Berliner Siebtklässler - Schulplatzlösung bringt neue Schwierigkeiten

Di 21.06.22 | 06:12 Uhr | Von Kirsten Buchmann
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Symbolfoto. (Quelle: dpa/Kay Nietfeld)
Audio: rbb24 inforadio | 20.06.2022 | Kirsten Buchmann | Bild: dpa/Kay Nietfeld

Drei Bezirke mussten 170 Kinder vertrösten, weil sie ihnen noch keine Oberschulplätze anbieten konnten. Bis Mittwoch sollen die Bescheide rausgehen, wo sie hinkommen. Für Eltern und Schüler ergeben sich nun aber andere Probleme. Von Kirsten Buchmann

Vor dem SPD-Landesparteitag haben die beiden Schülervertreterinnen Avin Hummitzsch und Cheyenn Bakala am Sonntag mit Plakaten demonstriert. Jetzt stehen sie vor ihrer Schule, dem Diesterweg-Gymnasium im Bezirk Mitte, und sind weiter in Sorge. Denn zwei zusätzliche Gymnasialklassen sollen dort nach den Sommerferien unterkommen. Dabei sei es ohnehin schon eng, meint Avin: "Wir haben jetzt schon in der Mensa oder auf dem Pausenhof teilweise Konflikte, es wird rumgeschubst." Die Mensa sei der einzige Raum, wo sie in den Pausen bei starkem Regen drinnen sein könnten.

Avin fürchtet zudem, dass die Unterrichtsqualität leiden wird, wenn noch mehr Kinder dazukommen. Es seien nicht genügend Lehrer da. Zwei zusätzliche reguläre Klassen für die Siebtklässler seien jeweils etwa doppelt so groß wie die beiden Willkommensklassen mit ihren je rund 15 Schülerinnen und Schülern, die kleinere Räume genutzt hätten und weichen sollen. Cheyenn tut es leid, dass, um für die beiden zusätzlichen siebten Klassen Platz zu machen, die Willkommensklassenschülerinnen und -schüler an eine andere Schule umziehen sollen: "Das sind auch Freunde. Das sind Leute, die in manchen Stunden in unsere Klassen kommen, in den Sportunterricht zum Beispiel. Ich kann gar nicht beschreiben, was das für ein Gefühl sein muss."

"Schulen werden vollgequetscht"

Die Bezirksschulstadträtin von Mitte, Stefanie Remlinger, sagt, sie habe sich schweren Herzens für diesen Weg entschieden. In Berlin können nach rbb-Informationen inzwischen allen künftigen Siebtklässlern Schulplätze angeboten werden, auch in Pankow und Treptow-Köpenick. Berlinweit hatten laut der Bildungsverwaltung Anfang des Monats 170 Plätze gefehlt, um allen künftigen Siebtklässlern einen Schulplatz zuzuweisen.

Pankow war zuletzt auf der Suche nach zehn Schulplätzen gewesen, anfangs sogar nach 60. Bis diese Woche Mittwoch sollen aber alle ein Angebot erhalten, so Schulstadträtin Dominique Krössin. Für 20 Schülerinnen und Schüler sei das in Charlottenburg-Wilmersdorf der Fall. Zudem entstehen laut der Stadträtin Plätze für eine Klasse an einem Gymnasium ihres Bezirks, weitere erhielten Plätze an anderen Gymnasien, die sie bisher nicht benennt.

In Treptow-Köpenick nimmt laut dem Bezirksamt die Wilhelm-Bölsche-Schule eine zusätzliche Klasse auf. Vom Anne-Frank-Gymnasium soll eine Willkommensklasse innerhalb des Bezirks an die Flatow-Oberschule umziehen, sodass an dem Gymnasium Platz für eine zusätzliche Klasse für Siebtklässler frei wird. Weitere Kinder sollen dem Bezirk zufolge in angebotenen Räumen in zwei Oberstufenzentren in Mitte und Pankow unterkommen.

Durch die Notlösungen entstünden neue Ungerechtigkeiten, betont der Landeselternausschuss. Dessen Vorsitzender Norman Heise kritisiert auch, die Schulen würden weiter vollgequetscht. Zudem müssten die Siebtklässler, die nun auf andere als an ihre Wunschschulen verteilt werden, teils weite Strecken durch die Stadt zurücklegen: "Wir sagen, wir finden 45 Minuten Fahrweg angemessen. Als Höchstgrenze sehen das Gerichte an der Stelle anders, sie nennen da bis zu anderthalb Stunden." Wenn man das auf ein Schülerleben hochrechne, so Heise, "kommen da Zeiten zusammen, das mag man niemandem erklären."

Vorschlag einer Schulplatzbörse

Eine Schulplatzbörse schlägt der Elternvertreter deshalb vor, in der Betroffene tauschen können, um Plätze zu bekommen, die näher liegen.

