Mehrere Änderungen geplant - Brandenburger Verfassung soll geschlechtergerecht werden

Di 07.06.22 | 19:21 Uhr
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Eine Abstimmung läuft im Brandenburger Landtag in Potsdam
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 07.06.2022 | S. Teistler | Bild: dpa/Bernd Settnik

Die Landesverfassung von Brandenburg soll geschlechtergerecht umformuliert werden. Darauf haben sich die regierenden SPD, CDU und Grünen sowie die oppositionelle Linke geeinigt. Es soll nicht die einzige Verfassungsänderung bleiben.

Die Brandenburger Landesverfassung soll zu ihrem 30. Jubiläum nach den Vorstellungen der Regierungsparteien SPD, CDU, Grüne sowie der oppositionellen Linken geschlechtergerecht umformuliert werden. Wie am Dienstag vorgestellt, sollen Frauen und Männer künftig entweder gleichermaßen benannt oder es sollen neutrale Begriffe verwendet werden.

So soll nach rbb-Informationen in Artikel 3 Absatz 1 Satz 1 sowie in Absatz 2 das Wort "Bürger" durch die Wörter "Bürgerinnen und Bürger" ersetzt werden, in Absatz 1 Satz 2 wird das Wort "Einwohner" durch "Einwohnerinnen und Einwohner" ersetzt.

Die Verfassungsänderung soll in zwei Wochen beschlossen werden - als Teil eines Pakets von Änderungen.

Weitere Verfassungsänderungen geplant

Neben der Geschlechtergerechtigkeit möchten die Parteien den Kampf gegen Antisemitismus und sogenannten Antiziganismus und die Förderung der jüdischen Kultur in der Verfassung festschreiben.

Zudem soll die Freundschaft zu Polen betont, die Besetzung des Vizepräsidenten neu geregelt und der Schutz der niederdeutschen Sprache betont werden.

Diskutiert wird vor allem die geplante Änderung der Besetzung des Landtagspräsidiums. In Zukunft soll nicht mehr unbedingt die größte Oppositionsfraktion einen Vizepräsidenten stellen, sondern irgendeine. Damit würde die aktuell größte oppositionelle Fraktion der AfD den ihr zustehenden Posten verlieren - aktuell besetzt von Andreas Galau. Dieser stand bei den übrigen Fraktionen immer wieder in der Kritik.

Der ehemalige CDU-Landeschef Ingo Senftleben hat am Montag angekündigt, gegen die Verfassungsänderung zu stimmen. "Für kurzsichtige Parteipolitik ist unsere Verfassung zu wertvoll", sagte Senftleben der "Bild"-Zeitung. Die Änderung sei eigentlich ein Anti-AfD-Gesetz. "Die Verfassung ist ein zu hohes Gut, um sie nach den aktuellen Kräfteverhältnissen im Landtag auszurichten", so Senftleben.

Mehrheit für Änderung unklar

Für eine Verfassungsänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Brandenburger Landtag nötig, das sind 59 Stimmen. Die vier Fraktionen haben ohne Senftleben genau 59 Stimmen. Somit müssten alle anderen Abgeordneten der vier Fraktionen anwesend sein und mit "Ja" stimmen, um die geplanten Änderungen durchzubekommen.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann zeigte sich am Dienstag nicht überrascht. "Grundsätzlich steht die Mehrheit." Bei Probeabstimmungen im Februar und in der vergangenen Woche hätten 14 der 15 CDU-Abgeordneten angekündigt, dafür zu stimmen, ein Mitglied wollte es sich offenhalten.

Den Vizepräsidenten neu zu wählen, sei laut Redmann aktuell nicht geplant. "Aus der Änderung der Verfassung ergibt sich nicht unmittelbar eine Veränderung der Zusammensetzung des Präsidiums", sagte Redmann. "Es gibt auch hier keine Initiative für eine Abwahl (...). Wir ändern diese Regelung in der Verfassung mit Blick auf kommende Legislaturperioden."

