Bericht 2021 der Informationsstelle RIAS - Drei antisemitische Vorfälle in Berlin - und zwar pro Tag

Di 24.05.22 | 22:08 Uhr
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Ein Hakenkreuz und ein durchgestrichener Davidstern sind an einer Gedenkstätte zu sehen. (Quelle: dpa/Daniel Reinhardt)
Bild: dpa/Daniel Reinhardt

Die Zahl antisemitischer Vorfälle ist erneut gestiegen: Sachbeschädigungen, Bedrohungen, antisemitische Massenzuschriften und Gewalt. Einschränkungen in der Datenerhebung behindern aber die genaue Betrachtung der Entwicklung.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hat in Berlin für das Jahr 2021 insgesamt 1.052 antisemitische Vorfälle dokumentiert.

Erfasst wurden dabei 22 Angriffe, 28 Bedrohungen, 43 Sachbeschädigungen, 895 Fälle von "verletzendem Verhalten" sowie 62 antisemitische Massenzuschriften, wie die Forschungs- und Dokumentionseinrichtung am Dienstag mitteilte. Zum ersten Mal seien zudem zwei Fälle von "extremer Gewalt" bekannt geworden, sagte Rias-Geschäftsführer Benjamin Steinitz. Das seien physische Angriffe, die schwere Körperverletzungen oder den Tod eines Menschen zur Folge haben könnten.

Einer der Schwerpunkte für Angriffe: das Internet

Mehr als die Hälfte der erfassten Fälle passierten im Internet, etwa in den sozialen Medien oder per Mail. 181 antisemitische Vorfälle wiesen den Angaben zufolge explizit auf das Aufflammen des palästinensisch-israelischen Konflikts im Frühjahr 2021 hin - davon allein rund 80 Prozent im Mai (145), als es viele anti-israelische Demonstrationen von Palästinenser-Gruppen gab. Mehr als 250 Vorfälle hatten den Angaben zufolge einen Bezug zur Corona-Pandemie.

Datenschutz verhindert genaue datenbasierte Entwicklungsbeobachtung

Im Jahr 2020 waren in Berlin 1.019 antisemitische Vorfälle erfasst worden, 2019 waren es 886. Ein direkter Vergleich mit den Vorjahren sei aber schwierig, erklärte Steinitz. Er sprach davon, dass er für 2021 mit bis zu 1.472 Vorfällen rechne. Hintergrund dieser - von der offizielen Statistik deutlich abweichenden - Zahl ist es, dass wegen eines fehlenden Datenabgleichs mit der Polizei nicht klar ist, wie viele dort erfasste Fälle schon in den 1.052 von der Zivilgesellschaft gezählten Fällen enthalten sind. Mit der Begründung des Datenschutzes hat die Polizei entgegen der früheren Praxis eine Auskunftssperre gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen verhängt.

Berlin drohe so seine Vorreiterrolle bei der Sichtbarmachung von Antisemitismus zu verlieren, warnte Steinitz. Er sprach von einem Rückschritt bei der Erhellung des Dunkelfeldes. Ein klares Bild sei indes nötig. Die mehr als 1.000 gezählten Vorfälle entsprechen rund drei Vorfällen am Tag. Betroffen sind laut Steinitz alle Berliner Stadtbezirke und alle gesellschaftlichen Milieus. Die beiden Gewaltvorfälle mit Schüssen auf ein jüdisches Gemeindehaus und einer brutalen körperlichen Attacke auf einen Mann in Spandau zeigten eine potenziell tödliche Gefahr auf.

Nach Angaben der Experten gab es eine signifikante Häufung im Mai 2021. Die Covid-19-Pandemie und die Eindämmungsmaßnahmen hätten häufig einen Vorwand für antisemitische Handlungen geliefert. Die Relativierung, Verharmlosung und Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen sei "ein signifikanter Bestandteil des antisemitischen Grundrauschens in der Bundeshauptstadt".

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.05.2022, 16:20 Uhr

2 Kommentare

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  1. 2.

    Statistik gut und schön. Aber nur Zahlen nützen wenig, wenn nicht gleichzeitig die Ursachen aufgedeckt werden.
    Die Täter sind keine Alien die vom Himmel fallen, sondern Bürger, Nachbarn und Kollegen.
    Also warum lässt es die Gesellschaft zu, dass sich derartige Kräfte entwickeln und welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus?

  2. 1.

    „Datenschutz verhindert genaue datenbasierte Entwicklungsbeobachtung“ - Das ist eine Ausrede wenn man nicht genau wissen will, wer der „Treiber“ ist. Oder aber man weiß es, aber ... Ohne Rücksicht auf Stand und Herkunft muss Aufklärung möglich sein. Das ist dann auch gleichberechtigt und divers.

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