Lehrermangel in Berlin - Grundschule in Prenzlauer Berg will Unterricht verkürzen

Di 28.06.22 | 19:00 Uhr
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Ein Mädchen geht zum Unterricht in die Grundschule am Kollwitzplatz. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Audio: radioeins | 28.06.2022 | Interview mit Sabina Ballauf | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Für das kommende Schuljahr erwartet Berlin großen Mangel an Lehrkräften. Auch Quereinsteiger können die Lücken offenbar nicht mehr füllen. Nun kündigt eine erste Grundschule an, Stunden verkürzen zu wollen. Allerdings zum Unmut einiger Kollegen.

In Berlin stellen sich Grundschulen auf ein weiteres Schuljahr mit zu wenigen Lehrkräften ein. Die "Grundschule am Kollwitzplatz" in Prenzlauer Berg plant nun sogar, den Unterricht zu verkürzen und ihn im kommenden Jahr erst später beginnen zu lassen. Darüber berichtete die "Berliner Morgenpost" am Dienstag [Angebot hinter Bezahlschranke].

Dem Bericht zufolge sollen die Unterrichtsstunden im kommenden Schuljahr nicht mehr 45, sondern nur noch 40 Minuten dauern. Durch die entstehenden freien Minuten, die sich im Laufe der Woche dann in jeder Klasse sammelten, könnte beispielsweise der Förderunterricht abgedeckt werden. Ebenso seien dann Freiräume für die Klassenratsstunden geschaffen, ohne dass weiteres Lehrpersonal gebraucht würde. Die Klassenratsstunde ist ab dem kommenden Jahr in Berlin verpflichtend.

Personalnot in ersten Stunden am größten - späterer Beginn soll es richten

Um die Inhalte trotz der verkürzten Stunden zusammenhängend vermitteln zu können, plant die Schulleitung dem Bericht zufolge ab dem kommenden Schuljahr, Unterrichtsblöcke von 80 Minuten zu bilden.

Der Unterricht solle zudem erst um 8:30 Uhr beginnen, um Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit zu bieten, ihre Kinder morgens noch vor der ersten Stunde in eine Betreuung geben zu können. Vor allem in der ersten Unterrichtsstunde sei die Personalnot in der jüngsten Vergangenheit am gravierendsten gewesen, hieß es.

Teile des Kollegiums schreiben Beschwerdebrief

Mitarbeiter der Schule bestätigen das Konzept. Es sei darüber auch bereits bei der Gesamtkonferenz abgestimmt worden. Allerdings wurde, so berichten einige Pädagogen der Schule dem rbb, das ganze nicht ordnungsgemäß getan. So wäre etwa zu kurzfristig eingeladen und im Vorfeld nicht über das Konzept informiert worden, es habe auch nicht schriftlich vorgelegen, zudem seien etwa keine Elternvertreter dabei gewesen. Insgesamt habe es kaum Informationen und Beteiligung gegeben.

"Dort wurde im Grunde gegen die Grundsätze der demokratischen Schule verstoßen", sagt eine Lehrkraft. Zehn Pädagogen haben deshalb auch einen Beschwerdebrief verfasst, der an den Personalrat, die Lehrergewerkschaft und die Schulaufsicht im Bezirk Pankow geschickt wurde.

CDU befürchtet Qualitätseinbußen im Unterricht

Katharina Günther-Wünsch, bildungspolitische Sprecherin der CDU in Berlin, äußerte die Befürchtung, dass die Qualität des Unterrichts im kommenden Schuljahr spürbar leidet. In einer Mitteilung forderte sie den Berliner Senat am Dienstag auf, den Lehrermangel strukturell anzugehen. Statt Stunden zu kürzen, sei es viel wichtiger "Kräfte in Teilzeit und abgeordnete Pädagogen wieder für mehr Unterrichtsstunden zu gewinnen".

Der erwartete Lehrermangel im kommenden Schuljahr, insbesondere an Berliner Grundschulen ist groß. Die Leiterin der "Hans Rosenthal-Grundschule" in Lichtenberg, Sabina Ballauf sagte am Dienstag auf Radioeins vom rbb, dass bald jede zweite Unterrichtsstunde von Menschen angeboten werden müsse, die noch nicht fertig ausgebildet oder per Quereinstieg ins Lehramt gekommen seien.

Gewerkschaft ruft für Mittwoch zum Warnstreik auf

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin ist alarmiert. Sie hat für Mittwoch zu einem Warnstreik aufgerufen. Sie fordert einen Tarifvertrag, in dem die Klassengrößen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen verbindlich geregelt werden. Bessere Arbeitsbedingungen seien das beste Mittel gegen Fachkräftemangel, hieß es zur Begründung. Die Gewerkschaft hatte zuletzt davor gewarnt, dass im kommenden Schuljahr bis zu 1.000 Lehrkräfte fehlen könnten.