Freie Wähler stimmen "nicht in Gänze" zu

Der Fraktionschef von BVB/Freie Wähler, Péter Vida, sagte, seine Fraktion könne dem Entwurf "nicht in Gänze" zustimmen. Er verlangte, ein Passus zur Freundschaft zu Polen solle in den Rahmen der Europäischen Union eingebettet werden und der Vizepräsident solle ausdrücklich auf Vorschlag der Opposition gewählt werden. Beides sei bisher nicht aufgenommen worden.

Die Freien Wähler wollen erreichen, dass über die einzelnen Änderungen getrennt abgestimmt wird und sich enthalten, wenn es nicht dazu kommt. SPD-Fraktionschef Daniel Keller setzt auf Dialog und sagt, er hoffe, dass die Freien Wähler noch mitziehen.

AfD nennt Pläne "Alltagsspielereien"

Die AfD lehnt die Pläne der vier Fraktionen ab. "Die Verfassung ist keine Spielwiese für parteipolitisches Kalkül", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Dennis Hohloch. Seine Fraktion beanspruche als stärkste Oppositionskraft die Position des Vizepräsidenten. Alle anderen Pläne für Verfassungsänderungen seien "Alltagsspielereien", um die Verfassung zu missbrauchen.

In der kommenden Woche tagt der Hauptausschuss, der Landtag stimmt dann voraussichtlich in zwei Wochen ab.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.06.2022, 16:20 Uhr

50 Kommentare

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  1. 50.

    "c) exemplarisch vom einen zum anderen Geschlecht zu springen. " Sehe ich skeptisch, da dann die betreffende Passage evtl. nur für das direkt angesprochene biologische Geschlecht gültig sein könnte. Mal nebenbei: Hier wird immer nur männlich/weiblich diskutiert in den Beispielen. Wie wäre denn der Grammatikvorschlag für die Gruppe "divers" (in Auschreibungen steht da ja immer nur m/w/d)?

  2. 49.

    Funfact am Rande: Frau Giffey ist laut Verfassung Regierender Bürgermeister von Berlin.

  3. 48.

    Innenarchitekt*Innen unterstützen Bauherr*Innen durch für Malende gut gestaltbare Innenräume.
    Sprache verändert sich! Die Frage ist nur wie - und durch wen?
    Letzteres: durch eine sich intellektuell gebende Minderheit aus bestimmten Parteien, Medien, in Verwaltungen und Universitäten!
    Ersteres: durch Druck von oben, indem Verweigerer sanktioniert (Verwaltung, Uni), moralisch diskreditiert (man ist von "Gestern", gegen Gleichberechtigung oder gleich rechts) und medial "*beschallt" wird.

  4. 47.

    Ist denn das so dringend, dass es in 2 Wochen durchgesetzt werden muss? Es müsste doch in Ruhe beraten werden, noch dazu bei so windigen Stimmverhältnissen. Gibt es dann auch eine Ausfertigung in märkischem Platt?Hoffentlich findet sich ein Übersetzer. Berücksichtigen Sie denn auch, dass sich das Platt manchmal von Ort zu Ort unterschiied? Was wird aus dem rbb? Gibt es da niederdeutsche Sendungen? Vielleicht in Zusammenarbeit mit dem NDR?

  5. 46.

    Richtig! Grammatikalisches Geschlecht und biologisches Geschlecht sind vollkommen verschiedene Dinge. Sie können übereinstimmen, sehr oft tun sie es aber auch nicht oder Personen sind grammatikalisch sogar sächlich, was sie biologisch natürlich nicht sind.
    Schönes Beispiel dafür ist mein Lieblingsbeispiel: "Der König schickte die Wache los, um das Personal herbeizuholen." Welches Bild hat man da denn vor Augen? Wahrscheinlich keine Frau in Uniform und ganz recht keine geschlechtslosen Bediensteten. Die gesamte Gender-Ideologie fußt auf einer grundfalschen Annahme und ist wissenschaftlich einfach nicht haltbar. Auch hilft sie den Betroffenen kein bisschen sondern spaltet die Gesellschaft in Gruppen auf, die sich gerne gegenseitig beneiden und bekämpfen dürfen. Eine geeinte Bevölkerung war den Regierenden schon immer suspekt.

