Menschen "ausgegrenzt" und "herabgesetzt" - Justizverwaltung will Ex-AfD-Abgeordnete als Richterin in den Ruhestand schicken

Fr 17.06.22 | 11:04 Uhr
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Birgit Malsack-Winkemann (AfD) (Quelle: dpa/Florian Gaertner)
Bild: dpa/Florian Gaertner

Eine frühere AfD-Bundestagsabgeordnete ist in ihr Richteramt in Berlin zurückgekehrt. Die Justizverwaltung befürchtet, sie werde nicht unvoreingenommen Recht sprechen. Das Richterdienstgericht will bald über ihre Versetzung entscheiden.

Die Berliner Senatsverwaltung für Justiz hat die Versetzung der Richterin und ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann in den Ruhestand beantragt. Wie die Verwaltung am Donnerstag mitteilte, sei das im Interesse der Rechtspflege.

Malsack-Winkelmann war nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag im März in den Richterdienst zurückgekehrt. Damals hieß von der Justizverwaltung, diese Rückkehr sei rechtlich nicht zu verhindern. Nun teilte Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) mit, man habe den Fall "intensivst geprüft".

Justizverwaltung: "Keinen Zweifel an unabhängiger Justiz aufkommen lassen"

Die Verwaltung ist nach eigenen Angaben als oberste Dienstbehörde inzwischen zu dem Ergebnis gekommen, dass das Verhalten der Richterin außerhalb des Richterdienstes "zwingend" eine Versetzung in den Ruhestand gebiete. Die Juristin habe in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum wiederholt und öffentlich Menschen, die in Deutschland Schutz suchten, ausgegrenzt und wegen ihrer Herkunft herabgesetzt.

"Durch ihre Äußerungen ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, die Richterin werde künftig nicht unvoreingenommen Recht sprechen", erklärte die Justizverwaltung. "Es darf keinen Zweifel an der Verfassungstreue und der Gewährleistung von diskriminierungsfreien Verfahren geben, das Ansehen der unabhängigen Justiz muss gewahrt sein", sagte Senatorin Kreck dazu.

AfD-Politikerin warb mit "geschlossenen Grenzen" für sich

Die Richterin am Berliner Landgericht saß von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag. Malsack-Winkemann war unter anderem aufgefallen, als sie während des Bundestagswahlkampfes mit "geschlossenen Grenzen" für sich warb, bei der Wahl Ende September blieb sie dann aber erfolglos.

Nach ihrem Ausscheiden aus dem Parlament kehrte sie auf ihren früheren Posten zurück und arbeitet seit Mitte März wieder in der für Baurecht zuständigen Zivilkammer 19A.

Richterdienstgericht kündigt baldige Entscheidung an

Das Berliner Richterdienstgericht wird sich schon bald mit dem Fall beschäftigen. Das sagte der Sprecher des Berliner Verwaltungsgerichts, Stephan Groscurth, dem rbb am Freitag auf Anfrage.

Der Termin der öffentlichen Sitzung werde rechtzeitig bekannt gegeben, auf jeden Fall werde die Verhandlung innerhalb der nächsten drei Monate stattfinden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.06.2022, 16 Uhr

135 Kommentare

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  1. 135.

    Ja sicher, die Richter sind unabhängig, aber die Rechtsprechung nicht, das ist wohl klar im einem Rechtsstaat.

  2. 134.

    Ist vielleicht noch der Status Quo, aber keinesfalls die Ausschöpfung der Möglichkeiten und der zukünftigen erst Recht nicht. Für die Problemstellung benötigen sie weder ein Bewusstsein noch irgendeine Empathie sondern nur selbstlernende Systeme. Und die Justiz ist nur ein Bereich von vielen.
    Die Argumente dafür werden die Minimierung der Kosten, der Verfahrensdauer und Verfahrensfehler sein. Es gibt auch gute Gründe dagegen. Aber das Problem ist, dass haben viele Wissenschaftler auch längst moniert, dass das ganze Thema Industrialisierung 4.0 in Deutschland, gerade unter Merkel, medial vollständig ausgesessen wurde. Es müsste längst eine Debatte darüber geführt werden, damit wir vorbereitet sind.
    Jedenfalls von alleine verschwinden solche einmal geschaffenen Möglichkeiten nicht.

  3. 133.

    @ Petra, der König Friedrich wilhelm I. hat im 18. Jahrhundert seinen Juristen eine Vorschrift gemacht, sie sollten einen schwarzen Mantel tragen, damit "man diese Spitzbuben schon von weitem erkennt ." So nu wissen wir's.

  4. 132.

    Auch wenn ich mir in meiner Robe gerade ein Spiegelei brate, möchte ich doch eben anmerken, dass wir Richter:innen uns weitgehend einig sind, dass Frau Malsack-Winkemann die Voraussetzungen für unser Amt nicht (mehr) erfüllt. So, schönes Wochenende, ich muss nach Kanada düsen. Pilot und Rennfahrer bin ich nämlich auch. Ähnlich wie Boris und Peter...