Sendung: radioeins, 28.06.2022, 6:40 Uhr

48 Kommentare

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  1. 48.

    Ganz klares ja, wer Anträge auf Teilzeit bewilligt ist der Verantwortliche dafür. Würde mir jetzt kein anderer einfallen... ;-) Aber auch ein interessanter Punkt...auf Basis welcher Kriterien werden Teilzeitanträge eigentlich bewilligt...? Wenn es akuten Lehrkräfte-Mangel gibt sollte das schon sehr eng begrenzt sein. Wie schon geschrieben, hier geht es ja um mehr als nur ein paar Freistunden, sondern um ein angemessenes Schulangebot als Ganzes. Teilzeit finde ich da deplaziert wenn nicht unbedingt benötigt.

  2. 47.

    Also eigentlich finde ich diskutieren und sich dabei gegenseitig zu informieren viel besser...und daher auch eine Information in Ihre Richtung: Es wird eben nicht flächendeckend und konsequent gemacht, das immerhin weiß ich aus erster Hand. Und quasi frei ab Mai...gibt es nun mal auch wenn es nicht gefällt. Aber ganz allgemein, diese naiven Fragen sollten erlaubt sein. Schließlich läuft das Zusammenspiel Schule, Lehrer, Schüler offensichtlich nicht gut und alle Denkanstöße könnten etwas bewirken. Natürlich nur wenn sich die Beteiligten auch wirklich bewegen wollen.

  3. 46.

    Sie haben ja echt eine hohe Meinung über die Lehrkräfte. Nach Ihrer Meinung ist der Senat Schuld daran wenn er den Lehrkräftemangel beklagt, weil er vorher die Lehrkräfte in Teilzeit geschickt hat? Wirklich? Aber wie Sie hier selbst festgestellt haben, stehen Sie mit der Meinung ziemlich allein da.

  4. 45.

    "... ab nächstem Schuljahr dürfen auch ohne Prüfung alle Kinder in dieser Zeit kommen. ..."
    Haben Sie dazu evtl. einen Link?
    Vielen Dank im Voraus

  5. 44.

    Ich habe 4 Kinder im Alter von 10 bis 27 Jahren und ich habe in den letzten Jahren eine deutliche Verschlechterung der Unterrichtsqualität, der pädagogischen Fähigkeiten der Lehrer und massive Aussetzer bei der häuslichen Erziehung der Kinder festgestellt.
    Für jein Geld der Welt würde ich Lehrer werden, denn noch schlimmer als die Kinder sind deren Eltern!
    Und so trägt jeder Einzelne zur Katastrophe bei.....!

  6. 43.

    "und können zum Abbau von bestehenden Überstunden genutzt" - das wird längst so gemacht, weiß jeder Oberstufenkoordinator, der die Stunden plant...
    Bitte erst informieren, dann mitdiskutieren. Sonst fängt immer "die gleiche Leier" von vorne an. Wer ist der Deutungspapst über Lehrerarbeitszeiten?

  7. 42.

    Eine Schulstunde von 45 Minuten auf 40 Minuten zu verkürzen, da zu bedarf es keine Klugheit.
    Es ist die einfachste Lösung.

  8. 41.

    Ich kann Sie beruhigen: Habe eine Fortbildung zum Thema absolviert und das Ganze nach drei Wochen Praxiserprobung wegen Sinnlosigkeit wieder sein lassen.

  9. 40.

    Ja eben, Fragen über Fragen die mal gestellt, ausgewertet und vor dem Hintergrund der aktuellen Misere beantwortet werden müssen . Da reicht es aber nicht, nur alles abzuwiegeln und auf hohe Belastung allgemein hinzuweisen.
    Meine Meinung zu Abiturarbeiten: Stichwort Fächerkombi! Nicht jeder Lehrer hat haufenweise Abi-Arbeiten zu kontrollieren. Diejnigen die das nicht haben, können bis zu den Ferien anderweitig aushelfen.

    Bei Projektwochen und Praktikumsberichten ist es schwieriger, aber auch diese kurzen Leerzeiten reduzieren ja das Stundenkonto und können zum Abbau von bestehenden Überstunden genutzt werden. Ist außerhalb der Schulen ganz normal.

  10. 39.

    Immer wieder erstaunlich, dass bei so wenig Arbeit und so viel Ferien niemand den Beruf ausüben möchte bzw. in Teilzeit geht, obwohl man es sich finanziell eigentlich nicht leisten kann.