  6. 45.

    Nach mehreren Gerichtsentscheidungen zur Frage, inwieweit unsere gewachsene Sprache "diskriminierend" oder "geschlechterungerecht" wäre, hat bereits das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass dies nicht begründbar sei (BVerfG Beschl. v.26.5.2020 - 1 BvR 1074118). In allen einschlägigen Umfragen sprechen sich außerdem zwischen etwa 60 und mehr als 80% der Befragten gegen die Verwendung der sog. geschlechtergerechten Sprache aus, wobei interessanterweise auch bei den Frauen die Mehrheit dagegen ist.
    Beides scheint in der Brandenburger Politik nicht angekommen zu sein oder – was wahrscheinlicher ist – hier geht es um Symbol- und Gesinnungspolitik. Das passt zwar zum Wokeness-Zeitgeist und einem um sich greifenden moralischen Furor, der in bestimmten Milieus herrscht, zeigt aber auch, wie weit man sich in der Politik (und leider auch in den Medien) bereits von den tatsächlichen Problemen der Menschen entfernt hat.

  7. 44.

    Trefflich dargelegt, Dankeschön! Geschlechterneutralität in der Sprache etablieren zu wollen ist so eine Schnapsidee - bitte endlich mal aufhören mit diesem Unsinn, der Sache leistet man damit nur einen schlimmen Bärendienst.

  8. 43.

    Ja wenn Sie sonst nicht hin bekommen, so ein Schwachsinn geht immer.

  9. 42.

    Können Sie die Kommentare hier nicht verstehen.....es geht ums Gendern. Nicht um den Rest.

  10. 40.

    Die Ansprache „Mensch...“ ist für manche eventuell eine so hohe Überhöhung gegenüber dem Tier, dass die dann gleich die Rassismusfrage stellen. Das macht man dann, wenn alle Forderungen bestimmter Charaktere erfüllt sind und die dann eine neue „Baustelle“ suchen um......

  11. 39.

    Wie wäre es denn mit "Mensch Tim oder gleich Mensch Meier?"

  12. 38.

    Ja Sprache ist wandelbar, aber haben Sie auch die langen Zeiträume dabei betrachtet. Wohl eher nicht. In der Jurisprudenz stellt Sprache das Hauptausdrucksmittel dar und damit kann sich in Gesetzen etwas zum Schlechten verändern, wenn in den Gesetzestexten ohne Grund etwas geändert wird.
    BB hat dringendere Probleme, wie z.B. die drohende Wasserknappheit oder das Problem in der Lausitz oder in Schwedt. Dort wäre der Einsatz des Parlaments gefragt und nicht so eine Augenwischerei!

  13. 37.

    Danke für den Post!
    Aber es sind hier immer die selben Leute, die 24/7 mutig vom Computer aus die Welt erklären wollen.
    Es lohnt die Aufregung nicht!

  14. 36.

    Natürlich ist " Motte" hier der/die/das Einzige welches lesen kann.
    Hochmut kommt immer vor dem Fall, aber Dummheit kommt davor!

  15. 35.

    "Berücksichtigung aller vorhandener Geschlechter innerhalb der Sprache" - das gibt es im Plural bereits. Selbst Sprachexperten, Lyriker empfinden gerade das Geschlechtsneutrale so wunderbar und gleichberechtigt: Die Leiter können Menschen sein, aber auch Metali, die Spinner sind Menschen ohne Geschlecht, die einer Tätigkeit nachgehen, welche auch immer gemeint ist. - aber "Spinner*innen" ist absurd; lehren, die Lehrer - erst durch *in hinzufügen wird ein biologisches Geschlecht daraus, was Männer ausschließt; bohren - die Bohrer; schwimmen - die Schwimmer usw. ist ganz einfache Schulgrammatik und jedem Kind als geschlechtsneutral vertraut. Besser kann man Herkunft, Hautfarbe und noch viel mehr nicht verdecken. Aber es gibt auch zeitgemäße Ausdrucksformen: Besuchergruppe – Gäste; Ansprechpartner – Kontakt; Expertentagung – Fachtagung; Nutzerordnung – Nutzungsordnung; Teilnehmerliste – Anwesenheitsliste usw.

