Waldumbau - Jagd- und Umweltverbände streiten über neues Brandenburger Jagdgesetz

Fr 22.04.22 | 20:46 Uhr
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Zwei Wolfswelpen tummeln sich im Gras, im Hintergrund röhrt ein Hirsch. (Quelle: dpa/Ingolf König-Jablonski)
Audio: Antenne Brandenburg | 22.04.2022 | Markus Woller | Bild: dpa/Ingolf König-Jablonski

Änderungsforderungen oder strikte Ablehnung - das geplante neue Brandenburger Jagdgesetz stößt bei vielen Organisationen auf massive Kritik. Jägerverbände sorgen sich um die Tierbestände, Umweltschützer fordern mehr Schutz für die Pflanzenwelt.

Die Kritik an dem geplanten neuen Brandenburger Jagdgesetz reißt nicht ab. In einem Positionspapier kritisieren die Jagdverbände den bislang vorliegenden Entwurf des Gesetzes als "wildtierfeindlich", berichtet die Deutschen Presse-Agentur (DPA).

Brandenburgs Umwelt- und Agrarminister Axel Vogel (Grüne) werfen sie einen fachlich schlecht formulierten Jagdgesetzentwurf vor, der ausschließlich den Wald im Fokus habe. Das seien gerade einmal 35 Prozent der Landesfläche. Der Waldumbau solle allein durch den verstärkten Abschuss von Pflanzenfressern gelingen, kritisieren sechs Organisationen, darunter der Deutsche Jagdverband (DJV), der Bundesverband Deutscher Berufsjäger (BDB) und die Deutsche Wildtier Stiftung in dem gemeinsamen Papier.

Wildbestand soll regulierbar gemacht werden

Umweltminister Vogel will mit der Veränderung des Jagdgesetzes eine bessere Regulierung des Wildbestandes bei höherem Tierschutz erreichen. Der Wald leide unter den Folgen der Klimakrise, hatte Vogel bei der Vorstellung des Entwurfs gesagt. Das bestehende Gesetz stammt aus dem Jahr 2003 [bravors.brandenburg.de].

Wie groß der Streit um das Jagdgesetz ist, zeigem auch die Einwände, die gegen den aktuellen Entwurf des Landesjagdgesetzes erhoben werden. Beim Landesumweltministerium sind zum Freitagnachmittag 56 Stellungnahmen eingegangen. Bis zum Fristende um Mitternacht rechne man mit etwa 70 Stellungnahmen, so ein Sprecher auf Anfrage von rbb24.

Im neuen Jagdgesetz sollen Brandenburger Waldeigentümer unter anderem mit mindestens zehn Hektar eigene Jagdbezirke gründen können - nicht mehr nur ab 150 Hektar oder im Ausnahmefall die Hälfte. Die mit der Jagd befassten Organisationen halten dies aus wildbiologischer Sicht für einen "groben Verstoß" gegen das Tierschutzgesetz. Die Gefahr sei groß, dass dadurch Sozialstrukturen von Rudel bildenden Wildtieren mit großem Raumanspruch wie etwa dem Rothirsch zerstört werden. Bereits das viel kleinere Reh habe ein durchschnittliches Streifgebiet von 50 Hektar im Jahresverlauf, heißt es von den Interessenvertretern.

Jäger fordern ein "Wildtiermanagement"

Die Jäger und Interessenvertreter schlagen statt kleinerer Eigenjagden ein großräumiges Wildtiermanagement vor. Diese Aufgabe könnten Hegegemeinschaften leisten, die in Brandenburg nun aber abgeschafft werden sollen.

Derweil haben sich Naturschutzverbände, Vereine und Waldwirtschaftler in einem breiten Bündnis hinter den Entwurf des Ministers gestellt. Damit erhielten Bewirtschafter von kleineren Flächen mehr Mitsprache und könnten bestimmen, wie auf ihrem Terrain gejagt werde, sagte Enno Rosenthal, Vorsitzender des Waldbauernverbandes Brandenburg e.V. am Freitag bei einer gemeinsamen Online-Pressekonferenz.

"Klimawandel erhöht Handlungsdruck"

Seine Mitglieder wollten einen gepflegten Wald und müssten die Gelegenheit bekommen, Monokultur an Kiefernwäldern in Mischwälder umzuwandeln. Das sei nur möglich, wenn das Schalenwild - etwa Damwild oder Rehe - begrenzt werde.

Hohe Schalenwildbestände behinderten die natürliche Regeneration der Wälder und führten zu drastischem Rückgang der Artenvielfalt, warnte Eckhard Fuhr, Vize-Vorsitzender des Ökologischen Jagdvereins Berlin-Brandenburg. Der Klimawandel erhöhe den Handlungsdruck.

Naturschützer fordern weniger Rehe

Der Grünen Liga geht hingegen der Gesetzentwurf nicht weit genug. Der Umweltverband hatte davor gewarnt, dass eine wachsende Zahl an Rehen und Hirschen die Bäume gefährde, indem sie Blätter oder Zweigen abbisse.

