Bilanz zum 1. Mai - Berliner Polizei zählt 29 leicht verletzte Kräfte und 74 Festnahmen

Kleinere Scharmützel gab es auch in diesem Jahr, doch unterm Strich blieb die "Revolutionäre 1. Mai"-Demo friedlich. Polizeipräsidentin Slowik und Innensenatorin Spranger lobten die Polizei. Die präsentierte am Montag ihre Zahlen zu den Einsätzen.
Die Berliner Polizei hat sich nach dem Großeinsatz zum 1. Mai zufrieden gezeigt und vom friedlichsten Maifeiertag seit Jahrzehnten in der Hauptstadt gesprochen. Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte am Montagmorgen, man habe eine noch geringere Gewaltbereitschaft festgestellt als im Vorjahr. Der Abend habe sich "friedliebend" gestaltet, so Slowik auf rbb24 Inforadio.
Sie führte dies unter anderem auf "gute Konzepte der Polizei" zurück, so auch am Kottbusser Tor - aus ihrer Sicht ein "neuralgischer Punkt", da dort eine neue Polizeiwache entstehen soll. Es habe zudem sehr intensive Kooperationsgespräche mit den Veranstaltern gegeben. Man habe bei der geänderten Route auch deren Interessen berücksichtigt. "Gleichzeitig haben wir mit sehr strengen Auflagen sehr klar gemacht: Wir werden auch eindeutig durchgreifen und auflösen", so Slowik.
Polizei zählt 29 leicht verletzte Kräfte
Eine positive Bilanz zog auch Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Sie betonte, dass die Polizei seit Monaten an dem Einsatzkonzept gearbeitet habe und die Routen der Demonstrationszüge sehr genau analysiert worden seien. Auch die Walpurgisnacht sei ruhig verlaufen, betonte die Innensenatorin. Auch die Straßenfeste in Neukölln hätten einen Beitrag "zum sehr guten Verlauf des 1. Mai" beigetragen, sagte Spranger am Montagabend in der rbb24 Abendschau.
Die Berliner Polizei veröffentlichte am Montagnachmittag ihre Bilanz zum 1. Mai. Derzufolge sicherten insgesamt 5.830 Polizistinnen und Polizisten auch aus anderen Bundesländern insgesamt 18 Versammlungen. Alle seien "überwiegend störungsfrei" verlaufen, heißt es in der Pressemitteilung der Polizei. An den Versammlungen nahmen demnach rund 40.000 Menschen teil.
Laut Polizei wurden insgesamt 63 Männer und elf Frauen vorläufig festgenommen, 37 kamen in Polizeigewahrsam, davon wurden 26 Personen einem Richter vorgeführt. Insgesamt wurden 123 Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Widerstands gegen und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Gefangenenbefreiung und gefährlicher Körperverletzung. 29 Einsatzkräfte wurden durch Prellungen und Stauchungen verletzt.
Schwerpunkt war die "Revolutionäre 1. Mai-Demo"
Knapp die Hälfte der Festnahmen sowie 96 Ermittlungsverfahren stehen in Zusammenhang mit der "Revolutionären 1. Mai-Demo", die um 18:30 Uhr am Hertzbergplatz in Neukölln gestartet war. Der Großteil der Festnahmen ereignete sich laut Polizei am Ende der Demonstration - am Zielpunkt Oranienplatz.
Ermittlungsverfahren wurden auch in Zusammenhang mit dem Eierwurf auf die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Nachmittag während ihrer Rede auf einer DGB-Kundgebung am Brandenburger Tor eingeleitet. Ermittelt wird wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gegen Personen des politischen Lebens gerichteter Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung. Die Polizei sucht noch den Täter. Dazu würden Zeugen befragt und auch Videos gesichtet, sagte eine Sprecherin der Polizei.
Vereinzelte Rangeleien in Kreuzberg
Rund 14.000 Menschen waren nach Schätzungen der Polizei bei der traditionellen 1. Mai-Demonstration linker und linksradikaler Gruppen durch Berlin gezogen. Die Veranstalter sprachen von etwa 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Größere Ausschreitungen blieben dabei aus.