  5. 131.

    Eben nicht, politische Einstellungen, die man öffentlich kundtut, sind zwar erlaubt (freie Meinungsäußerung), bewahren aber eben nicht davor, öffentliche Ämter dann nicht mehr bekleiden zu können. Einem Polizisten wird schon die Amtsfähigkeit anerkannt, bei fragwürdigen Tattoos, um mal ein Beispiel zu nennen. Die Amtsfähigkeit muss intakt sein und wird nicht ausschließlich bei Straftaten entzogen. Ämter haben nun mal einen Sonderstatus. Wenn ich volltrunken am Alexanderplatz Naziparolen rufe, werde ich diese höchstwahrscheinlich auch verlieren, ob nun in Robe oder nicht.

  6. 130.

    KI in Rechtsprechung?

    Maschinelle Verfahren gibt es nur im gerichtlichen Mahnverfahren und in Ordnungswidrigkeits- bzw. Bußgeldverfahren - aber nur, bis Widerspruch/Einspruch eingelegt wird, dann entscheiden letztendlich doch wieder Richter.

  7. 129.

    KI in Rechtsprechung?

    Es gibt Tatbestandsvoraussetzungen, die sicherlich leicht objektiv festgestellt werden können. Aber es gibt auch Besonderheiten eines Falles, Abwägungen, unbestimmte Rechtsbegriffe und eine Gesamtschau auf den Fall mit allen seinen Besonderheiten, die alle nicht mit KI objektiv beurteilt werden können. Kein Fall ist wie ein anderer. Und insbesondere gibt es Grenzfälle, die nicht eindeutig sind, wo das eine Gericht so und das andere Gericht anders entscheidet. Dort ist der Einsatz von KI ausgeschlossen, weil nicht objektiv fststeht, was Recht und was Unrecht ist. Das ist nicht schön, aber nicht vermeidbar. Was ist z.B. eine UNANGEMESSENE Benachteiligung? Da ist mit guter Begründung vieles vertretbar. Aber ein Gericht muss entscheiden. Und das können nur Menschen und keine Programme machen!

    Im Strafrecht ist KI sowieso undekbar, weil es dort immer entscheiden auf die Persönlichkeit des Täters ankommt.

  8. 128.

    Pete:
    "Petra: "Daher hat sie keinen Verstoß gegen geltendes Recht noch gegen das Strafrecht begangen."
    Immanuel: "Das hat auch niemand behauptet und ist hier auch nicht relevant."
    Aber natürlich - andauernd wird der Dame hier vorgehalten, sie habe gegen die Verfassung verstoßen, also gegen geltendes Recht."

    Nein, das wird ihr nicht vergeworfen! Ihr wird vorgeworfen, dass sie eine verfassungsfeindliche Einstellung hat und deshalb als Richterin ungeeignet ist wegen fehlender Verfassungstreue!

    Pete:
    "Wegen welcher Äußerung genau müsste man sie denn vor Gericht bringen - und warum hat das nicht schon längst einer getan, wenn sie doch so ungeheuerliche Dinge sagt und damit gegen die Verfassung verstößt?"

    Sie darf ungestraft das sagen, was sie gesagt hat. Das ist nicht strafbar. Sie ist dann nur nicht für das Richteramt geeignet wegen fehlender Verfassungstreue.

    Für das Richteramt braucht es mehr als nur Straflosigkeit! Nämlich auch Verfassungstreue!

  9. 127.

    Pete:
    "Manche reden hier viel über Verfassungswidrigkeit und ereifern sich dabei sehr.
    Dabei vergessen sie zu erwähnen, wann denn die erwähnte Richterin verfassungsmäßig gehandelt hat. Es geht um das Handeln - sagen darf man zum Glück sehr vieles (erinnert sich noch jemand an die DDR?)."

    Ja, aber wenn man Verfassungsfeindliches sagt, dann ist man für das Richteramt, dass Verfassungs- und Gesetzestreue verlangt, ungeeignet!

    Pete:
    "Man darf sogar Einwanderer (wie auch alle anderen Menschen) beleidigen - wenn man nichts mehr sagen dürfte, wovon sich jemand beleidigt fühlen könnte, bräuchten wir auch keine Meinungsfreiheit mehr. Die aber ist sehr wohl ein Verfassungsrecht - und nochmal, zum Glück!"

    Nein, Beleidigungen sind verboten und kein "Verfassungsrecht", sondern ein Straftatbestand. Die Meinungsäußerungsfreiheit hat ihre Grenzen, z.B. bei Beleidigungen, Verleumdungen, Aufruf zu Straftaten, Billigung von Straftaten etc. pp.

  10. 126.