Die Organisationen und Verbände wiesen darauf hin, dass die Landesforstanstalt im vergangenen Jahr in einem Abschlussbericht zur Evaluierung des Waldumbaus im Land festgestellt hatte, dass 90 Prozent der Verjüngung auf den untersuchten Waldumbauflächen keine oder geringe Verbissschäden von Schalenwild aufwiesen. Naturschützer Peter Schendel von der Grünen Liga wies darauf hin, dass der Fakt, dass ein Großteil der untersuchten Fläche eingezäunt gewesen sei, von den Jagdverbänden nicht genannt worden sei.

Für wichtig hält der bekennende Jäger Neuerungen zur Stärkung des Tierschutzes im Rahmen der Jagdausübung. Dazu zähle die Einführung eines regelmäßigen qualifizierten Schießleistungsnachweises. "Wenn wir es schaffen, jagdlich die Wildbestände erstmal anzupassen, so dass sich die Lebensräume wieder verbessern, vertragen diese Ökosysteme auch höhere Wilddichten, zum anderen geht es diesen Tierarten sichtbar besser", so Schendel. Seitdem er "waldangepasst" jage, seien die Rehe vitaler geworden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 22.04.2022, 10:00 Uhr

14 Kommentare

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  1. 14.

    Das Problem ist nicht das Wild sondern Politikern denen jeder Sachverstand fehlt seit 30 Jahren bin ich aktiv in der Natur tätig und habe viel für Natur und Wild getan alles war in bester Ordnung bis in diesem Land sich eine Politik etabliert hat die alles auf dem Kopf stellt man sollte wieder zu einer großflächigen Wildbewirtschaftung zurückkehren die Nachtjagd mit Nachtzielgeräten verbieten und den Wolf ein erträgliches Maß reduzieren damit das Wild wieder zu den natürlichen äsungsplätzen ziehen kann somit kann Wildverbiss verhindert werden Wald und Wild brauchen ruhe aber keinen Minister Vogel

  2. 12.

    nur in einer ausgewogenen, intakten Umgebung funktioniert das Miteinander. In einem kaputten monokulturellen Streichholzwald vermehren sich monokulturell Tiere, die das dort schätzen. Wer den Wolf verabscheut, muss das Reh selber töten. Wer nur Kiefern pflanzt, muss sich nicht über mangelndes Grundwasser beschweren. Ein Kreislauf in der Natur ist halt nur ein Kreislauf, wenn er nicht eine offene Flanke hat. Unser Kreis ist gerade komplett löchrig. Tja....

  3. 11.

    Als Sohn eines Forstamtsleiters sowie Jägers und passionierten Waldfreundes habe ich viel Zeit im Wald verbracht und tue das nach wie vor. Der Wolf ist kein Haustier, aber er gehört auch in naturnahe, mitteleuropäische Wälder und ist eher ungefährlich für Menschen. Jäger habe ich in den letzten Jahren als äußerst bedrohlich wahrgenommen. Bis zur Tätlichkeit und regelmäßigen Schmähungen und Vergrämungsversuchen, habe ich schon alles erlebt. In der Dämmerung und nachts gehe ich nur noch selten in den Wald. Aus Angst vor Jägern, die ich früher nicht haben musste. Das Waldgesetz kennt aber kein nächtliches Betretungsverbot, wie mir Jäger immer wieder weismachen wollten, nebst anderen nicht gesetzlich gedeckten Einschränkungen. Belehre ich die (meist)Herren, schlägt mir eine Aggression entgegen, die das Tragen und Nutzen tödlicher Waffen nicht rechtfertigt und als sehr riskant erscheinen lässt. Jagd ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die viel Zeit u. charakterliche Stärke voraussetzt.

  4. 10.

    Bei solchen Beiträgen frage ich mich stets, was der Wald ohne Mensch und Jäger gemacht hat? Das heutige Deutschland war vor 2000 Jahren fast vollständig von Wald bedeckt. Naturnaher Wald verträgt Wildverbiss gut. Die Tiere gehören dazu. Manche Gehölze benötigen sogar einen gewissen Verbiss, sind also nicht nur angepasst, sondern evolutionär eingestellt auf verbeißende Wildtiere. Wer den ökologischen und wirtschaftlichen Wert des Waldes gleichermaßen nutzen will, braucht naturnahen, mitteleuropäischen Wald mit den dazugehörigen Wildtieren. Dem sollte das Waldgesetz, aber auch das Jagdgesetz gerecht werden.

  5. 9.

