Erneuerbare Energien in Berlin - Verband schlägt Reaktor Wannsee als Standort für Windräder vor

Auf Druck der Bundesregierung sucht Berlin nach Möglichkeiten, um Windräder in der Stadt aufzustellen. Dabei scheinen mehr Optionen denkbar als gedacht: Der Forschungsreaktor am Wannsee ist davon ein möglicher Standort.
In der Debatte um den Ausbau der Erneuerbaren Energien wächst der Druck auf den Berliner Senat, mehr Windkraftanlagen in Berlin zu ermöglichen. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) bringt als konkreten Standort das Areal um den Atom-Forschungsreaktor Wannsee ins Gespräch.
Windräder auch in Stadtstaaten möglich
Die Bundesregierung will den Ausbau der Windenergie massiv ausweiten. In Berlin hat Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) erst kürzlich eine Prüfung angekündigt, wo im Stadtgebiet neue Windräder errichtet werden können. Ausdrücklich schloss die Senatorin Landschaftsschutzgebiete und Wälder als Standorte nicht aus. Jarasch leitet damit einen Paradigmenwechsel ein. Noch zu Jahresanfang hatte sie, wie zuvor ihre Vorgänger im Amt, Pläne für einen Ausbau der Windenenergie in der Stadt praktisch ausgeschlossen.
Rückenwind für mehr Windräder kommt vom Bundesverband Windenergie. Der Lobby-Verband stellt in einer aktuellen Studie fest: "Auch für die Stadtstaaten gilt: Potenziale sind vorhanden. Zusätzliche Optionen ließen sich durch die Nutzung der Windenergie in Industriegebieten und konfliktarmen Gewerbegebieten heben", heißt es da. In eine ähnliche Richtung denkt der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND).
Windräder am Wannsee denkbar
Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser sagte dem rbb, dass es bei den Standorten darauf ankomme, sehr genau die Lärm-Emissionen zu prüfen und neue Bodenversiegelungen zu verhindern. Angesprochen auf Windräder in Industrie- und Gewerbegebieten, nannte Heuser das Gelände des Forschungsreaktors Wannsee als eine Option. Als weitere mögliche Flächen in Berlin gelten das Gebiet am Autobahndreieck Neukölln sowie der Bereich um das Klärwerk Ruhleben.
Zu den Überlegungen auch Waldflächen als Standorte für Windräder zu nutzen, äußerte sich Heuser nicht grundsätzlich ablehnend. Er machte aber deutlich, dass die Forsten besonders geschützt sind. So habe der Grunewald einen hochrangigen Schutzstatus. "In Flächenländern würde man einen solchen Wald eher nicht betrachten, wenn es um Windkraftanlagen geht", sagte Heuser. Dennoch dürften angesichts des Drucks seitens der Bundesregierung, Fortschritte bei der Windkraft zu erzielen, auch Randbereiche des Grunewalds beispielsweise an der Avus in den Fokus geraten.
Standortentscheidung ist komplex
Wie komplex die Standortentscheidungen in der Praxis sind, macht Spandaus Baustadtrat Thorsten Schatz (CDU) am Beispiel der Rieselfelder in Gatow deutlich. Der Bezirk verhandele gerade über den Ankauf der Flächen. Sie würden eigentlich als artenschutzrechtliche Ausgleichsflächen gebraucht, um Bauvorhaben an anderer Stelle zu kompensieren, so Schatz gegenüber dem rbb.
Die Rieselfelder wurden in der Vergangenheit immer wieder ins Gespräch gebracht, wenn es um den Bau um Windrädern ging. "Wir brauchen aber auch grüne Flächen zur Erholung", macht der Stadtrat aus seiner Skepsis gegen Windkraftanlagen an dieser Stelle keinen Hehl.
Insgesamt schätzt der Bundesverband Windenergie, dass es auch im dichtbesiedelten Berlin Möglichkeiten gibt, mehrere größere Windkraftanlagen zu errichten. Der Lobby-Verband hat in Zusammenarbeit mit Planungsbüros die in Frage kommenden Flächen eingehender betrachtet und untersucht, wo Nutzungskonflikte auftreten. Zu diesen Nutzungskonflikten gehören die Nähe zu Flughäfen und Radaranlagen. Naturschutzgebiete und Vogelschutzgebiete sind ebenso wie der Abstand zu Wohnbebauung Kriterien, die den Bau von Windrädern erschweren oder verhindern.
Als realistisch bewerten die Autoren der Studie, dass in Berlin 0,7 Prozent der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung stehen. Das wäre etwas mehr als in Hamburg, das gerade in seinen Hafenbereichen deutlich weiter beim Ausbau der Windkraft ist als die Hauptstadt. Die Bundesregierung hat für alle Flächenländer das Ziel vorgegeben, zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft zu reservieren. Berlin ist mit seinen sechs Windrädern das Schlusslicht unter den Bundesländern.
Sendung: rbb24 Inforadio, 08.06.2022, 14 Uhr