Krawalle vor Reichstagsgebäude - "Ich hatte wirklich eine große Klappe"

Fr 24.06.22 | 13:17 Uhr
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Teilnehmer einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen stehen auf den Stufen zum Reichstagsgebäude, zahlreiche Reichsflaggen sind dabei zu sehen. (Quelle: dpa/Achille Abboud)
Audio: rbb24 Inforadio | 24.06.2022 | Peter Klinke | Bild: dpa/Achille Abboud

Nach den Krawallen am Reichstag vor knapp zwei Jahren steht ein 49-Jähriger vor Gericht. Er soll Polizisten beleidigt und angegriffen haben. Doch wer an diesem Tag was getan hat, ist nicht einfach nachzuvollziehen.

Fast zwei Jahre nach den Krawallen am Reichstagsgebäude steht seit Freitag ein Mann in Berlin vor Gericht, der damals Polizisten beleidigt und angegriffen haben soll.

Die Anklage wirft dem 49-Jährigen Beleidigung, versuchte Körperverletzung sowie Widerstand und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte vor. Laut Staatsanwaltschaft gehörte der Mann am 29. August 2020 einer Gruppe von etwa 1.000 Menschen an, die sich nach einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen vor dem Reichstagsgebäude versammelt hatte. Einige von ihnen stürmten auf die Treppe des Bundestags. Dem 49-Jährigen selbst wird Letzteres nach Gerichtsangaben aber nicht vorgeworfen.

Mann erklärte, dass er kein Schläger sei

Das Amtsgericht Tiergarten hatte im September 2021 einen Strafbefehl gegen den Beschuldigten erlassen. Danach sollte der selbstständige Handwerker eine Geldstrafe von 1800 Euro zahlen. Diesen hat der Mann jedoch nicht akzeptiert, sodass es nun zur Verhandlung kam.

"Ich war sehr aufgebracht. Ich war auch allgemein sehr beleidigend", räumte der Mann vor Gericht ein. Wenn er die Videoaufnahmen von dem Geschehen betrachte und sich anschaue, wie er sich verhalten habe, sei ihm das unangenehm, sagte er. "Ich hatte wirklich eine große Klappe." Der Mann bestritt jedoch, Polizisten angegriffen zu haben. "Ich bin kein Schläger", betonte der Vater zweier Kinder.

Handwerker verteidigt sich selbst vor Gericht

Der Mann vertritt sich selbst vor Gericht. Für einen Anwalt fehlt ihm das Geld, wie er sagt. Als selbstständiger Handwerker "schlage er sich durch". Nach seinen Angaben war der 49-Jährige am Tattag zunächst bei einer Demonstration gegen staatliche Corona-Maßnahmen auf der Straße des 17. Juni. Später sei er mit seiner Freundin zum Reichstagsgebäude gezogen. Man habe von den Geschehnissen auf der Treppe gehört. "Wir waren neugierig und sind dahingelaufen."

Vor dem Reichstagsgebäude standen sich dann eine Gruppe von Menschen und die Polizei gegenüber. Die Stimmung war aufgeheizt. Dabei soll der Angeklagte einen Polizisten unter anderen als "Volksverräter" beleidigt haben. Einer der betroffenen Polizisten hatte daran keine konkreten Erinnerungen, es seien abfällige Bemerkungen gefallen. Der Beamte berichtete, dass er dem Mann mehrere Seitenschläge versetzt habe. Weitere Polizisten sollen nun bei der Fortsetzung des Prozesses am 8. Juli (9.15 Uhr) gehört werden.

Bislang 85 Verfahren

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat bislang 85 Verfahren im Zusammenhang mit den Geschehnissen vom 29. August 2020 bearbeitet. Weil Beweise nicht ausreichten oder Täter nicht identifiziert werden konnten, wurden 51 Verfahren eingestellt. In neun Fällen habe die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung per Strafbefehl beantragt. Drei solcher Fälle seien rechtskräftig abgeschlossen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.06.2022, 07:40 Uhr

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16 Kommentare

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  1. 16.

    Wenn Straftaten sowie Vergehen von größeren Menschenmengen begangen werden, ist die Beweisaufnahme schwieriger. Das erscheint absurd, ist doch der jeweilige Gesetzesübertritt umso offensichtlicher, je mehr Personen daran beteiligt sind. Pauschalverurteilungen kann es aber in einem Rechtsstaat nicht geben. Allerdings arbeitet die Justiz höchstens mit halbem Elan. Ist es doch ein Leichtes, die Organisator*innen zu identifizieren, die zum Sturm auf den Reichstag aufriefen, ebenso die Fahnentragenden, die Reichskriegsflaggen trugen sowie diejenigen, die Polizeiabsperrungen überwanden oder auch jene, die bedrohten oder beleidigten - ganz analog zu den Geschehnissen in den USA haben die Gesetzesverstoßenden ihre eigenen Taten vielfach gefilmt, Beweise selbst festgehalten. Es fehlt an Personal UND an Willen. Und jetzt drucksen sich mutmaßlich Beteiligte herum, sie seien ja keine Rechtsextremen und hätten nichts gemacht. Wie war das? Achja, "Mut zur Wahrheit".

  2. 15.

    Aus jahrelanger eigener Erfahrung weiß, daß die "Justiz" möglichst nichts unternimmt und gern Straftaten ignoriert wenn da Arbeit ansteht.
    Verletzung der Amtspflicht Pragraph 839 Stgb.
    Wenn sich da was ändern soll, muss erst mal ein Großteil dieser "Juristen" aus den Ämtern entfernt, angeklagt und verurteilt werden.

  3. 14.