    Die Grüne Liga weißt doch darauf hin dass praktisch nur durch Zäune die Schäden nicht so groß sind.
    Ohne diesen Schutz wäre es nicht Weit her mit dem Waldumbau. Ohne den hohen Wildbestand bräuchte es diese Vergeudung von Material, Arbeitszeit und Arbeitskräften nicht. Das die Wildschäden bezahlt werden ist ja schön und gut, den Waldumbau wirft es aber wieder um Jahre zurück.
    In einer Kulturlandschaft muss stärker das Wild reguliert werden. Wenn die Jäger nicht wollen oder können müssen andere zum Zuge kommen.

  6. 8.

    Wölfe und Bären wären ein Regulativ. Nun, ich denke die Wolfsdichte ist mancherorts mehr als ausreichend. Stellen sie sich mal den, hier durchaus berechtigten, Aufschrei bei Meister Petz vor. Einen Wolf kann man durchaus gestikulierend und laut schreiend verjagen - beim Bären machen sie das definitiv nur einmal ... aber rennen sie in beiden Fällen nicht weg. Für einen freilaufenden Braunbären (rd. 500 +/-X KG pure Power)dürfte unsere jetzige Kulturlandschaft und Bevölkerungsdichte eher ungeeignet sein. Beide Vorschläge sind undurchdacht. Es macht auch wenig Sinn Jagdgebiete zu zerstückeln. Die "Viecher" sind sehr lernfähig und werden sich in unbejagte Bereiche zurückziehen. Die Ausführungen des Herrn Schendel haben durchaus ihre Berechtigung und mit "abknallen" eher nichts zu tun. Genau dies haben leider zu oft "hochherrschaftliche Ballerbrigaden" gemacht und das muss vermieden werden.

  7. 7.

    Der Umweltminister sagte, daß eine Einzäunung von Verjüngungsflächen nicht finanzierbar sei. Warum wird hier nicht mehr Geld aktiviert? Soll jetzt Wald- und Wildtiermanagement alleine aus ökonomischen Gesichtspunkten heraus gestaltet werden? Da machen die Naturschutzverbände mit?? Wieso fordert hier niemand mehr Geld? Warum kein landesweites Wildtiermanagement, stattdessen ein Flickenteppich? Gleichzeitig werden (dringend notwendige) Wildtierbrücken über Autobahnen gefördert und gebaut, auch um einen genetischen Austausch zwischen, ansonsten isolierten Beständen, zu ermöglichen. Die Natur ist nicht mit rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erklären und zu schützen. Dies begreiflich zu machen, habe ich eigentlich schon aufgegeben, kann hier aber nicht schweigen.

  8. 6.

    “Die Grünen” haben weder Interesse am Naturschutz noch verstehen sie etwas von jagdlichen oder forstlichen Belangen. Ihre Position ist von einer einseitig ideologischen Ablehnung der Jagd geprägt.

  9. 5.

    Beim lesen des Beitrags spürt man sofort, dass hier echte “Profis” am Werk sind. Viele kennen den Wald nur aus den Karten, ansonsten, Ahnung null! Das ist wie bei den
    Wölfen, die einige als liebenswertes Haustier betrachten.

  10. 4.

    Ob Pflanzenschutz mittels Jagdgesetz, bürokratische Schäden durch Ausweisung von Spreeüberflutungsgebieten oder Niedrigwasser(zuteil)konzept, alles führt zur gefühlten Verschlechterung vom Schreibtisch aus, durch "gönnerhaftes" Zuteilen...Was für eine komische Moral ist das eigentlich, wenn alle Betroffenen unzufrieden sind und nichts Messbares dabei rauskommt (Umbau wegen der Klimakrise verkommt so als Marketingspruch)?

  11. 3.

    Mehr Tiere abknallen bringt eher das Gegenteil
    Solange der Lebensraum die Bewohner versorgt, werden immer neue Bewohner dazu kommen
    Wenn erwachsene Tiere getötet werden fehlt der Konkurrenzdruck für den Nachwuchs, mehr Nachwuchs überlebt und füllt die Lücken, mehr Bewohner sind das Ergebnis
    Es braucht durchdachtere Lösung, zB Wölfe und Bären

  12. 2.

    Schon spannend, dass die Naturschützer mehr Rehe abschießen lassen wollen als die "bösen" Jäger. Da ist die Jägerei wohl doch nicht so antiquiert und überflüssig, wie Tierfreunde es gerne darstellen?

  13. 1.

    Wenn "grünliche" "Verteiler" von der Bekämpfung der "Klimakrise" sprechen, dann kommt dabei heraus, dass die betroffenen Macher und Profis alle unzufrieden sind, weil so die Ziele nicht zu erreichen sind? Und wer spricht hier (nicht) mit wem? Es scheitert schon an der Formulierung messbarer (!) Ziele. Absicht?
    Und die Grüne Liga hat ihre Erkenntnisse woher? ("die Landesforstanstalt ... ,dass 90 Prozent der Verjüngung ...keine oder geringe Verbissschäden von Schalenwild aufwiesen")

    P.S. Merke: grüne Schreibtische verändern nichts, es wird nur schlimmer,... durch Anweisungen...

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