Streit um Straßenfeste - Berliner Polizei weist linksautonomer Mai-Demo neue Route zu
Von der Sonnenallee über Weser- und Weichselstraße bis zum Oranienplatz - unter Vermeidung des Hermannplatzes: Die Berliner Polizei hat die Strecke der linksradikalen 1.-Mai-Demo geändert. Die Veranstalter behalten sich rechtliche Schritte vor.
Die "Revolutionäre 1. Mai Demonstration" am Abend des 1. Mai in Berlin-Neukölln erhält von der Polizei eine geänderte Strecke zugewiesen. Das sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Grund sind geplante Straßenfeste des Bezirks Neukölln auf der Sonnenallee und auf dem Hermannplatz.
Auf der Internetseite ist die neue vorläufige Route veröffentlicht. Demnach soll der Protestmarsch ab 16 Uhr vom Hertzbergplatz aus starten, danach über Sonnenallee, Weichselstraße, Weserstraße, Reuterstraße, Pflügerstraße, Kottbusser Damm, Kottbusser Straße, Kottbusser Tor, Adalbertstraße, Oranienstraße bis zum Ziel Oranienplatz führen. Damit wird der Hermannplatz gemieden.
Genehmigt wurde die Versammlung mit dem Titel "Revolutionärer Erster Mai: Yallah Klassenkampf - No war but classwar!" demnach bis 22 Uhr.
Route der "Revolutionäre 1. Mai Demonstration"

Kritik an Route durch kleinere Straßen
Zuvor hatte sich das Veranstalter-Bündnis der Demonstration erneut über die vom Bezirk Neukölln geplanten Straßenfeste auf der Strecke über die Sonnenallee beschwert. Auf Ablehnung stieß auch die Verlegung der Route in kleinere Straßen wie die Weserstraße.
Man sehe dadurch "die Gefahr, dass die Polizei die Demonstration an dieser Stelle - vorsätzlicherweise - angreifen und auflösen könnte", teilten die Organisatoren mit. Die Polizei versuche, "gemeinsam mit dem Bezirksamt einen als Straßenfest getarnten Polizeikessel aufzubauen". Vom Bezirksamt Neukölln heißt es dagegen, die Feste seien schon länger geplant als die Strecke bekannt sei. "Wir haben bereits im März entschieden, dass wir angesichts des Endes der Pandemieauflagen öffentliche Veranstaltungen möglich machen wollen", sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) am Mittwoch dem rbb.
Der 1. Mai sei dafür als Datum geeignet, weil "dann sowieso Menschen auf der Straße unterwegs sind. Außerdem haben wir letztes Jahr zum Teil unschöne Bilder aus Neukölln bekommen, deshalb wollten wir nun auch etwas Positives am 1. Mai entsenden", so Hikel.
Veranstalter: Noch kein offizieller Bescheid
Ob die Veranstalter der Demonstration gegen die neue Strecke klagen werden, ist derweil noch unklar. "Wir haben von der Polizei noch keinen offiziellen Bescheid erhalten", sagte eine Sprecherin des Veranstalter-Bündnisses am Donnerstag. Wenn die Polizei die neue Strecke auch formell mitteile, werde das geprüft und entschieden, wie man vorgehe.
Eine Sprecherin des Bündnisses, Aicha Jamal, sagte dem rbb am Donnerstag, es habe auf politischer Ebene fragwürdige Prozesse gegeben. Die Bezirksverordnetenversammlung sei nicht in die Abstimmung einbezogen gewesen. Laut Jamal ist auch die Stadträtin der Linken im Ordnungsamt, Sarah Nagel, nicht mit in die Planungen des Bezirks einbezogen worden.
Medienberichte: Kottbusser Tor im Fokus
In einer internen Gefährdungsbewertung der Polizei wird derweil laut "Bild"-Zeitung [bild.de/€] das Kottbusser Tor kurz vor dem Ende der Strecke als "neuralgischster und somit störanfälligster Ort der ganzen Aufzugsstrecke" eingestuft. Dort könnte es zur "Initialzündung für gewalttätige Aktionen kommen".
Das hänge auch damit zusammen, dass dort schon bald eine seit längerem angekündigte Polizeiwache eingerichtet werden soll. Die Wache und die "empfundene Repression" durch die Polizei hätten "bereits jetzt einen großen Stellenwert und entsprechenden Widerhall bei der Migrantifa und bei deutscher linker Klientel gefunden".
Auch Polizeipräsidentin Barbara Slowik betonte in der "Berliner Morgenpost" [morgenpost.de/€]: "Das Kottbusser Tor ist sicherlich ein neuralgischer Punkt. Zu erwarten ist dort, dass einige der Demonstranten ihre Ablehnung der dort geplanten Kotti-Wache besonders deutlich zum Ausdruck bringen." Insgesamt seien 5.500 Polizisten im Einsatz, darunter auch Kräfte aus anderen Bundesländern.
Erste Demonstrationen beginnen am Nachmittag
Schon am Nachmittag des 1. Mai werden mehr als 10.000 Demonstranten bei einem großen Fahrradkorso durch den Villen-Stadtteil Grunewald erwartet. Am 30. April sind am Nachmittag und Abend eine große linke Demonstration durch Wedding, ein Straßenfest in der Nähe des von Linksautonomen teilbesetzten Hauses in der Rigaer Straße und eine feministische Frauen-Demonstration von Prenzlauer Berg nach Mitte geplant.
Im vergangenen Jahr demonstrierten mehrere Tausend Menschen in Neukölln. An einigen Stellen kam es zu Gewaltausbrüchen, die Polizei löste die Demonstration auf. Gewalt von kleineren Gruppen aus der linksautonomen Szene und Angriffe auf die Polizei gehörten in den vergangenen Jahrzehnten zum üblichen Ablauf der Demonstration. Die großen Straßenschlachten der 80er- und 90er-Jahre gab es allerdings schon lange nicht mehr.
Sendung: rbb24 Abendschau, 28. April 2022, 19:30 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 28.04.2022 um 21:25 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.