Kommentar | Waldbrände und Klimapolitik - Brandenburgs weißer Elefant

Es ist nicht etwa Kalifornien oder Südeuropa, sondern Brandenburg: Wieder drohen Menschen per Waldbrand ihr Hab und Gut zu verlieren. Das Land dörrt aus. Statt über einen vorzeitigen Kohleausstieg wird lieber über eine Verzögerung debattiert. Von Hanno Christ
Es ist schon fast eine Art düsteres Ritual, das sich alle Jahre in Brandenburg wiederholt: Es ist heiß, Bäume brennen, die Waldbrandzentrale schlägt Alarm, hunderte Feuerwehrleute rücken aus und löschen, was das Zeug hält. Bundeswehr-Hubschrauber kreisen über Badeseen, um dort Löschwasser einzusammeln. Politiker fahren in die Waldbrand-Regionen, um sich dort ein Bild von der Lage zu machen und sich mit den Menschen zu solidarisieren.
So ist es auch wieder an diesem Wochenende geschehen, an dem sich viele an das Jahr 2018 erinnert sahen. Damals brannte es bei Treuenbrietzen schon einmal heftig. Auch damals fürchteten Hunderte Menschen um ihr Hab und Gut. Doch wie die Hubschrauber um die Brände kreisen, so tun es auch manche Politiker: Sie kreisen um Ursachen und Brandbeschleuniger dieser Katastrophen vor den Toren der Landeshauptstadt. Die Klimakrise scheint der große, weiße Elefant zu sein. Jeder sieht das Problem im Raum, vor Ort aber zählt erstmal anderes. Das Klima-Thema scheint zu groß, um es zwischen Einsatzfahrzeugen auf einem staubigen Parkplatz bei Beelitz aufzugreifen.
Klimakrise kommt zu kurz
Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) eilte am Sonntag zu den Feuerwehrleuten. Wieder einmal ging es um munitionsbelastete Flächen, über die man "dringend mit der Bundesregierung" sprechen müsse. Um eine "ganze Reihe von Lehren", die sie aus der Brandkatastrophe von 2018 gezogen hätten. Die Ausstattung etwa, die verbessert worden sei. Aber kein Wort zur Klimakrise.
Geht im Eifer der Brandbekämpfung die Frage verloren, warum die Lage eigentlich dramatischer und lebensbedrohlicher wird? Es stimmt, dass Brandenburgs karge Böden, die trockenen Kiefernwälder und Altbestände an Munition eine gefährliche Mischung bilden. Sie machen das Land so anfällig wie kein anderes Bundesland für Waldbrände. Es stimmt aber auch, dass eigene politische Entscheidungen dazu beitragen, dass sich daran so schnell nichts ändert. Im Gegenteil.
Versorgungssicherheit vor Klimaschutz
Die klimaschädliche Braunkohle-Verstromung zählt zu den Hauptverursachern der globalen Erwärmung. In China, Indien, den USA vor allem. Aber eben auch in Deutschland. Nirgendwo wird hierzulande mehr in die Atmosphäre gepumpt als in Brandenburg. Und es ist dessen Landesregierung, allen voran SPD und CDU, die sich anschicken, damit in die Verlängerung gehen zu wollen.
Woidke gehörte zu den ersten, die nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine den im Ampel-Koalitionsvertrag angedeuteten Kohleausstieg bis 2030 in Frage stellten und die Versorgungssicherheit einmal mehr über den Klimaschutz stellten. Der eigentliche Ausstieg war einst – unter Zähneknirschen von Klimawissenschaftlern – für 2038 vereinbart worden. Daran wird nun festgehalten. Verhandelt sei eben verhandelt. Dazu kommt: Die Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine, der Umbau der Energieversorgung weg von Gas und Öl verleihen der Braunkohle zusätzliches Gewicht. Es sind schlechte Rahmenbedingungen für einen besseren Klimaschutz.
Es geht um mehr als Feuerwehrausrüstung
Das Perfide an der Klimakrise ist ihr – für den Menschen scheinbar langsamer – Verlauf, die Komplexität, die es schwer bis unmöglich macht, jeder Wirkung eine klare Ursache zuzuschreiben. Was kann da der oder die Einzelne oder gar ein Bundesland alleine ausrichten? Der Finger, der auf die anderen zeigt, ist in der Klimakrise weit ausgestreckt. Bei den Anderen ist es immer schlimmer, warum sollten wir damit anfangen? Für Politiker zahlen die leisen Erfolge im Kampf gegen die Klimakrise kaum ein, die Schaffung oder der Erhalt von Arbeitsplätzen schon viel eher.
Doch wie wichtig kann Versorgungssicherheit sein, wenn Brandenburger durch die Auswirkungen der Klimakrise nicht mehr nur um Arbeitsplätze, sondern womöglich auch um Leben und Existenz fürchten müssen? Wenn das Land langsam ausdörrt und Lebensgrundlagen verloren gehen? Es geht um mehr als um eine bessere Ausrüstung der Feuerwehren, Waldumbau und Brandschneisen. Das Wochenende hat einmal mehr gezeigt wie sehr Brandenburg im Fokus der Klimakrise steht. Und dass es eine Landesregierung verdient, die entschlossen dagegen handelt.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.06.2022, 19:30
Die Kommentarfunktion wurde am 20.06.2022 um 22:15 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.