Integration in den Arbeitsmarkt - Bund plant Sonderregeln für ukrainische Ärzte

Sa 04.06.22 | 15:35 Uhr | Von Tobias Schmutzler
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Medizinisches Personal behandelt einen Patienten in einem Krankenhaus (Bild: dpa/Sebastian Gollnow)
Video: rbb24 Abendschau | 03.06.2022 | Tobias Schmutzler | Bild: dpa/Sebastian Gollnow

Mindestens ein Jahr Deutsch lernen müssen ukrainische Ärztinnen und Ärzte, bevor sie eine Berufserlaubnis bekommen. Abhilfe soll ein neues Gesetz schaffen, das Ukrainern erlauben könnte, Landsleute zu behandeln. Von Tobias Schmutzler

"Haben Sie Schmerzen?" - "Nein, danke." - "Das ist gut." Einfache Patientengespräche auf Deutsch zu üben, steht für Krystyna Khokhlova jetzt ein bis zwei Mal pro Woche auf dem Plan. In einem Café am Brandenburger Tor trifft sie sich mit anderen geflüchteten Ärztinnen in einem Sprachklub. Fast alle hier sind vor drei Monaten aus der Ukraine vor dem russischen Angriffskrieg geflohen.

Mit ihrem dreijährigen Sohn ist Krystyna Khokhlova aus Cherson geflüchtet - einer Stadt, die aktuell von russischen Truppen kontrolliert wird. "In Berlin möchte ich so schnell wie möglich wieder arbeiten gehen", sagt die 30-Jährige. Zuletzt hat sie drei Jahre lang als Allgemeinärztin in einer ukrainischen Poliklinik gearbeitet. "Mein Sohn geht in den deutschen Kindergarten, ich habe also die Zeit zu arbeiten - und ich will es auch."

Mindestens ein Jahr Deutsch lernen für die Berufserlaubnis

Doch so einfach ist es nicht. Ukrainische Ärztinnen und Ärzte müssen die gleichen strengen Zulassungsverfahren durchlaufen wie Deutsche. Das heißt, der normale Weg führt über die Approbation. Dafür müssen Bewerberinnen und Bewerber bei der Berliner Ärztekammer einen Fachsprachentest schaffen und das Sprachniveau C1 nachweisen. Aber: Deutsch lernen ist schwer, sagt Krystyna Khokhlova. Wie ihre Arztkolleginnen im Sprachklub wird auch sie wohl mindestens ein Jahr brauchen, um die deutsche Sprache gut genug zu beherrschen.

Alternativ zur Approbation können Ärztinnen und Ärzte auch nur die vorübergehende Berufserlaubnis beantragen. Diese ist dann aber an bestimmte Bedingungen geknüpft, erklärt eine Sprecherin des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGeSo). Beispielweise muss dann noch ein anderer, appprobierter Arzt Aufsicht haben, der ebenfalls Ukrainisch oder Englisch spricht und so die Kommunikation mit Patienten steuern kann.

Bisher nur eine einzige Berufserlaubnis für eine ukrainische Ärztin in Berlin

Bisher ist so eine Berufserlaubnis in Berlin aber nur an eine einzige ukrainische Ärztin vergeben worden, teilt das LAGeSo dem rbb auf Anfrage mit. Die betroffene Ärztin habe Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 nachweisen können. Insgesamt haben laut Landesamt bisher zehn Ukrainerinnen und Ukrainer Anträge auf Approbation oder Berufserlaubnis gestellt. Die niedrige Zahl dürfte auf die hohen sprachlichen Hürden zurückzuführen sein. Wie viele Ärztinnen und Ärzte aus der Ukraine sich insgesamt in Berlin aufhalten, wird nicht offiziell gezählt.

