Lehrermangel in Berlin - Grundschule in Prenzlauer Berg will Unterricht verkürzen

Für das kommende Schuljahr erwartet Berlin großen Mangel an Lehrkräften. Auch Quereinsteiger können die Lücken offenbar nicht mehr füllen. Nun kündigt eine erste Grundschule an, Stunden verkürzen zu wollen. Allerdings zum Unmut einiger Kollegen.
In Berlin stellen sich Grundschulen auf ein weiteres Schuljahr mit zu wenigen Lehrkräften ein. Die "Grundschule am Kollwitzplatz" in Prenzlauer Berg plant nun sogar, den Unterricht zu verkürzen und ihn im kommenden Jahr erst später beginnen zu lassen. Darüber berichtete die "Berliner Morgenpost" am Dienstag [Angebot hinter Bezahlschranke].
Dem Bericht zufolge sollen die Unterrichtsstunden im kommenden Schuljahr nicht mehr 45, sondern nur noch 40 Minuten dauern. Durch die entstehenden freien Minuten, die sich im Laufe der Woche dann in jeder Klasse sammelten, könnte beispielsweise der Förderunterricht abgedeckt werden. Ebenso seien dann Freiräume für die Klassenratsstunden geschaffen, ohne dass weiteres Lehrpersonal gebraucht würde. Die Klassenratsstunde ist ab dem kommenden Jahr in Berlin verpflichtend.
Personalnot in ersten Stunden am größten - späterer Beginn soll es richten
Um die Inhalte trotz der verkürzten Stunden zusammenhängend vermitteln zu können, plant die Schulleitung dem Bericht zufolge ab dem kommenden Schuljahr, Unterrichtsblöcke von 80 Minuten zu bilden.
Der Unterricht solle zudem erst um 8:30 Uhr beginnen, um Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit zu bieten, ihre Kinder morgens noch vor der ersten Stunde in eine Betreuung geben zu können. Vor allem in der ersten Unterrichtsstunde sei die Personalnot in der jüngsten Vergangenheit am gravierendsten gewesen, hieß es.
Teile des Kollegiums schreiben Beschwerdebrief
Mitarbeiter der Schule bestätigen das Konzept. Es sei darüber auch bereits bei der Gesamtkonferenz abgestimmt worden. Allerdings wurde, so berichten einige Pädagogen der Schule dem rbb, das ganze nicht ordnungsgemäß getan. So wäre etwa zu kurzfristig eingeladen und im Vorfeld nicht über das Konzept informiert worden, es habe auch nicht schriftlich vorgelegen, zudem seien etwa keine Elternvertreter dabei gewesen. Insgesamt habe es kaum Informationen und Beteiligung gegeben.
"Dort wurde im Grunde gegen die Grundsätze der demokratischen Schule verstoßen", sagt eine Lehrkraft. Zehn Pädagogen haben deshalb auch einen Beschwerdebrief verfasst, der an den Personalrat, die Lehrergewerkschaft und die Schulaufsicht im Bezirk Pankow geschickt wurde.
CDU befürchtet Qualitätseinbußen im Unterricht
Katharina Günther-Wünsch, bildungspolitische Sprecherin der CDU in Berlin, äußerte die Befürchtung, dass die Qualität des Unterrichts im kommenden Schuljahr spürbar leidet. In einer Mitteilung forderte sie den Berliner Senat am Dienstag auf, den Lehrermangel strukturell anzugehen. Statt Stunden zu kürzen, sei es viel wichtiger "Kräfte in Teilzeit und abgeordnete Pädagogen wieder für mehr Unterrichtsstunden zu gewinnen".
Der erwartete Lehrermangel im kommenden Schuljahr, insbesondere an Berliner Grundschulen ist groß. Die Leiterin der "Hans Rosenthal-Grundschule" in Lichtenberg, Sabina Ballauf sagte am Dienstag auf Radioeins vom rbb, dass bald jede zweite Unterrichtsstunde von Menschen angeboten werden müsse, die noch nicht fertig ausgebildet oder per Quereinstieg ins Lehramt gekommen seien.
Gewerkschaft ruft für Mittwoch zum Warnstreik auf
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin ist alarmiert. Sie hat für Mittwoch zu einem Warnstreik aufgerufen. Sie fordert einen Tarifvertrag, in dem die Klassengrößen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen verbindlich geregelt werden. Bessere Arbeitsbedingungen seien das beste Mittel gegen Fachkräftemangel, hieß es zur Begründung. Die Gewerkschaft hatte zuletzt davor gewarnt, dass im kommenden Schuljahr bis zu 1.000 Lehrkräfte fehlen könnten.
Sendung: radioeins, 28.06.2022, 6:40 Uhr