Nach Kritik der GEW - Bildungsverwaltung stoppt Tattoo-Fragebögen für Berliner Referendare

Fr 06.05.22 | 14:03 Uhr
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Tattoo unter einem T-Shirt (Quelle:www.picturedesk.com/Robert Jäger)
Audio: Radio Fritz | 06.05.22 | Philipp Boerger | Bild: www.picturedesk.com/Robert Jäger

Rolle rückwärts der Bildungsverwaltung: Angehende Lehrer in Berlin sollten angeben, welche Tattoos sie tragen. Damit sollte sichergestellt werden, keine Extremisten zu verbeamten. Nach deutlicher Kritik von mehreren Seiten hat die Senatorin diese Pläne nun gestoppt.

Referendare im Berliner Schuldienst müssen nun doch nicht schriftlich mitteilen, ob sie Tattoos haben und wenn ja, wo und welche. Ein entsprechender Fragebogen, in dem solche Daten erhoben wurden, komme nicht mehr um Einsatz, bestätigte Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) am Freitag dem rbb. "Das Schreiben aus meinen Haus war in seiner inhaltlichen Ausgestaltung deutlich zu weitgehend. Deshalb habe ich es auch sofort gestoppt", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Position, Größe und persönliche Bedeutung sollten abgefragt werden

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin hatte der Bildungsverwaltung vorgeworfen, von Referendaren rechtswidrig Angaben zu Position, Größe und persönlicher Bedeutung der Tätowierungen zu verlangen sowie Fotos aller Tattoos.

"Als angehende Lehrerin hätte ich mich über solch ein Schreiben ebenfalls mehr als gewundert. Unser Ziel ist es, möglichst viele qualifizierte Lehrkräfte für Berlin zu gewinnen", sagte Busse weiter. "Da sind solche in die Privatsphäre eingreifenden Schreiben nicht förderlich, selbst wenn in Deutschland andere Behörden das so handhaben." An dieser Praxis habe sich die Fachebene der Bildungsverwaltung zunächst orientiert.

Gewerkschaft sah "rechtswidrige Gewissensüberprüfung"

Der Senat wollte damit sicherstellen, dass ab kommendem Schuljahr keine Lehrerinnen und Lehrer verbeamtet werden, die Nazi-Tattoos oder andere verfassungsfeindliche Symbole am Körper haben. Man sei wie andere Bundesländer gehalten, einen Weg zu finden, um dies sicherzustellen. "Wir überarbeiten das Verfahren jetzt zügig", sagte Busse weiter.

Die GEW hatte in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung kritisiert, selbst Intim-Tattoos seien nicht ausgenommen worden und die detaillierten Abfragen als unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte zurückgewiesen. GEW-Vorstandsmitglied Udo Mertens nannte das Vorgehen eine "rechtswidrige Gewissensüberprüfung per Hautscreening". Dass die Angaben auch noch vom Amtsarzt überprüft werden sollten, schlage dem Fass den Boden aus.

CDU fordert Entschuldigung

Nach der Kehrtwende der Bildungsverwaltung fordert die Berliner CDU von Bildungssenatorin Busse eine Entschuldigung. "Dass SPD-Bildungssenatorin Busse erst nach lauten öffentlichen Protesten darauf verzichtet, spricht nicht für ihre Einsicht", kritisierte die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Katharina Günther-Wünsch. Sie habe mit ihrem Zaudern Vertrauen zerstört und allen Bemühungen zur Lehrergewinnung geschadet. "Frau Busse sollte sich dafür entschuldigen", so Günther-Wünsch.

Sendung: Inforadio, 06.05.22, 11:20 Uhr

18 Kommentare

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  1. 18.

    Das fragt man sich ! Zumal das wohl keine Entscheidung von einem Einzelnen war sondern mind. eine Dienstanweisung, die der Zustimmung einiger bedarf.

  2. 16.

    Die Privilegien oder eineJob bekommen zu wollen, darf einen AG aber nicht zu allem berechtigen. Auch hierfür muss es Grenzen geben. Irgendwo fängt auch das Persönlichkeitsrecht an. Bei Staatsdienern geht es in diesem Zusammenhang eher um sichtbare Zeichen, denn die Gesinnung lässt sich ohnehin nicht sicher feststellen. Was die Kleidung bedeckt darf Privatsache sein und muss es auch bleiben. Für den Rest muss das Führungszeugnis genügen.

  3. 15.

    Da wird so mancher in die Zwickmühle gezwängt, der den Job aber gerne hätte..

  4. 13.

    Bei den Lehrern gibt es aber keine "Tauglichkeitsuntersuchung" oder Sporttest wie bei Polizei und Feuerwehr - soweit mir bekannt. Da ist dann weder ein Striptease vor Herr/Frau Doktor erforderlich, noch kann irgendetwas "anrüchiges" unter der Sportkleidung hervorlinsen. Wenn ein entsprechendes Tattoo dabei beanstandet wird, läuft das doch dann eher unter der Rubrik "Shit happens". Es sind also faktisch völlig andere Voraussetzungen und - Grundsatz - Niemand muß sich selbst belasten.