Cheyenn, die Schülervertreterin des Diesterweg-Gymnasiums findet jedenfalls, die für ihre Schule vorgesehenen zusätzlichen siebten Klassen sollten anderswohin gleichmäßig verteilt werden: "Eine Lösung gibt es bestimmt. Aber dafür müssten andere Schulen mehr aufnehmen und nicht immer alles auf unsere Schule gesetzt werden."

Mit einem Brief an die Landespolitik und den Bezirk Mitte wollen die Schülervertreterinnen des Diesterweg-Gymnasiums deshalb protestieren. Die Bescheide, wo die 170 künftigen Siebtklässler hinkommen, die bisher noch unversorgt waren, sollen laut den Bezirken allerdings bis Mittwoch rausgehen.

Sendung: rbb24 inforadio, 20.06.2022, 13:20 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

22 Kommentare

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  1. 22.

    Meine Tochter ging vor 20 Jahren in eine Gesamtschule. An den Zuständen hat sich nichts geändert. Volle Klassen, unbenutzbare Toiletten usw. Vielleicht sollten sich Fachkräfte mal einen Überblick verschaffen und ausserdem mal die Schüler insgesamt zählen. Vielleicht weiß die Politik dann, wie sie planen können. Dafür ein paar Mitarbeiter in Senatskanzleien weniger.

  2. 21.

    "gut auf das weitere Leben vorbereitet sind, schickt sie auf Privatschulen"
    Pauschal stimmt das nicht, "Horst". Es ist pauschal sogar umgedreht. Die staatlichen Schulen schneiden besser ab. Da kann man sich keine guten Abschlüsse "erkaufen". Und es gibt noch viel Anderes dazu zu sagen...

  3. 20.

    Wenn doch der Bedarf vorhanden ist, verstehe ich nicht, warum sich hier keine Anbieter finden, die einfach eine weitere Privatschule aufmachen. 126 ist für Berlin zu wenig, da gebe ich Ihnen Recht. Schließlich scheint die Zahlungsbereitschaft ja bei immer mehr BerlinerInnen vorhanden zu sein: Die Nachfrage nach Plätzen an Privatschulen ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Im Schuljahr 2020/21 besuchten in Berlin 38.792 Schülerinnen und Schüler eine der 126 allgemeinbildenden Schulen in freier Trägerschaft (zur Statistik).

  4. 19.

    Ich verstehe nicht, warum der Senat nicht einfach mal vorher alle Sechstklässler zählt und sich vorher um das Problem kümmert. Schließlich kommen 99,9% in die siebente Klasse. Dafür muss man kein Mathegenie sein.

  5. 18.

    Ob 25 Schüler und Schülerinnen pro Klasse richtig ist oder nicht, ist hier nicht die Frage.
    Die Vorschriften geben eine Höchstfrequenz von 26 pro Klasse vor, es gab daher keinen Grund in ganz Reinickendorf pro Klasse einen Platz frei zu halten, wenn ca. 170 Plätze fehlen.

  6. 17.

    Geld ist genug da. Findet den Fehler(im System).

  7. 16.

    Lieber Horst, sie haben in jedem Punkt recht! Ich bin ganz ihrer Meinung!
    Leider sieht die Realität anders aus, man hat keine Chance an einer Privatschule einen Platz zu bekommen.
    Wir wollten unsere Enkeltochter umschulen ( in Privatschule in Weißensee )
    Es gibt nicht mal eine Warteliste, wir wurden nicht mal angehört. Die Schule ist voll.
    So muss unsere Enkeltochter die Grundschule in der Barther Str. weiter ertragen. Die Zustände sind katastrophal!Was unseren Kindern angetan wird, ist nicht in Worte zu fassen!
    Da nutzen die tollen Fahrradwege auch nichts!!!

  8. 14.

    Liebe Eltern, wenn ihr wollt, dass eure Kinder gut auf das weitere Leben vorbereitet sind, schickt sie auf Privatschulen. Es lohnt sich jeder Cent, dann lieber mal auf den eigenen SUV oder den großen Jahresurlaub verzichten. Es ist ein sehr gutes Zukunftsinvestment.

  9. 13.

    Korrekt. Alle "sozialen Geschenke" müssen von der Gemeinschaft bezahlt werden. Angesichts der aktuellen Situation müssen wir uns also darauf einstellen, dass die fetten Jahre jetzt erst einmal vorbei sind und da wir den Euro nur einmal ausgeben können muss alles auf den Prüfstand. Ich gehe schon mal zum Schuhmacher für ein weiteres Loch im Ledergürtel, denn wir alle werden den Gürtel zukünftig enger schnallen müssen. Die Politik muss hier unbedingt priorisieren und einen einheitlichen Mindeststandard in allen Bereichen festlegen! Es ist höchste Zeit!

  10. 12.

    "Tja, aber in Deutschland gibt es die Schulpflicht, mit Präsenz am Untericht in der Klasse."
    Korrekt, Daggi, finde den Fehler - Unterricht schreibt sich übrigens mit 2x "r" ;-)

  11. 11.

    Da werfen Sie jetzt aber einiges durcheinander... Die Versorgung mit "Haus- oder Facharzt" wird durch die Kassenärtzliche Vereinigung geregelt nicht vom Land Berlin. Vielleicht erst informieren, dann hier etwas korrektes beitragen, das wäre schön.

