Fehlende Wahlzettel, späte Abstimmungen - Verfassungsgericht will im September über Pannen bei Berlin-Wahlen verhandeln

Waren die Störungen bei den Wahlen in Berlin derart gravierend, dass neu abgestimmt werden muss? Dieser Frage will das Landesverfassungsgericht im September nachgehen. Unterdessen wehrt sich die zuständige Wahlleiterin gegen Kritik.
Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat erstmals einen ungefähren Zeitplan zu erkennen gegeben, bis eine Entscheidung zu den Fehlern der Wahlen im September gefallen sein könnte. Demnach will das Gericht Ende September mündlich über die Beschwerden an der Organisation der Wahlen verhandeln. "Die Ladungen hierfür sollen in den kommenden Wochen versandt werden", teilte das Gericht am Dienstag mit.
Mit Hochdruck arbeite der Verfassungsgerichtshof daran, die Einsprüche gegen die Abgeordnetenhaus-Wahl und die Bezirksverordneten-Wahlen zu prüfen. Das erklärte eine Sprecherin auf Anfrage des rbb. Demnach liegt dem Gericht die etwa 20-seitige Stellungnahme der Landeswahlleiterin Ulrike Rockmann vor. Diese musste ihre Beurteilung der Wahl bis vergangenen Montagabend einreichen.
Landeswahlleiterin: "Dass Berlin Wahlen nicht kann, ist zu harsch"
Dazu kommen weitere Stellungnahmen von Betroffenen, außerdem Protokolle aus allen 2.257 Berliner Wahllokalen, wiederum jeweils zehn bis 20 Seiten. Jedes einzelne Schriftstück werde vom Verfassungsgerichtshof ausgewertet, so die Sprecherin. "Daran arbeiten alle neun Verfassungsrichterinnen und -richter sowie zahlreiche wissenschaftliche Mitarbeiter:innen." Das Verfahren habe höchste Priorität.
Die zuständige Landeswahlleiterin Rockmann wehrte sich unterdessen gegen die Kritik des Bundeswahlleiters. "Pauschal zu sagen, alles ist nicht gut gelaufen, ist der Sache nicht dienlich", sagte sie dem rbb. "Und vor allen Dingen dient es auch nicht der Entscheidung, ob jetzt irgendwas mandatsrelevant ist oder nicht."
Immer wieder habe Berlin gezeigt, dass Wahlen hier problemlos abliefen. "Sicherlich hat es den einen oder anderen auch schweren Fehler gegeben", so Rockmann. "Aber dass Berlin Wahlen nicht kann, das ist eine zu harsche Kritik."
Georg Thiel hatte im Bundeswahlausschuss am Dienstag von "einem kompletten und systematischen Versagen der Wahlorganisation" in Berlin gesprochen. Thiel plädiert für eine Wiederholung der Wahlen, zumindest in Teilen. Rockmann sagte hingegen, sie halte die Mängel für nicht so gravierend, dass erneut abgestimmt werden müsse.
Verfassungsrechtler Pestalozza sieht kein "systematisches Versagen"
Der Verfassungsrechtler Christian Pestalozza bezeichnete die Kritik ebenfalls als "überzogen". Es stehe Thiel in "keiner Weise zu", so über den Wahlvorgang "herzuziehen", sagte er dem rbb. Die Pannen an sich, vertauschte und fehlende Wahlzettel, sowie die verspätete Schließung von Wahllokalen, schätzte Pestalozza als "Pannen auf unterster Ebene" ein, als kleinere und größere Versäumnisse in einer Wahl-Routine. Dies sei kein "systematisches Versagen".
Bundestag muss über Wiederholung entscheiden
Als mögliche Verbesserungen will Rockmann die Briefwahl künftig zentraler durchführen. "Das ist bisher für die Bezirke ein hoher Personalaufwand, das kann besser gemacht werden." Auch die Schulung der Wahlhelfenden müsse verbessert werden. Insgesamt müsse es mehr gewertschätzt werden, wenn sich Menschen für die Demokratie engagieren, so Rockmann. Die Berliner CDU hat einen Wahlhelfer-Bonus von 100 Euro vorgeschlagen.
Über die mögliche Wiederholung der Bundestagswahl in einigen Berliner Wahlkreisen muss der Bundestag entscheiden. Der Wahlprüfungsausschuss will voraussichtlich vor der Sommerpause keine Entscheidung mehr über den Einspruch des Bundeswahlleiters fällen, teilte der Bundestag am Mittwoch mit. Hier ist Einspruch vor dem Bundesverfassungsgericht möglich. Für die Abgeordnetenhauswahl ist hingegen der Berliner Verfassungsgerichtshof die letzte Instanz. Gegen dessen Urteil ist kein Widerspruch mehr zugelassen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 25.05.2022, 15.20 Uhr
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