Gesetzesentwurf rechtlich unzulässig - Senat erteilt Volksbegehren "Berlin autofrei" Absage

Di 17.05.22 | 15:11 Uhr
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Eine Weste und eine Fahne mit dem Logo des Volksentscheids "berlin autofrei" (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Audio: Inforadio 17.05.2022 | Jan Menzel | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Die Initiative "Berlin autofrei" möchte mit einem Volksbegehren nahezu den gesamten privaten Autoverkehr innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings lahmlegen. Der Senat hält das rechtlich für nicht zulässig und hat einen Gesetzesentwurf dazu abgelehnt.

Der Senat hat dem Volksbegehren "Berlin autofrei" eine Absage erteilt.

Wie erwartet werden für die Ablehnung rechtliche Bedenken geltend gemacht. Außerdem sei eine gesamtstädtische Verkehrspolitik erforderlich, die sich nicht einseitig auf die City konzentriere.

Die grundsätzlichen Ziele des Volksbegehrens wie mehr Flächengerechtigkeit, Verkehrssicherheit und Klimaschutz würde man zwar teilen, heißt es zur Begründung. Die Senatspolitik sei auch darauf ausgerichtet, den individuellen Autoverkehr zu reduzieren, das Bus- und Bahnangebot ausbauen und das Radwegenetz zu erweitern. Das Volksbegehren werde die Mobilitätswende in der ganzen Stadt aber nicht beschleunigen.

Senat befürchtet Verlagerung des Autoverkehrs

Die federführende Verkehrsverwaltung der grünen Umweltsenatorin Bettina Jarasch argumentiert damit, dass der Gesetzentwurf des Volksbegehrens in "vier Jahren nahezu alle Straßen der Berliner Umweltzone zu autoreduzierten Straßen" machen wolle. Busse, Taxis sowie Einsatz- und Servicefahrzeuge dürften weiter ungehindert fahren. Für Fahrten mit dem eigenen Auto wäre eine Sondererlaubnis erforderlich. Die Probleme des Autoverkehrs würden mit diesen weitgehenden Sperrungen "in die äußeren Stadtteile verlagert", befürchtet die Verkehrsverwaltung.

Die ebenfalls beteiligte Innenverwaltung stuft den Gesetzentwurf zudem als rechtlich nicht zulässig ein. Die Einschränkungen für Autofahrer seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, weil sie unverhältnismäßig stark in die allgemeine Handlungsfreiheit eingriffen. So sollen laut Gesetzentwurf die zulässigen Privatfahrten auf zunächst 12 und später 6 Fahrten pro Jahr beschränkt werden. Das sei "zu starr und zu gering", befindet das Haus von SPD-Innensenatorin Iris Spranger.

Initiative weiterhin optimistisch

Formal hat der Senat am Dienstag dem Abgeordnetenhaus empfohlen den Gesetzentwurf nicht anzunehmen. Die Innenverwaltung wird das Volksbegehren nun dem Verfassungsgerichtshof des Landes zur juristischen Prüfung vorlegen.

Trotz der Ablehnung durch den Senat zeigt sich die Initiative "Berlin autofrei" optimistisch. Die Prüfung durch das oberste Gericht sei eine Chance für die Verkehrswende. Der Senat agiere mutlos, so die Kritik der Initiative. Unverhältnismäßig sei nicht das Volksbegehren, sondern wie viel Platz Autos derzeit in der Stadt beanspruchen würden. "Es gibt kein Grundrecht auf grenzenloses Autofahren", betonte die Sprecherin von "Berlin autofrei", Marie Wagner.

Sendung: Inforadio, 17.05.2022, 14:25 Uhr

44 Kommentare

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  1. 44.

    Solche Kommentare sind auch völlig idiotisch. Weniger Autos gleich Mittelalter? Hä?

  2. 43.

    Dieses Volksbegehren ist auch vollkommen idiotisch.
    Wir können nicht zurück ins Mittelalter.

  3. 42.