Krystyna Khokhlova versteht, warum sie als Ärztin die deutsche Sprache sehr gut sprechen können muss, wenn sie deutsche Patienten behandelt. Aber gäbe es nicht einen Kompromiss? "Wenn es geht, würde ich auch nur ukrainisch sprechende Patienten behandeln", sagt sie. Ein Vorschlag, den im Sprachklub viele gut finden - auch der Leiter Oleksii Ukrainskyi. Der Facharzt für Anästhesie lebt seit 2016 in Deutschland. Nachdem Russland den Krieg begonnen hatte, rief er über eine Chatgruppe im Messenger Telegram den Sprachklub ins Leben.

Bundesregierung arbeitet an Sonderregelung

"Das ist ein längerfristiges Projekt", sagt Oleksii Ukrainskyi. "Die Leute hier brauchen eine gute Integration." Für den Übergang, bis die Ukrainerinnen Deutsch beherrschen, fände er eine Zwischenlösung sinnvoll. "Das sind erfahrene Ärztinnen. Sie könnten unter Aufsicht eines approbierten Arztes ukrainische Flüchtlinge und andere Patienten mitbetreuen." Das könnte den Neuangekommenen aus seiner Sicht auch dabei helfen, die deutschen Fachbegriffe schneller zu lernen.

Tatsächlich arbeitet die Bundesregierung aktuell an einer Sonderregelung. Das Bundesgesundheitsministerium bestätigt dem rbb auf Anfrage, aktuell an einem Entwurf für eine Ausnahmegenehmigung zu arbeiten, nach der ukrainische Ärzte zum Beispiel Landsleute behandeln dürften.

Ukrainische Ärztin: Absagen von Arztpraxen "frustrierend"

Angelehnt ist die Idee an eine frühere Regelung, die nach der Flüchtlingskrise 2015 syrischen Ärzten erlaubte, in deutschen Asylunterkünften Landsleute zu behandeln. Bis wann der neue Entwurf für die ukrainischen Ärztinnen und Ärzte fertig ist, kann das Gesundheitsministerium aber nicht sagen. Am Ende muss das dazugehörige Gesetz ohnehin der Bundestag beschließen.

"Wohin strahlen die Schmerzen aus?" - "Die Schmerzen strahlen in den Rücken aus." Die Dialogübungen im Sprachklub am Brandenburger Tor sind jetzt ein bisschen anspruchsvoller geworden. Neben Krystyna Khokhlova, der Allgemeinärztin, sitzt Yuliia Redko, eine Expertin für Endometriose. "Drei Monate ohne Arbeit, das ist schon schwer für mich", sagt die 45-Jährige. Sie habe viele Briefe an Arztpraxen in Berlin geschrieben, aber nur Absagen erhalten - wegen der fehlenden Approbation. "Das ist frustrierend. Aber mein Motto ist jetzt: Schritt für Schritt." Sie und die anderen Ärztinnen versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen.

Sendung: Abendschau, 03.06.2022 , 19:30 Uhr

Beitrag von Tobias Schmutzler

13 Kommentare

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  1. 13.

    " Die lassen sich lieber von Tchibo in einem MVZ, ( ...... ) , anstellen. Frohe Zukunft. "

    die Investitionen in eine eigene Praxis sind hoch , je nach Fachrichtung auch sehr hoch . Dann das Problem MFA zu finden ( med.Fachangestellte ) , den Ärger mit der KV , der fast unausweichlich ist. Ulaubsvertretung etc. Da ist es doch verständlich, dass junge Fachärzte den eher risikolosen und bequemen Weg einer Anstellung zu akzeptablen Konditionen in einem MVZ wählen.
    Und zu Arzt in eigener Verantwortung : auch im MVZ ist der Arzt für seine Entscheidungen verantwortlich, er benötigt ebenfalls eine Berufshaftpflichtversicherung

  2. 12.

    Wahrscheinlich sind Sie zu jung um sich an ein Auslandsstudium zu erinnern. Es wurden auch nicht alle delegiert, ein bisschen Wissen und Intelligenz waren schon notwendig. Die Leute kamen als ausgebildete Ärzte und Ingenieure zurück und waren sehr gute Fachleute. Was das mit den Genossen zu tun hat, werden wohl nur Sie wissen und verstehen

  3. 11.