    Und an alle, die der Meinung sind, dass Lehrer zu wenig arbeiten für ihr Geld - nur zu! Sie werden überall mit Kusshand genommen! Aber bitte beschweren Sie sich nicht, wenn Ihr Tag um 7 in der Schule beginnt, Sie ab diesem Zeitpunkt einem unsichtbaren Geräuschpegel ausgesetzt sind, es nicht mal zu Toilette schaffen, um 15:00 Uhr dann völlig fertig, ohne Mittagessen nach Hause fahren oder am besten direkt zur Kita, sich um den eigenen Nachwuchs kümmern.

    Es gibt leider immer mehr Burn-Out Fälle und die besten, jungen Lehrer gehen alle in Teilzeit. Vielleicht sollte man das auch einmal bedenken, wenn man immer gegen die faulen Lehrer argumentiert.

  11. 38.

    Sehe ich ähnlich. Auch der Beschluss zu dieser zusätzlichen Stunde in einer Nacht- und Nebelaktion kurz vor den Wahlen war äußerst fragwürdig. Leider kommt das Thema in den Medien bislang nicht vor.

  12. 37.

    Die Arbeitsmenge ist ja stark von der Fächerkombination abhängig und dem eigenen Anspruch. Die schlechte Ausstattung ist ein Trauerspiel, finde ich auch. Wäre mir als Senat peinlich. Aber das hat beides nichts mit meinen genannten Punkten zu tun.

  13. 35.

    Oh Menno. Das ist wieder ein Kommentar ohne irgendein Hintergrund-Wissen.Wozu der Klassenrat wirklich da ist, wissen Sie wahrscheinlich gar nicht. Ich finde allerdings den ganzen Artikel hier n bissel komisch. Dieses Konzept der Schule ist nicht neu. Das machen andere auch.Die GK der Schule hat es beschlossen, aber im Nachhinein beschweren sich 10 Lehrer?Öffentlich?Komisch!Es fällt auch keine Unterrichtszeit weg, die bleibt ja gleich.Durch verkürzte Stunden wird kein Lehrermangel ausgeglichen.

  14. 34.

    Grade eine Schule im reichen Yuppie Bezirk, erstaunlich.

  15. 33.

    Wenn ich "Klassenratsstunden", noch dazu verpflichtend, höre, kommt mir glatt die Galle hoch. Nur um wiedereinmal ein Stück DDR - Nostalgie in den Lehrplan zu implementieren, wird wertvolle Unterrichtszeit und Personal verheizt.

  16. 32.

    Bin mal gespannt, wie dann die Kinder aufgefangen werden, denn es gibt auch extremen Erzieher-Mangel. Das interessiert die Politik allerdings noch weniger. Und die Erzieher sind von 6.00 bis 18.00 Uhr anwesend, und ab nächstem Schuljahr dürfen auch ohne Prüfung alle Kinder in dieser Zeit kommen. Aber es wird kein zusätzliches Personal berechnet. Unterricht kürzen schön und gut, die Kinder kommen trotzdem. Das 40-Minuten-Modell ist übrigens gar nicht neu. Das gibt es bei uns auch.

  17. 31.

    Wird eigentlich jetzt - spätestens jetzt - dem Senat irgendwie bewußt, dass wir uns zu einem Entwicklungsland entwickeln?
    Wir bieten hier noch nicht einmal den Jüngsten auch nur ein Stückchen Perspektive , außer Kürzen, weniger, sparen, geht gar nicht, haben wir nicht. Dann können wir uns auch diese Bildungssenatoren mit samt Kultusministerkonferenz sparen.

  18. 30.

    Das Thema ist schwierig. Es muss auch definitiv zwischen Grund- und weiterführenden Schulen unterschieden werden. Hier ist das Pensum unterschiedlich verteilt.
    Generell sollte man eventuell auch ganz andere Wege gehen.
    Komplette Entlastung der Lehrer von Verwaltungs-und Bürokratie Aufgaben. Beispiel: Klassenfahrten, Wandertage organisieren. Organisatorische Nachfragen von Eltern klären. Dies können zusätzlich zu den Sekretärinnen auch Verwaltungs Mitarbeiter leisten und die verdienen auch noch die Hälfte weniger. Soll es ja bei großen Schulen schon geben.
    Und mal zur 50 Stunden Woche. Kenne ich auch Lehrer, aber die sagen, dafür habe ich auch fast 6 Wochen mehr frei als der Normalbürger.

  19. 29.

    Haben Sie schon einmal Betriebspraktikanten verstreut in der ganzen Stadt besucht und dann die Praktikumsberichte korrigiert? Wer korrigiert die Abiturarbeiten, wenn die Lehrer dann woanders vertreten sollen? Wer führt die Projektwochen durch und plant diese? Fragen über Fragen...

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