    Weil die deutsche Justiz leider mit irgendwelchen dummen Verfahren lahmgelegt wird. Aber jedes Verfahren, aus welchen dummen Gründen auch immer es besteht, muss geprüft werden, das kostet Zeit. Und wenn Nachbar Meier seinen Nachbarn anzeigt, weil dieser einen zu langen Bart trägt, dann muss das zumindest geprüft werden, ob da ein Delikt vorliegt. Sie glauben gar nicht, was Fensterrentner so alles anzeigen.

  4. 13.

    In der Öffentlichkeit den großen Macker spielen und vor Gericht das Unschuldslamm sein. Welch toller Typ!

  5. 12.

    Ich gestatte mir einen kleinen Hinweis:
    Die von Ihnen gescholtene Berliner Polizei ist nicht zuständig für das Reichstagsgebäude, dort ist die Polizei beim Bundestag zuständig. Beim Bundeskanzleramt ist die Bundespolizei ständig vor Ort und zuständig. Man kann der Berliner Polizei viel vorwerfen, aber sie ist nicht für alles und jeden Zuständig oder in der Verwantwortung.
    B.t.W. Dank an die Berliner Polizei, dafür das sie da ist und ihren Kopf für uns hinhält. Dabei von der eigenen Regierung (Berliner Senat) so im Stich gelassen wird. Dieser steht aus ideologischen Gründen nicht hinter ihr. Meine Meinung und Wahrnehmung.

  6. 11.

    War das jetzt die Blaupause für Trump und seine Mannen ? Da können die Amis von der deutschen Polizei noch was lernen.
    Geringer Personalaufwand und große Wirkung nur mir Worten !

  7. 10.

    Rückblickend gesehen hatten unsere Vorfahren nicht Unrecht, als sie die Bannmeile schufen. Wohin dieser Sturm hätte führen können, zeigten die USA.Wir bewegen uns da auf einen schmalen Pfad. Es gab doch in Sachsen Auftritte rechter Horden, die Angst und Schrecken eingejagt haben.
    Gelernt hat die Berliner Polizei nicht aus dem Sturm, sonst hätten die Chaoten nicht das Kanzleramt beschmiert .
    Wenn man da so leicht rankommt!

  8. 9.

    An dieser Stelle darf der Staat durchaus ein wenig empfindlich sein. Man sieht es in Amerika, wie schnell die Demokratie futsch sein kann und wie knapp die an einer Trumptatur vorbei geschrappt sind. Demonstrieren kann man an allen prominenten Stellen in dieser Republik, auch vor dem Reichstag. Hier bestand aber die Gefahr eines sich aufschaukelnden Sturms. Wer da mitmacht, dem gehört m.E. juristisch ordentlich ins Geweih gehauen.

  9. 8.

    Ich kann schon verstehen, als die Horde Rechtsradikale, Verschwörer, Impfgegner u.a. auf die drei dort stehenden Polizisten, die dort die Demokratie verteidigten und dafür, für den heroischen Einsatz vom Bundespräsidenten ausgezeichnet wurden, zu rannten, ist das Ergebnis sehr mager.

  10. 7.

    Ja, in kleinen Dingen war die Berliner Justiz schon immer groß. Die machen keine Arbeit und sind schnell vom Tisch!

  11. 5.

    Ich kann schon verstehen, als die Horde Rechtsradikale, Verschwörer, Impfgegner u.a. auf die drei dort stehenden Polizisten, die dort die Demokratie verteidigten und dafür, für den heroischen Einsatz vom Bundespräsidenten ausgezeichnet wurden, zu rannten, ist das Ergebnis sehr mager.

  12. 4.

    Ist es noch normal, vollständig auf eine korrekte Interpunktion zu verzichten, dafür dann aber äußerst inflationär mit Fragezeichen und Ausrufezeichen um sich zu werfen? Ich finde, nicht.

    Den Strafbefehl hätte der Mann wohl schon vor einer ganzen Weile akzeptieren können. Dass er das nicht getan hat, dürfte das gesamte Verfahren deutlich in die Länge gezogen, bzw. nun erst zu besagtem Gerichtsverfahren geführt haben. Es hat also alles seine Richtigkeit, Sternchen. Auch, wenn Sie persönlich das nicht einsehen wollen oder können. Dass der Mann die Justiz so lange aufgehalten hat und immer noch aufhält, führt im Endeffekt hoffentlich zu einer noch höheren Strafe für ihn. Die Verfahrenskosten wird er im Falle einer Verurteilung ohnehin noch zusätzlich zu tragen haben. Scheiße, wem Scheiße gebührt.

  13. 3.

    Super Leistung, der Staatsanwaltschaft - echt.

    85 Verfahren - davon 51 von 100 auf 0 - irgendwie bleiben noch drei und davon kann einem schon nichts mehr vorgeworfen werden und der unscheinbare Rest wehrt sich natürlich erfolgreiche gegen was - ach ja Strafbefehl.

    Mal eine Hypothese in den Raum geworfen: Darf der Verfassungsschutz die Staatsanwaltschaft in Berlin jetzt auch Verdachtsfall nennen ?

  14. 2.

    Ich frage mich ernsthaft warum es fast z w e i Jahre dauert bis die Ermittlungen abgeschlossen sind und es zu einem Gerichtsverfahren kommt.
    IST DAS NOCH NORMAL ????
    Ich finde nicht !!!!!

  15. 1.

    Der sogenannte „Sturm auf den Reichstag“ während einer Corona-Demo vor fast zwei Jahren, war wohl kein "Sturm". Es gab bisher nur drei Verurteilungen, letztlich zu Geldstrafen, eine davon auch noch ein Propagandadelikt – vermutlich wurde eine Fahne aus der Kaiserzeit gezeigt.

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