    Mit diesem Beitrag diskreditieren Sie sich selbst. Wer als linienteuer Abiturient zum Studium nach Moskau geschickt wurde, der wusste immer, daß seine Genossen ihm die berufliche Zukunft sichern. Das galt für alle RGW-staaten. Der einzige "Makel", sollte zu Ihrem Abschluss ein Doktortitel verliehen worden sein, müssen Sie das Land hinter Ihrem Titel angeben.

  4. 10.

    So überfordert wie der/die Admin dieser Kommentarseite sind auch die "jungen" Ärzte. Von wegen Eid des Hippokrates, wenn dann Genfer Gelöbnis. Viel wichtiger ist Balence of work and life. Und hier liegt die Betonung auf life. Den Arzt in eigener Verantwortung werden sie bald nicht mehr finden. Die lassen sich lieber von Tchibo in einem MVZ, geboren von Frau Ulla Schmidt, anstellen. Frohe Zukunft.

  5. 8.

    Und by the way, ein Studium an der Berliner Charité reichte auch nicht um automatisch vor 1990 eine Approbation zu bekommen. Ebenfalls erst eine vorläufige Arbeitserlaubnis vom LaGeSo.

  6. 7.

    Ärzte haben den hippokratische Eid abgelegt, um anderen Menschen zu helfen.
    Ich frage mich warum so viele Ärzte aus der Ukraine geflohen sind, statt den dort mehrheitlich gebliebenen Menschen weiterhin zu helfen.

  7. 6.

    Ich frage mich, warum es Unterschiede zwischen den ausgebildeten Ärzte aus Syrien, Afghanistan und dem Rest der Welt, die zu uns in die BRD gekommen sind und heute noch um ihre Anerkennung als Ärzte kämpfen, und den aus der Ukraine Kommenden gibt?
    Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Gibt es gut ausgebildete Flüchtlinge 2. Klasse?

  8. 5.

    Wer als DDR-Bürger in Moskau studierte, konnte Deutsch und Russisch. Was hat das mit der Situation eines nicht deutsch sprechenden Arztes hierzulande zu tun? Selbstverständlich muss man mit seinen Patienten kommunizieren können, um als Arzt zu arbeiten.

  9. 4.

    " das Ukrainern erlauben könnte, Landsleute zu behandeln."

    und vom wem würden die bezahlt ?

    @ SaschaSamstag, 04.06.2022 | 18:56 Uhr " Dann kann man diese überflüssigen Regeln ja = ganz abschaffen "
    ein berechtigter Einwang

  10. 3.

    Bei Fahrerlaubnis genauso... überall soll man jetzt Regeln brechen können. Wozu hat man diese denn erst erfunden, wenn sie jetzt scheinbar gar nicht nötig sind und mir nichts dir nichts ausgesetzt werden können. Dann kann man diese überflüssigen Regeln ja = ganz abschaffen, wenn sie eh nur für manche gelten müssen.

  11. 2.

    1. Es muss schlimm um den deutschen Fachkräftemarkt bestellt sein - sehr schlimm.
    2. Wo sind die vom deutschen Steuerzahler ausgebildeten Ärzte?
    3. Was macht die Ukraine, wenn ihre Ärzte nach D abwandern?
    Fragen über Fragen, die sich die deutsche Politik offensichtlich nicht stellt.

  12. 1.

    Der Geschichte nach soll es mal eine Zeit gegeben haben, da durfte man in der Sowjetunion als Bürger eines kleinen deutschen Staates sogar studieren. Und wie wunderlich, die hatten dort sogar feste Gebäude die man Universitäten nannte. Die erzielten Abschlüsse waren dann in dem kleinen deutschen Staat sogar anerkannt und die Betroffenen waren gute Fachleute. Aber wie schon erwähnt, diese Zeit gab es mal, heute ist das anders und vor allem besser!! Ende der Ironie.

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