  5. 12.

    Ich verstehe den Aufschrei nicht. Bei Feuerwehr und Polizei erfolgt dies auch, warum bei Lehrern dann nicht ? Es sind genauso Beamte in besonderer Stellung und Wahrnehmung.

  6. 11.

    Vielleicht sollte man stattdessen den Verantwortlichen für diese erschreckenden Pläne vom Amtsarzt den Tassenbestand untersuchen lassen.

  7. 10.

    Viel wichtiger wäre es weitaus stärker als bisher drauf zu achten, was im Kopf so manches "Bediensteten" vorgeht. Da wird, vor allem nachträglich, durch Behörden sehr viel "aufgehübscht" oder kleingeredet. Auch so eine Sache, die dem Staatsbürger nicht egal sein sollte.
    Eine Peepshow von Amts wegen, bei der der Betreffende Fotos von seinen Tattoos (inkl. der Körperegionen) einreichen, die auch noch beschreiben und erklären soll(te), ist ein in höchstem Maße zweifelhaftes Unterfangen, gar ein Affront gegen die Menschenwürde.

  8. 9.

    Es ist schon befremdlich. Auf der einen Seite ist die Idee aufgekommen, einen so tiefgreifenden Eingriff in die Privatsphäre der Lehramtsanwärter:innen vorzunehmen, um die Schulen vor verfassungsfeindlichen Ideologien zu schützen, nachdem man 18 Monate lang mit den Menschen unmittelbar gearbeitet hat. Auf der anderen Seite haben alle PoC, die ich in der Lehramtsausbildung kennengelernt habe, in ihren Ausbildungsseminaren Erfahrungen mit Rassismus gemacht.

  9. 8.

    Das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole, gleichgültig ob als Kleidungsstück oder auf der Haut, lässt die Frage nach der Verfassungstreue entstehen. Ist diese nicht gewährleistet, kommt eine Verbeamtung nicht in Betracht. Da hilft aus meiner Sicht auch kein Abwarten bis zur Lebenszeitverbeamtung, da fehlende Gewähr der Verfassungstreue die Entfernung aus dem Dienst nach sich ziehen kann und sollte. Natürlich muss der Staat bei der Ermittlung der Verfassungstreue verhältnismäßig vorgehen. Es sollte uns als Staatsbürger*innen aber nicht egal sein, ob jemand auf der Haut kundtut, wenn er oder sie eine gegenteilige Gesinnung unterstützt. Das geht mir hier in der Debatte gerade etwas verloren.

  10. 7.

    Lächerlich, da steht also "Alles dingens außer Mutti", und der Martin muss das dann angeben, mit der "persönlichen Bedeutung"? Oder der andere hat dort stehen Marleen - Jeanett - Mia - Sebastian - Holger - Paula und muss sich dann für den Sebastian und den Holger rechtfertigen? Und die meinten WIRKLICH, dass man SO Rechtsausleger fängt? Weia, wie Realitäts-entrückt kann man nur sein.....

  11. 6.
    Antwort auf [Beobachter] vom 06.05.2022 um 14:44

    Richtig. Und die richtigen knallharten Führungskräfte bei denen haben gar keine äusseren Merkmale. Die tragen ihre Gesinnung im Kopf und nicht auf der rechten Po-Backe.

  12. 5.

    Bei den allermeisten Tattoos stellt sich eh die Frage nach einem Sinn. Aber solche Fragen sind privat! Für Fragen des Arbeitgebers nach der Einstellung des Bewerbers zum Demokratieverständnis und zur Grundgesetztreue taugen Tattoos als Marker ja nun überhaupt nicht. Überlegt da überhaupt jemand in den Amtsstuben, bevor solche Aktionen rausgehauen werden?

  13. 4.

    Manche haben Tattoos und Piercings im Intimbeteich. Was geht das bitte schön die Verwaltung an.

  14. 3.

    Kann man streiten , ob diese Frage in Bezug Tätowierung sinnvoll war, wobei ich aber auch dachte, dass man zukünftige Beamte schon genauer auf Gesundheit, Eignung etc. prüft. Darum finde ich es eigentlich schon richtig genauer hinzuschauen, wer Staatsdiener mit vielen Privilegien werden will.

  15. 2.

    Man muss ja eher fragen, wes Geistes Kind die Menschen sind, die sich sowas ausdenken. Man sollte schon das gesamte Grundgesetz kennen. Nicht nur die Artikel, die in den Kram passen.

  16. 1.

    Boah krass, das hätte ich im Leben nicht ausgefüllt trotz nicht vorhandener Tattoos. Vor allem könnte jeder der es wollte, sich nachträglich ein Tattoo machen lassen.

    Ohne Worte

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