    "Läßt sich elektromobil mit dem Lastenfahrrad etc. viel effizienter lösen .." - bei jedem Wetter? Brauchen wir noch mehr "Klimawandel", damit "Italienwetter" dafür kommt? Und das Jugendamt, wenn die Kinder ungesichert "drin" sitzen?
    Hier mal ein ganz "ungewöhnlich unorthodoxer" "linksgrün*innen" Vorschlag: "Eintrittsgeld für die Innenstadt" für Alle, nach Höhe des Einkommens...

  4. 40.

    "Die Einschränkungen für Autofahrer seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, weil sie unverhältnismäßig stark in die allgemeine Handlungsfreiheit eingriffen."

    Wenn man das mit der Wohnungspolitik vergleicht, dann ist dem Senat die Bewegungsfreiheit mit dem Auto wichtiger als bezahlbarer Wohnraum.
    Ziemlich zynisch, weil man das Auto ja nicht als Wohnraum benutzen darf.
    Parkplätze sind auch gigantische Flächen wo ein Haus stehen könnte. Es ist schon mal ein guter Schritt wenn wir jeden Parkplatz in der Stadt Gebührenpflichtig machen, denn dann dürfen die, die Spalter brüllen, für ihre eigene Kostenauslagerung und Flächennutzung zahlen und es nicht allen anderen Stadtbewohnern überhelfen. Dann haben sie zwar immer noch keinen Grund Spalter zu rufen, aber lassen sich wenigsten weniger von der Masse der Menschen alimentieren die sie Spalter nennen.

  5. 39.

    Der Slogan dieser Akteure ist so lebensfremd wie sinnlos. Es wird immer eine Form des indivuellen Straßenverkehrs mit KfZ in Berlin geben. Weniger Fahrzeuge in den Innenstadtbereichen wäre super, geht aber nur über die Schaffung einer vernünftigen Infrastruktur für Fußgänger, Radfahrer und den Ausbau vom ÖPNV. Und die reine Verlagerung des KfZ-Verkehres in die Außenbereiche ist von den Akteuren egoistisch gedacht. Wie so vieles im Leben diktieren Egoismen und Dogmen diese Debatte ohne echte Kompromissbereitschaft von denen.

  6. 38.

    Kampagnengängig mag es ja sein, doch ich selber habe schon immer meine Schwierigkeiten damit, etwas als "frei" zu bezeichnen, was in Wirklichkeit treffender reduziert ist und auch nur sein kann.

    Doch es ist im Prinzip schon eine ältere Geschichte, vor inflationärer Einführung von Kampagnen und PR:
    Holzfreies Papier weist wenig Holz auf, holzfrei ist es nicht. Im Lebensmittelbereich ist es mit vielen deklariert freien Stoffen so.

    Alles für einen Umbau an Flächen! Zuallererst dort, wo die Verkehrsströme quasi naturgemäß sowieso zusammenlaufen: Das maximal Mögliche auf die Schiene, das Geringstmögliche auf Individualverkehrsmittel. Das Auto ist dabei dasjenige, was den wertvollen innerstädtischen Platz am Stärksten belegt und damit blockiert. Es gilt, die Maße allein schon aus stadtgestalterischen Gründen zu ändern.

  7. 37.

    Bestimmt sind bald die noch geltenden Grenzwerte für Schadstoffe bezüglich der Luftreinhaltung rechtlich nicht mehr zulässig! Die WHO hat diese bereits um ca. 30% gesenkt, und die EU will die neuen Grenzwerte für die Luftreinhaltung übernehmen. Wie will der Senat diese Luftreinhaltungsgrenzwerte rechtzeitig einhalten? Oder muss dann die Deutsche Umwelthilfe erst wieder gegen die Landes- bzw. Stadtregierung klagen?
    @Senat Wie haltet ihr es mit der Prävention und dem Gesundheitsschutz? Sollen wir dann auch draußen Masken tragen, um die Giftstoffe nicht einzuatmen?

  8. 35.