  12. 10.

    Statt Kindergeld, Kinderfreibeträge und sonstige (Steuer)Vergünstigungen, die vielen Reichen zu gute kommen oder bildungsferne Personen zu Kinderreichtum animiert, sollte das Geld alles in Ausbildung und Förderung gesteckt werden. Gute Kitas mit viel Personal, gute Grundschulen mit kleinen Gruppen, moderne technologisch auf dem neusten Stand gesetzte Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten. Bildung ist nun mal unser Öl, unser Gas, unsere Kohl.

  13. 9.

    Die Schulpolitik hierzulande ist wirklich zum haareraufen, da traue ich auch keiner Partei mehr zu als den bisherigen Verantwortlichen. Einiges am System Schule muss hier besser gemacht werden. Arbeite selbst an einer (Grund-) Schule und was da alles fehlt und zu kurz kommt ist unglaublich (zu wenige Lehrer, zu wenige Erzieher -die teilweise Lehrertätigkeiten ausführen- ,uralt Toiletten, uralt PCs, schlechtes Internet, immer mehr Kinder in Schulen die ursprünglich für bis zu 250 Kinder weniger konzipiert wurden....). Es stimmt einiges nicht am System und keiner in der Politik hat die Eier mal zu sagen wie es ist und ernsthaft Reformen anzugehen. Auch die aFalschverteilung von Geld...wieso müssen alle Kinder in Berlin kostenlos essen?? Die wirklich Bedürftigen sollen davon profitieren und nicht die deren Familien es eh ganz gut geht...meine 2 Kinder benötigen das nicht, für das Geld könnte man im Jahr so vieles tun! Das wäre jetzt der Zeitpunkt die Notbremse zu ziehen!!!

  14. 8.

    HansP hat recht! Es sind nicht nur die Schulen, es fehlt an vielem. Versuchen Sie mal in den Randbezirken einen Termin bei einem Haus- oder Facharzt in Wohnortnähe zu bekommen. Für immer mehr Wohnungen muss auch die Versorgung mit dem nötigsten sichergestellt werden!

  15. 7.

    "Die Stadt ist mittlerweile in allen Belangen zu voll." Und das legt wer fest? Sie? Dann sind Sie aber nicht so weit in Berlin herum gekommen. Vielleicht steigen Sie einfach mal aufs Fahrrad und schauen sich die Randbezirke genauer an. Nur so eine Idee, um hier mal von der Theorie zur Praxis zu kommen.

  16. 6.

    Tja, aber in Deutschland gibt es die Schulpflicht, mit Präsenz am Untericht in der Klasse.

  17. 5.

    Vielleicht sollte mann doch aufhören mit: bauen, bauen, bauen!
    Die Stadt ist mittlerweile in allen Belangen zu voll. Es tut mir leid für die, die noch kommen wollten, aber viele Menschen haben unerfüllbare Wünsche.

  18. 4.

    Man sollte hier nicht auf Bezirksebene denken, sondern die Schulverteilung über alle Berliner Bezirke sehen, dann könne man auch besser die für Rot-Rot-Grün so wichtige "Durchmischung" der verschiedenen Bevölkerungsschichten erreichen. Ferner sollte man die Schulen durch hybride Unterrichtsformen entlasten. Wenn es einheitliche Webinare für alle Berliner Schüler gibt und dann jede 2. Woche 50 % der Klasse in Präsenz die Vertiefungseinheiten in den Klassen vor Ort, kann man die bestehenden Ressourcen (Räume, Lehrer etc.) Viel besser im Wechselunterricht nutzen.

  19. 3.

    25 Kinder pro Klasse sind ja wohl mer als ausreichend für eine sinnvolle Lernatmosphäre!
    Er braucht nicht größere Klassen, sondern mehr Klassen und mehr Gymnasien, dann wären auch die Oberschulen entlastet.

  20. 2.

    Liebe Beriner Schüler und Eltern,
    ich finde diese Zustände unhaltbar. Ich drücke Euch die Daumen das die Politik sich endlich mal kümmert. Ansonsten geht bitte auf die Straße- alle zusammen- Schüler, Eltern, Lehrer. Es muss endlich etwas getan werden. Zumutbare Fahrtwege bis 1,5 h - ein Hohn! Überfüllte Klassen, überlastete Schüler und Lehrer. Deutschland hat keine nenneswerten Rohstoffe. Wir brauchen Bildung für die Zukunft. Zum Beispiel das aus den jetztigen Schülern FÄHIGE Polikiker hervorgehen wäre doch wünschenwert.
    Ich wünsche Euch Kraft das alles durchzustehen!

  21. 1.

    Es ist daher unerklärlich, warum die Schulen in Reinickendorf nur 25 Schüler pro Klasse aufnehmen durften.
    In der Vergangenheit hieß es, damit Plätze für die Rückläufer vom Gymnasium da sind, aber das Probejahr ist nun abgeschafft worden ....

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