krankheiten. Nur hier hat die Linke rechtliche Bedenken, will aber bedenkenlos enteignen.

  6. 21.

    Na, Sie scheinen aber auch immer noch nicht mitbekommen zu haben, dass eben genau die Älteren diejenigen sind, die vorwiegend in den Krankenhäusern an Corona sterben.

  7. 20.

    Na super … dann stehen die Chancen ziemlich gut, dass bei der nächsten Welle alles WIEDER ganz genauso läuft wie bisher. Und am lautesten werden sich natürlich WIEDER diejenigen über die Maßnahmen beschweren, die jetzt am vehementesten gegen eine Impfpflicht sind. Kannste dir echt nich ausdenken … „Covidioten“ klingt wahrlich nicht nett, trifft den Nagel aber leider einfach mal sowas von auf den Kopf.

  8. 19.

    Keine weiteren Diskussionen die Impfpflich kommt nicht.
    Braucht auch keiner.
    Lobenswerte Entscheidung der Regierung.

  9. 18.

    Kommentar vom 26.01.2022
    "Alle die jetzt über eine Impfpflicht rätseln und spekulieren: heute Morgen wurden in der ard die (5) Anträge, die BIS JETZT vorliegen, kurz vorgestellt. Abgesehen von den "Null-Vorschlägen" und welchen mit Altersgrenzen gibt es in etwa folgenden Zeitplan:
    - Erfassung der Vorschläge bis Mitte 02/22
    - Diskussion der Vorschläge bis Mitte/Ende 03/22
    - danach Abstimmung im Bundestag (ohne Fraktionszwang)
    - anschl., sofern beschlossen, Umsetzung der Variante (ab Alter 60/50/18)
    Jetzt meine Hypothese dazu:
    - Ende März werden wir, so wie in den Jahren davor, ein spürbares Abklingen der Fallzahlen haben.
    - Vor diesem Hintergrund wird die Notwendigkeit einer Impfpflicht schwer bzw. kaum noch vermittelbar sein.
    - Im Ergebnis wird sie abgelehnt.
    Es ist aber gut, dass wir ein Jahr lang darüber GEREDET HABEN. Es ist auf alle Fälle schon mal ein Fundament da, wenn im Herbst 2022 die Fallzahlen wieder steigen und wir erneut über eine Impfpflicht REDEN WERDEN."

  10. 17.

    Wenn man sich auf impfdashboard.de die Impfraten in Altersgruppen ansieht, wäre wohl am ehesten eine Impfpflicht bis 18 hilfreich.

  11. 16.

    Impflicht ab 60 steht jetzt an.Mit der älteren Generation kann man es ja versuchen.Da ist ja kaum Protest zu erwarten,unter dem Deckmantel,die Alten müssen vor Schäden bewahrt werden.An die Jungen traut man sich nicht ran.Es ist unglaublich was uns hier aufgetischt wird.Impflucht geteilt,Die geteilte Nation.Ich hoffe das kommt nicht im Bundestag durch.Übrigens,ich lasse mich freiwillig impfen.So viel dazu.

  12. 15.

    Bevor es überhaupt zu einer konkreten Abstimmung kommt wird erstmal über die Reihenfolge der Abstimmungen abgestimmt. Das Thema ist durch. Es geht wie immer nur um Macht. Wer überstimmt wen. Wer setzt sich durch. Es geht nur nebenbei um den Inhalt.

  13. 14.

    Die Impflicht ist nicht nötig. Wir können bei der nächsten Welle wieder auf die bekannten Mittel zurückgreifen: Maskenpflicht, Testen, Schließungen, Lockdown.

  14. 13.

    Impfpflicht ab 18 hat sich derzeit erledigt.
    Zur Abstimmung stehen...
    1. Impfpflicht ab 60
    2. Erst mal ein Impfregister
    3. + 4. keine Impfpflicht
    Wenn überhaupt kann nur eine Impfpflicht ab 60 beschlossen werden.

  15. 12.

    Meiner Meinung nach kommt diese Diskussion zu spät, 2 Jahre lang war Zeit, darüber zu diskutieren und es umzusetzen. Die Vergangenheit hat doch gezeigt, dass man Krankheiten/Pandemien nur verhindern bzw. eindämmen kann, wenn die breite Masse geimpft ist (Pocken, Masen etc.). Auch die Erarbeitung und Umsetzung eines zentralen Impfregisters hätte längst erledigt sein können. Und was soll die altersabhängige Diskussion? Nicht alle ab 60+jährigen sind Risikopatienten. Es gibt in dieser Altersgruppe Menschen, die sind gesünder und fitter als mach 30jähriger. Nun eine zukünftige Impfpflicht zu wollen,halte ich deshalb zum jetzigen Zeitpunkt für Schwachsinn und nicht zielführend. Wer sich innerhalb der letzten 1,5 Jahre hat impfen lassen, wird das auch weiterhin tun. Die Anderen erreicht man auch mit einer Impfpflicht nicht...weil das durch den bürokratischen Aufwand sowieso niemand kontrollieren kann und wird. Es gbt aktuell wichtigere Themen, um die unsere Regierenden kümmern sollten.

  16. 11.

    Die ursprünglich eingeschlagene Linie war aber keine Impfpflicht einzuführen. Erst als der Bürger nicht so funktionierte wie gewünscht, wurde über eine Impfpflicht weiterer Druck aufgebaut. Seit 1 Monat gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen, seit 5 Wochen gibt es Novawax. Keine Infos mehr. In MCPOM wird die Hotspot Regelung ab dem 14.4. aufgehoben, damit mehr Gäste dort hinfahren. Für die Politik ist das Thema durch. Das sind jetzt nur noch Pseudoveranstaltungen und theoretische Statements.

  17. 10.

    Was soll daran so schlimm sein, gemeinsam etwas gegen einen unerbittlichen und oftmals tötlichen feind zu unternehmen.
    Wenn es ein positiven Effekt geben würde, würde ich es einsehen.
    Aber so auf garkeinen fall, wenn jedes Jahr eine Auffrischung nötig wäre.
    Und solange wie man für seine Impfung selbst verantwortlich ist, darf eine Pflicht garnicht zur Debatte stehen.

  18. 9.

    Wenn man den Verstand verwendet muss man erkennen, dass man mit dieser Impfung die Verbreitung des Virus nicht verhindern kann. Zur Eindämmung ist daher eine Impfpflicht kein geeignetes Mittel. Hat sich unter Experten schon herumgesprochen, nur bei einigen Politikern und in großen Teilen der Bevölkerung ist das noch nicht angekommen. Zudem sind die Ziele nicht klar definiert. Was will man mit einer Pflicht ab 60 erreichen? In dieser Gruppe sind 90% zweimal geimpft, 80% sogar dreimal. Daran sieht man ja, dass dieser sogenannte Kompromiss rein politisch-ideologisch geprägt ist, damit irgendwas mit Macht durchgedrückt wird.

  19. 8.

    Die Abstimmung heute im Bundestag ist nur eine Show Veranstaltung. Sie muss stattfinden, damit alle beruhigt in die Osterferien fahren können. Das Ergebnis ist allen bewusst. Über 60 % und vielleicht eher noch mehr werden gegen das vorgeschlagene Gesetz stimmen.

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