Berliner Polizeibilanz zum 8. und 9. Mai - Slowik: Ohne Fahnenverbot hätte es deutlich mehr Auseinandersetzungen gegeben

Das Berliner Verbot sowjetischer, russischer und ukrainischer Fahnen an bestimmten Gedenkorten ist umstritten. Allerdings habe es ein friedliches Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs ermöglicht, argumentiert Polizeipräsidentin Slowik im rbb.
Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik hat ein positives Fazit der Einsätze zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs gezogen. Zugleich verteidigte sie am Montagabend im rbb das Vorgehen der Polizeikräfte am 8. und 9. Mai und auch das umstrittene Fahnenverbot an bestimmten Orten.
Es sei das Ziel der Polizei gewesen, ein würdiges Gedenken an die Kriegsopfer zu ermöglichen, so Slowik. Gleichzeitig sollte ein Verherrlichen des aktuellen russischen Angriffskriegs verhindert werden. Vor diesem Hintergrund habe man sich entschieden, rund um die Ehrenmäler etwa Fahnen und Uniformen zu verbieten.
"Einschreiten der Kollegen war verhältnismäßig"
Am Sonntag und Montag hätten rund 2.500 Menschen "ganz überwiegend friedlich und würdevoll der Kriegsopfer gedacht". Ohne diese Regelungen hätte es deutlich mehr Auseinandersetzungen gegeben, betonte Slowik. Das Einschreiten der Kollegen sei daher verhältnismäßig gewesen. Slowik sagte, es sei schmerzhaft und bedauerlich, dass es der Putin-treuen Rockergruppe "Nachtwölfe" trotzdem gelungen sei, sich mit einer russischen Fahne zu zeigen.
Die Polizeipräsidentin war selbst rund um das Brandenburger Tor vor Ort. "Ich wollte mir ein eigenes Bild vom Ablauf machen", sagte Slowik. Im Vorfeld hatten die Sicherheitsbehörden angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine von einer "sehr sensiblen Gefährdungslage" gesprochen.
Auch Giffey und Spranger verteidigen Fahnenverbot
Auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) verteidigte die Entscheidung der Polizei zum vorübergehenden Fahnenverbot. Giffey sagte am Dienstag nach der Sitzung des Senats, das Ziel sei gewesen, ein würdiges Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs zu ermöglichen. "Das hat nichts mit Gleichbehandlung zu tun." Es gebe keinen Zweifel, auf welcher Seite Berlin stehe, nämlich auf der der Ukraine, so die SPD-Politikerin.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ergänzte, die Strategie habe darin bestanden, das Aufeinandertreffen rivalisierender Gruppen an den Ehrenmalen zu verhindern und Auseinandersetzungen zu vermeiden. Außerdem seien russische und ukrainische Fahnen nicht generell in Berlin untersagt worden, sondern nur an den 15 Orten des Gedenkens, die besonders geschützt werden sollten. "Die ukrainische Botschaft wurde rechtzeitig vorher informiert", betonte Spranger, die darauf hinwies, dass das Verbot außerdem nicht für Diplomaten und Veteranen des Weltkriegs gegolten habe.
Spranger zog so wie Slowik eine insgesamt positive Bilanz: "Die Strategie der Polizei ist aufgegangen", sagte sie. "Ein friedliches Gedenken an das Ende des Nationalsozialismus konnte stattfinden."
Oberverwaltungsgericht: Fahnen-Regelung hat Bestand
Am Sonntag und Montag war mit Kranzniederlegungen, Kundgebungen und Demonstrationen in Berlin an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa vor 77 Jahren erinnert worden. Besonders an den sowjetischen Ehrenmälern in Treptow und in Tiergarten hatten sich zahlreiche Menschen versammelt. Bis zu 1.800 Polizistinnen und Polizisten waren an beiden Tagen nach Behördenangaben im Stadtgebiet unterwegs.
Die Polizei hatte an 15 Gedenkstätten russische und ukrainische Fahnen, Uniformen sowie Marsch- und Militärlieder verboten, das Verbot galt aber nicht für Diplomaten und Veteranen des Weltkriegs. Am Sonntag hatte die Polizei bei Gedenkveranstaltungen in Berlin mehrfach eingegriffen, unter anderem beim Entrollen einer etwa 25 Meter langen Ukraine-Fahne.
Die Ukraine kritisierte das Verbot am Montag. Berlin habe damit "einen Fehler gemacht", teilte Außenminister Dmytro Kuleba mit. Der Berliner CDU-Generalsekretär Stefan Evers kündigte eine Klage gegen das Fahnenverbot beim Berliner Verwaltungsgericht an.
Das Oberverwaltungsgericht stellte am Montagabend klar, dass die Fahnen-Regelungen der Allgemeinverfügung der Polizei weiterhin gelten. Wegen der Eilbedürftigkeit der Sache sei die Entscheidung zunächst ohne schriftliche Begründung ergangen, hieß es. Der Beschluss ist unanfechtbar. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht russische, sowjetische und ukrainische Fahnen für eine kleinere Gedenkveranstaltung am Abend vor dem Museum Berlin-Karlshorst (ehemals Deutsch-Russisches Museum) genehmigt.
Letztlich gelangten 19 "Nachtwölfe" auf die Straße des 17. Juni
Parallel zu den Gedenkveranstaltungen demonstrierten im Tagesverlauf auch Demonstranten gegen den Angriff Russlands auf die Ukraine. Ein paar Dutzend Menschen waren etwa im Bereich Tiergarten zu beobachten. Einsatzleiter Stephan Katte sagte am Montagnachmittag, es habe keine größeren Störungen gegeben. Vereinzelt habe die Polizei "zurückhaltend eingegriffen", wenn sich Menschen bei den Veranstaltungen gestritten hätten.
Angekündigt hatte sich unter anderen auch eine größere pro-russische Demonstration an dem zweiten Sowjetischen Ehrenmal nahe dem Brandenburger Tor. Daran wollten laut Polizei Mitglieder der Rockergruppe "Nachtwölfe" teilnehmen. Die Gruppe gilt als Unterstützerin des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Statt der erwarteten 150 Mitglieder kamen laut Polizei etwa 50 bis an die Stadtgrenze. Diese seien dort kontrolliert worden, sagte eine Polizeisprecherin am Abend. "Eine Vielzahl der Gefährte wurde aus dem Verkehr gezogen." 19 Mitglieder der "Nachtwölfe" seien schließlich in die Stadt zur Straße des 17. Juni weitergereist. Dort wurden sie nach Angaben der Sprecherin von Polizisten jeweils zu Fuß in kleinen Gruppen zum Ehrenmal geleitet.
Sendung: rbb24 Inforadio, 10. Mai 2022, 7 Uhr