Landesparteitag am 19. Juni - Wie Giffey und Saleh die Berliner SPD auf Linie bringen

Sa 11.06.22 | 10:36 Uhr | Von Dorit Knieling und Jan Menzel
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Franziska Giffey, SPD-Landeschefin, und Raed Saleh, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, halten am 05.12.2021 den Koalitionsvertrag nach der Abstimmung darüber auf dem SPD-Landesparteitag (Quelle: dpa/Annette Riedl)
Audio: rbb24 Inforadio | 11.06.2022 | Jan Menzel | Bild: dpa/Annette Riedl

Nach einer langen Corona-Pause treffen sich die Berliner Sozialdemokraten am nächsten Wochenende wieder zu einem Parteitag in Präsenz. Das Führungsduo Giffey und Saleh muss nicht um seine Wiederwahl fürchten. Offen ist, wer mehr Rückhalt hat. Von Dorit Knieling und Jan Menzel

Es fängt schon mit der Anreise an. Ein Großteil der Parteitags-Delegierten kommt nicht alleine mit dem Auto oder mit der S-Bahn zum Parteitag ins Neuköllner Hotel Estrel. Stattdessen werden viele gemeinsam in einem Reisebus vorfahren. Sie kommen direkt von der SPD-Fraktionsklausur in Potsdam, die dieses Mal ganz hinter verschlossenen Türen und ohne Pressebegleitung stattfindet. Nach Klausur und kollektiver Busfahrt ist der Parteitag am 19. Juni quasi die nächste Station auf einer parteiinternen Klassenfahrt. Für die Berliner SPD ist das auffällig viel Gemeinschaftsaktivität an einem Wochenende.

Sinn macht das aber allemal. Corona hat in den vergangenen beiden Jahren die Parteiarbeit, ganz normale Kontakte und Parteitage massiv erschwert. Außerdem ist die Abgeordnetenhausfraktion seit der Wahl eine völlig andere. Zahlreiche jüngere Abgeordnete sind dazugekommen, während langjährige Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die den Laden zusammengehalten haben und in ihren Bereichen Experten waren, nicht mehr dabei sind. Sogar die einst so mächtigen Parteiflügel, vor allem die Linke in der SPD, wirken merkwürdig gestutzt.

Partei aus einem Guss

Letzteres liegt auch an den beiden Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh. Vor allem Saleh beackert das Feld der Partei bis hinein in den kleinsten Ortsverein. Auf jeder Ebene, im hintersten Winkel und in jeder Arbeitsgemeinschaft hat der Fraktionschef Vertraute. Saleh pflegt ein Netz aus Kontakten, greift zum Handy und schaut auch mal persönlich vorbei. "Wir wollen gerne die Partei aus einem Guss gestalten. Partei, Fraktion und Senat müssen und werden in Zukunft weiter zusammenarbeiten", umreißt die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, wie sie sich das Zusammenspiel vorstellt.

Was das machttechnisch bedeutet, war kürzlich bei den Wahlen der Kreisvorsitzenden zu beobachten. Charlottenburg-Wilmersdorf als einer der großen SPD-Kreisverbände war in der Vergangenheit stets im Lager um den ehemaligen Regierenden Bürgermeister Michael Müller und den langjährigen Kreischef Christian Gaebler zu verorten und damit so ganz und gar nicht auf Saleh-Linie. Dort hat sich nun ein Führungs-Team um den Kreisvorsitzenden Kian Niroomand gebildet, auf das Fraktions- und Landeschef Saleh zählen kann.

Linker Flügel hat kaum noch etwas zu melden

Einen regelrechten Coup landeten die beiden Landesvorsitzenden Raed Saleh und Franziska Giffey im April, als sie der überraschten Partei ihr Personalpaket für den geschäftsführenden Landesvorstand präsentierten. Männer und Frauen, Ost und West sowie Politikerinnen und Politiker, die eine Zuwanderungsgeschichte mitbringen, sind dabei. "Die neuen Gesichter stehen für die Vielfalt Berlins", lobt Saleh seine handverlesene Führungsmannschaft, zu der neben Charlottenburgs Kreischef Niroomand auch die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium Cansel Kiziltepe und die Pankower Stadträtin Rona Tietje gehören.

Zum vollständigen Bild gehört aber auch, dass die einst mächtige Parteilinke kaum noch etwas zu melden hat. Mit dem bisher noch stellvertretenden Landesvorsitzenden Julian Zado geht der letzte einflussreiche Vertreter dieser Gruppierung von Bord. Im Falle Zados hat das vor allem berufliche Gründe. Der Jurist ist durch seine Tätigkeit im Bundesverteidigungsministerium zeitlich extrem gefordert.

Warnung vor "Spandauisierung"

Dass aber niemand anderes aus Zados Kreisverband Mitte für ihn nachrückt, überhaupt, dass dieser größte Kreisverband der Berliner SPD außen vor bleibt, zeigt, wie sehr sich die Gewichte verschoben haben. "Natürlich haben wir als Kreisverband den Anspruch, das wir entsprechend repräsentiert werden", meldet der Abgeordnete Mathias Schulz aus Mitte nur zaghaft Ansprüche an und schiebt gleich hinterher, dass es auch darum gehe, welche Themen man setzen könne.