    "Seit wann darf man Menschen in diesem Land beleidigen. Ich denke sie haben ... nicht wirklich verstanden..."
    Von so einer Bemerkung könnte ich mich beleidigt fühlen - demzufolge hätten Sie mich dann beleidigt. Sie sehen, man darf also durchaus "Menschen in diesem Land beleidigen", und es geht ganz einfach. :-)
    Natürlich ist es mir aber schnurz - warum sollte ich mich auf den Schlips getreten fühlen von etwas, das ein wildfremder Mensch hier schreibt...

  11. 125.

    Steffen:
    "Die absolute Unabhängigkeit der Justiz ist das höchste Gut einer Demokratie."

    Die Rechtsprechung ist nicht "absolut unabhängig"! Die Unabhängigkeit der Rechtsprechung bezieht sich nur auf eine Unabhängigkeit von Politik und Regierung, aber nicht auf Unabhängigkeit von Verfassung, Gesetz und Verfassungstreue. Und Verfassungstreue ist mit Verfassungsfeindlichkeit unvereinbar!

  12. 124.

    Steffen:
    "Es liegt weder ein Straftatbestand noch anderweitig justiziables Verhalten vor und "Quatsch" aus Politikermund ist leider kein Alleinstellungsmerkmal der AfD."

    Es geht hier nicht um bloßen "Quatsch", sondern um verfassungsfeindliche Meinungsäußerungen, die auf eine verfassungsfeindliche Einstellung schließen lassen und deshalb mit dem Richteramt unvereinbar ist!

    Steffen:
    "Was hier gerade von Politik und Verwaltung angestrebt wird, ist nicht ganz weit weg von dem, was wir und die EU in Polen als rechtsstaatsfeindlich angeprangert und zur Korrektur erzwungen haben."

    FALSCH!
    In Polen werden Richter nicht wegen fehlender Verfassungstreue, sondern wegen fehlender Regierungstreue entlassen!
    In Deutschland wird kein Richter wegen fehlender Regierungstreue entlassen, aber wegen fehlender Verfassungstreue.

    Den Unterschied sieht man deutlich daran, dass das BVerfG auch gegen die Regierung Recht spricht, was in Polen undenkbar ist!

  13. 123.

    Dagmar:
    "Antwort auf [Immanuel] vom 17.06.2022 um 15:52
    Tja, aber die Ähnlichkeit zur Beamten beschränkt sich auf Besoldung und Ähnliches.
    Die Richter sind unabhängig, und die Beamten nicht!"

    Der Begriff der "unabhängigen Rechtsprechung" meint Unabhängigkeit von der Regierung, aber nicht Unabhängigkeit von Verfassung, Gesetz und Verfassungstreue!

  14. 122.

    Zitat: "Falsch. Der BGH ist anderer Meinung"

    Überhaupt nicht falsch, Paschke. Maier übt aktuell kein Richteramt aus. Und auch wenn es dafür einige Hürden zu nehmen gilt, und bisher nie zur Anwendung kam, ist es laut BGH in Ausnahmefällen möglich, dass - in diesem Fall der Sächsische - ein Landtag darüber entscheiden kann.

  15. 121.

    Aber von „entfernen“ ist in dem Artikel keine Rede, sondern von Frühpensionierung.
    Richter Gnadenlos wurde straffällig als er nicht mehr als Richter tätig war und in der Hamburgischen Bürgerschaft als Senator einzog.

  16. 119.

    Falsch. Der BGH ist anderer Meinung

    Selbst RiAG a.D. Schill wurde nie aus dem Dienst entfernt, obwohl er eine grobe Pflichtverletzung und Straftat begangen hat. Allerdings hat die StA das Verfahren damals eingestellt, daher Unschuldig.

    Er wurde später mit 71% pensioniert

    Herr Schill ist bestimmt ein Begriff?

  17. 118.

    Legen Sie den 31 DRG bitte aus und nennen Sie die ständige Rechtsprechung des BGH.

    Dieser geht nämlich davon aus, dass eine Entfernung eines Richters aus dem Dienst gegen seinen Willen nicht zulässig ist. Es sei denn, dass eine Straftat vorliegt.

    Also nicht einfach etwas in Wikipedia lesen, was Sie nicht verstehen

  18. 117.

    Diese Dame ist kein Einzelfall. Bisher wurde fast kein Richter wegen sowas in den Ruhestand versetzt.

    Es ist bisher so gut wie nie vorgekommen, dass das DRG einen Richter wegen Meinungsäußerungen belangt hat.

    Das DRG am LG Berlin hat nicht mal den Richter Bretschneider vor vielen Jahren belangt, der rassistische Äußerungen getätigt hat. Er wurde abgemahnt



  19. 116.

    Und?? Das Thema ist die Anerkennung des Grundrechtes.
    Aber wir können uns in dem Blog auch weiter über die Verwaltungsstrukturen in Deutschland austauschen, hat nur alles nichts mit Zumutbarkeit des Rechtsstaats mit solchen Richtern zu tun.

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