Vereinzelt kam es aber zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizei, zum Finale am Oranienplatz in Kreuzberg kippte die Stimmung. Es flogen Flaschen und es gab Böllerwürfe auf Polizisten, wie rbb-Reporter beobachteten. Einsatzkräfte der Polizei setzten Reizgas ein. Auch bengalische Feuer waren zu sehen. Slowik sprach von rund 500 gewaltbereiten Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem linksextremistischen Spektrum.
Innensenatorin Spranger hatte einige Tage vor dem 1. Mai noch gesagt, dass sie am Abend auch mit Gewaltausbrüchen rechne. Im vergangenen Jahr gab es mehr als 350 Festnahmen und fast 100 verletzte Polizisten.
Etwa 200 pro-palästinensische Demonstranten
Der Protestzug vom Hertzbergplatz in Neukölln zum Oranienplatz in Kreuzberg wurde angeführt von einem Block vor allem türkisch- und arabischstämmiger Migranten als "Migrantifa". Zudem beteiligten sich zahlreiche pro-palästinensische Gruppen. Diesen galt ein besonderes Augenmerk der Polizei. Denn die Behörden hatten aus Sorge vor antisemitischen Vorfällen eine für Freitag geplante Demonstration pro-palästinensischer Initiativen verboten - die Gerichte hatten diese Entscheidung bestätigt.
Viele Menschen schwenkten am Sonntag Palästina-Fahnen, andere skandierten "Free Palestine". In mehreren Reden wurde scharfe Kritik an der Politik Israels geäußert. Auch die Parole "Palestine will be free from the river to the sea" (deutsch: "Palästina wird vom Fluss bis zum Meer frei sein") war zu hören.
Es habe einen Block von etwa 200 pro-palästinensischen Demonstranten gegeben, sagte Slowik. Sie habe im Netz "einzelne israelfeindliche Videos natürlich wahrgenommen". Die Polizei arbeite das nun auf, "Null Toleranz bei antisemitischen Äußerungen", bekräftigte Slowik. Ob wie vor dem 1. Mai weitere Demonstrationen von pro-palästinensischen Gruppen verboten werden, ließ sie offen.
Derweil wurden laut Polizei keine strafrechtlich relevanten Ereignisse wie antisemitische Parolen bei der Demonstration am 1. Mai festgestellt, wie die Behörde am Montagnachmittag mitteilte. Hinweisen zu solchen etwaigen Vorkommnissen werde aber weiter nachgegangen.
Koalition und auch Opposition bewerten Verlauf positiv
Politiker aus der rot-grün-roten Koalition und auch aus der Oppostion zeigten sich überwiegend zufrieden mit dem Verlauf des Maifeiertages.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Frank Balzer, lobte die Polizei. Sie hätte den Demonstrationszug souverän begleitet. Die Strategie der Umlenkung der Route durch engere Straßen habe funktioniert. Im Vorfeld hatte es Bedenken gegeben, dass es dadurch zu Problemen kommen könnte. Allerdings sagte Balzer auch, dass man angesichts brennender Autos, Festnahmen und verletzter Polizisten "noch weit von einem friedlichen ersten Maifeiertag entfernt" sei. Von der FDP hieß es, man habe gemerkt, die Polizei habe sich gut auf den 1. Mai vorbereitet.
Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, sagte, er begrüße, dass die Polizei zurückhaltender und ruhiger vorgegangen sei als zuletzt. Im vergangenen Jahr sei der Einsatz massiver und teilweise unverhältnismäßig gewesen.
Der Berliner AfD-Innenpolitiker Karsten Woldeit betonte dagegen, die Mai-Demo sei "zwar friedlicher als in den Vorjahren, aber eben nicht wirklich friedlich" gewesen. Berlin sei "von normalen Zuständen bei der inneren Sicherheit immer noch weit entfernt".
Sendung: Abendschau, 02.05.22, 19:30 Uhr