    Dass sich der Straßenverkehr sich in irgendeiner Form weiterentwickelt, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber das ist nicht der Punkt für mich: Erschreckend ist es für mich, dass es Menschen gibt, die unbedingt wissen wollen, woher ich komme oder wohin ich gehe und dass noch überwachen wollen. Als bei einem Stand er Unterschriftenaktion ich die Menschen fragte, wohn denn die schon vorhandenen Fahrzeuge abgestellt werden sollen, wurde mir geantwortet, die können sich doch bei den "Assis" in Marzahn hinstellen. Das ist meiner dass, was die Politik im letzten Jahrzehnt geschafft hat, diese Stadt zu spalten. Und damit nehme ich niemanden aus. Aber weiter zum Thema: Ich bin fast 60 Jahre alt und erinnere mich an die Erzählung meines Vaters, der Anfang der 50er Jahre bei der Kasernierten Volkspolizei in Blumberg (heute BuPol) gedient hat. Ende Teil 1 (Teil 2 folgt, hoffentlich)

  9. 33.

    Wenn die Berliner spd nicht total schmerzfrei wäre, würde sie spätestens jetzt, wenn sie sieht von wem sie bejubelt wird, ins grübeln kommen.
    Da wird fröhlich gelb und schwarz gemischt und das Resultat als rot ausgegeben.
    Kann man machen. Geht aber auf Dauer nicht gut.
    Die Erfolge der vorgeblich linken Grünen kommen nicht von ungefähr.

  10. 32.

    Ein richtiges Volksbegehren sollte immer die beiden Antworten haben JA und NEIN, ansonsten ist es eifach die kleinste Minderheit die der Mehrheit ihren Willen andreht. Da ist keine Demokratie, sondern DDR2.1, die stelle Mehrheit sollte endlich erwachen und laut, sehr laut werden. Es ist Zeit.

  11. 31.

    50000 Unterschriften bei 3000000 Millionen Einwohner ist klar wo die Mehrheit ist. Demokratie sollte immer auf Mehrheiten beruhen. Leider ist es oft umgekehrt. Darf ich als Brandenburger auch 12 Fahrten im Jahr in die Innenstadt machen, z. Bsp. ins Theater. Kann ich dann die Fahrten die ich nicht verbrauche meistbietend versteigern. Allein diese Detailfragen zeigen was für ein Unsinn hier gefordert wird

  12. 30.

    Der Trend wird eindeutig in Richtung autofreier Innenstädte gehen. Die Frage ist nicht ob sondern nur wie schnell.

  13. 28.

    Wie sie ein generelles Tempolimit von 30 km/h mit der Forderung nach einem massiven Ausbau des ÖPNV unter einen Hut bekommen wollen, erschließt sich mir nicht im Ansatz. In meinen Augen ist das einer der offensichtlichsten Widersprüche der Ideologen, die den motorisierten privaten Individualverkehr am liebsten komplett einstampfen würden.
    In meiner Logik widersprechen sich beide Forderungen, da das Tempolimit AUCH den ÖPNV treffen würde.
    Und eine künstlich erzeugte Fahrzeitverlängerung ist keine gute Werbung für den ÖPNV! Es ist nunmal unmöglich in jeden Kietz eine S-, U- oder Trambahn (mit eigener Trasse) zu bauen.
    Die Fehler in der Stadtplanung wurden vor vielen Jahren (eigentlich schon vor Jahrzehnten) gemacht, das kann man jetzt nicht mit solchen, ins sich unlogischen, Forderungen ausgleichen!

    Beste Grüße

  14. 27.

    Den Gesetzentwurf findet man auf der Website der Initiative, als PDF herunterladbar, sehr detailliert, auch in den Ausführungen. Sollte man mal gelesen haben. Zum Glück hat der Senat ja erstmal anders entschieden.

  15. 25.

    Verkehrsberuhigte Kieze (Kiezblöcke bzw. Superblocks wie in Barcelona) und Einkaufsstraße (z.B. Friedrichstraße) sowie generelles Tempo 30 und Ausbau ÖPNV - ja, um die Lebensqualität für die Bewohner zu erhöhen. Einfach weil es realistisch Maßnahmen sind; selbst im ideologisch verblendeten Deutschland (Stichwort "freie Fahrt für freie Bürger"). Den gesamten Ring autofrei zu machen ist dagegen der falsche Weg (und wohl auch gesetzeswidrig).

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