Prognose fürs kommende Schuljahr - Berlin fehlt pro Schule im Schnitt eine Lehrkraft

In Berlin gibt es nicht genug Lehrerinnen und Lehrer, seit Jahren schon. Im neuen Schuljahr wird die Lücke sogar noch größer, prognostiziert die Bildungsverwaltung. Die verantwortliche Senatorin Busse will die neu eingestellten Lehrer besser verteilen.
Die Berliner Bildungsverwaltung rechnet laut einer am Dienstag bekannt gewordenen Prognose mit 920 offenen Lehrerstellen im neuen Schuljahr. Damit könnte laut Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) im Schnitt an jeder Schule ein Lehrer fehlen.
Ein Grund für die Personallücke ist der bundesweite Lehrermangel. Die Schülerzahlen in Berlin dagegen steigen der Senatorin zufolge am stärksten. Sie rechnet nach eigenen Angaben damit, dass im neuen Schuljahr mehr als 900 Lehrerstellen nicht besetzt sind. Die Lücke würde damit gegenüber vergangenem November um 300 Stellen größer. Nach Einschätzung der Gewerkschaft Erzieung und Wissenschaft (GEW) werden sogar mehr als 1.000 Lehrer fehlen.
Senatorin will Lehrer besser verteilen
Während die Bewerberzahlen ausgebildeter Lehrer der Bildungsverwaltung zufolge ungefähr gleich blieb, geht die der Quereinsteiger gegenüber dem Vorjahr zurück. Busse will die Lehrkräfte besser verteilen, etwa durch freiwillige Schulwechsel von Lehrerinnen und Lehrern. "Es wird auch Schulen geben, die etwas abgeben müssen", sagt sie.
Eine bessere Verteilung strebt sie auch bei Neueinstellungen an. So sollen zu Einstellungsrunden in sogenannten Lehrer-Castings die Schulen mit dem größten Bedarf eingeladen werden. Unterstützt werden sollen die Schulen zudem durch multiprofessionelle Teams, künftig auch etwa mit Logo- und Ergotherapeuten.
Schulleiter befürchten faktische Stundenkürzungen
Der Regelunterricht werde abgedeckt, versicherte die Bildungssenatorin. Stephan Witzke, der Vorsitzende des Berliner Grundschulleiterverband, zeigte sich dagegen skeptisch: "Wie soll ich Schwimmunterricht anbieten, wenn ich keine Schwimmlehrer habe? Wie soll ich Sportunterricht anbieten, wenn ich keine Fachleute habe?" Sven Zimmerschied von der Sekundarschulleitervereinigung sagte, er befürchte im Zuge der Umverteilung eine faktische Stundenkürzung.
Die Bildungssenatorin sieht angesichts des Lehrermangels außer der Umverteilung unter anderem vor, dass Lehrkräfte leichter ihre Unterrichtsstunden aufstocken können. Sie müssten das nicht mehr rund acht Monate im Voraus ankündigen.
Die Bildungsexpertin der oppositionellen CDU-Fraktion, Katharina Günther-Wünsch sagte, sie finde es wichtig, schnell mit Teilzeitkräften über Stundenaufstockungen ins Gespräch zu kommen. Eine Möglichkeit sei, dass sie sich darauf zunächst nur für ein Halbjahr festlegen, "damit sie sehen können, ob sie damit zurechtkommen". Günther-Wünsch kritisierte, der Lehrermangel sei lange vorhersehbar gewesen.
Der Vorsitzende der GEW Berlin, Tom Erdmann, warf der Bildungsverwaltung vor, "ideenlos" zu agieren. Sie konzentriere sich zu sehr auf die Verbeamtung, statt eine massive Ausbildungsoffensive zu starten.
Auch Bildungsexperten in der Koalition kritisierten, dass die Rückkehr zur Verbeamten frührestens im übernächsten Schuljahr eine Entlastung bringen werde. Dagegen sieht die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey die Verbeamtung nach eigenen Angaben als einen Teil der Lösung. Im vergangenen Jahr habe Berlin 700 Lehrer an andere Bundesländer verloren, weil sie dort verbeamtet worden seien.
Sendung: Abendschau, 24.05.2022, 19:30 Uhr