  16. 34.

    Die weitaus meisten Menschen der Spezies homo sapiens sind sehr wohl willens und in der Lage, sich selbst als "Herr" oder "Frau" zu definieren. Letztlich verschwenden unsere teuer bezahlten "Volksvertreter" hier ihre Zeit und Energie mit vollkommen Überflüssigem. Eine vermutlich dreistellige Zahl von weder - noch bedarf dieses Aufwandes und dieses immensen Medienrummels nicht. Lassen wir doch einfach die "Nichtbinären" ihr Leben leben, aber die anderen damit endlich in Ruhe!

  17. 33.

    Endlich mal jemand mit einem vernünftigen Vorschlag. Das mache ich schon lange so, statt Damen und Herren, sehr geehrte Mitmenschen.
    Ob es allerdings fortschrittlich ist, sich damit auseinanderzusetzen, wie die Verfassung formuliert ist, die zum Glück für jeden gleichermaßen gilt, da gehen unsere Meinungen auseinander. Finger weg von der Verfassung, wäre meine Devise! Wenigstens solange die Welt brennt, Menschen verfolgt und verjagt werden, verhungern weil Reiche mit Getreide und Reis spekulieren und noch reicher werden oder millionen Zivilisten von Qatar, den Saudis und UAE weggebombt werden, während wir sie mit Waffen beliefern und Ihnen unser Geld nur so in den Rachen werfen, ja gar vor ihnen niederknien, damit sie Al Qaida und Co. finanzieren und völkerrechtswidrige Kriege führen. Ich halte uns eher für dumm und rückschrittlich, trotz unseres Fortschritts und Gendern wird da nix dran ändern.

  18. 32.

    Die Bürger*innen meister*innen werden wahrscheinlich erspart bleiben, weil es nicht nur um die letztendliche Konsequenz männlicher u. weiblicher Ausformulierung geht, sondern auch um Lesbarkeit. Bislang zumindest hat mir darin niemand widersprochen.

    Insofern wäre eine Abwägung zu treffen zw. a) der überfälligen Berücksichtigung aller vorhandener Geschlechter innerhalb der Sprache und b) dem Umstand, dass das alles noch lesbar ist. Auch, dass eine Verfassung lyrischer abgefasst sein sollte als etwa eine technische Gebrauchsanweisung. Ansonsten würde sie etwas einbüßen.

    Für mich ist die Angelegenheit offen und sollte auch nicht polemisch diskutiert werden. Viel Glück für ein gutes Händchen.

    Drei Modelle stünden grundsätzlich zur Diskussion:
    a) Jeglichen Umstand mehrgeschlechtl. zu formulieren
    b) Sich auf eine geschlechtl. Zuordnung einigen u. am Schluss bemerken, dass das auch für die anderen Geschlechter gilt
    c) exemplarisch vom einen zum anderen Geschlecht zu springen.

  19. 31.

    Die Regierungsfraktionen planen die Änderung der Landesverfassung aus parteipolitischen Gründen. Diese Landesverfassung sollte eigentlich ein sehr hohes Gut sein. Aber wie sollen die Regierenden mit der Opposition umgehen? Den Aussagen von Herrn Redmann sollten die Wählenden keinen Glauben schenken, dann wäre ein Teil der Änderung wirkungslos. Wozu dann eine Änderung? Echte Probleme angehen Fehlanzeige, genannt sei stellvertretend der ÖPNV, Wasserknappheit, Bildung und Schulen, Kita Betreuung, das leidige Thema Corona und die Krankenhäuser. Viele Baustellen und keine Lösung seitens der Landesregierung.

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