Manche, die dem immer mächtiger werdenden Fraktionschef Saleh kritisch gegenüberstehen, warnen angesichts der Entwicklung vor einer "Spandauisierung" der Berliner SPD. Eine Anspielung auf die Verhältnisse in Salehs Heimatkreis Spandau, in dem praktisch nichts ohne dessen Wissen und Zustimmung läuft.

Wahlergebnis von 2020 auf dem Prüfstand

Gespannt blicken viele in der SPD insbesondere darauf, wie sich die Dinge innerhalb des Vorsitzenden-Duos Giffey-Saleh künftig entwickeln. Bislang war die Arbeitsteilung recht klar: Sie ist die Nummer 1. Sie regiert und repräsentiert die Stadt vom Roten Rathaus aus, während er mehr im Hintergrund wirkt, die Fäden spinnt und Mehrheiten organisiert. Bei ihrer ersten Wahl als Landesvorsitzende vor anderthalb Jahren kam Giffey auf knapp 90 Prozent der Stimmen. Saleh erreichte rund 69 Prozent.

Und dieses Mal? "Das kann man in Zahlen nicht ausdrücken. Ich bin sehr erfreut, wenn es weiter eine gute Unterstützung gibt", antwortet die Regierende Bürgermeisterin vorsichtig und lächelt dabei fein. Tatsächlich gehen die meisten Sozialdemokraten von schlechteren Ergebnissen für die beiden Landesvorsitzenden als 2020 aus. Manche spekulieren sogar, dass sich da etwas drehen könnte und der Fraktionsvorsitzende am Ende vor der Bürgermeisterin liegen könnte.

Klare Ansagen vor dem Parteitag

Darauf zu wetten, wäre aber genauso verfrüht, wie darauf zu vertrauen, dass aufwendiges Teambuilding und kollektives Busfahren aus einem SPD-Landesparteitag eine Harmonie-Veranstaltung macht. Das dürften schon ein "Ehemaliger" und der aufmüpfige Parteinachwuchs verhindern. Ex-Finanzsenator Matthias Kollatz hatte seinen beiden Landesvorsitzenden schriftlich mitgeteilt, dass er wenig Lust auf salbungsvolle Danksagungen verspürt und Saleh und Giffey gebeten, von Parteitags-Belobigungen Abstand zu nehmen.

Die Jusos wiederum setzen Giffey und Saleh mit einer Reihe von inhaltlichen Anträgen unter Druck. So verlangen sie, dass sich die Partei klipp und klar zur Enteignung großer Wohnungskonzerne bekennt. Er gehe nicht mehr um das "Ob", sondern um das "Wie" einer verfassungskonformen Umsetzung des Enteignungs-Volksentscheids, findet der Parteinachwuchs und widerspricht damit allem, was die Regierende Bürgermeisterin zu dem Thema erklärt hat.

A100-Ausbau als Parteitags-Dauerbrenner

Als Parteitags-Dauerbrenner erweist sich einmal mehr die A100, wobei die Jusos sich hier im Verbund mit einigen Kreisverbänden Chancen auf einen Erfolg ausrechnen können. Sie wollen erreichen, dass Berlin den Planungen für einen Weiterbau der Autobahn jenseits des Treptower Parks eine Absage erteilt. Die Landesvorsitzenden wollen lediglich die Planungen für eine Verlängerung für die Zeit bis zur nächsten Wahl ausschließen. Aber auch für den Fall, dass der Parteitag seinen beiden Spitzenleuten an dieser Stelle die Richtung vorgegeben sollte, gibt sich Raed Saleh gelassen. "Ich hab in meinem Leben schon so viele Anträge zur A100 kommen und gehen sehen", sagt er und das klingt nicht, so als wolle er sich von seiner Linie abbringen lassen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.06.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Dorit Knieling und Jan Menzel

26 Kommentare

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  1. 26.

    Ihnen ist offenbar die Grundstruktur der Demokratie nicht so ganz klar.
    Sind Sie nicht allein: Regelmässig werden deshalb aus dem Milieu in dem "Berufserfahrung" "Qualifikation" und "Expertentum" eingefordert wird, jenes politische Aufsichts /Kontroll /Gestaltungspersonal gewählt, dass am lautesten solche Fähigkeit marketingmässig für sich beansprucht. Aber ein fraglos gottbegnadeter Bäckermeister mit langer Berufserfahrung, kann die unterirdischste Sozialpolitik vertreten. Oder für den massenhaften Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft eintreten. Weil es seiner "Experten-Erfahrungansicht" nach halt die Mehlproduktion billig macht. Merkwürdig auch - gerade im Milieu das solcherart mit dem Ständestaat, der "Expertenregierung" liebäugelt, spielt fraglos vorhandene Kompetenz durch Ausbildung und Berufserfahrung keinerlei Rolle. Sonst hätte man ja Katrin Lompscher als Bausenatorin unterstützen müssen. Sie hat sowohl akademische wie handwerkliche Kompetenz vorzuweisen im Fach.

  2. 25.

    Hallo Gerd Glaudino,
    ich glaube Sie verwechseln hier einiges, denn ich habe NIE behauptet, dass Frau Giffey etwas für den Ukrainekrieg kann. Ich habe explizit von Entscheidungen für Berlin und demzufolge vom gesamten Berliner Senat gesprochen und nicht nur von einer Person.
    Also halten Sie sich bitte mit solchen Diffamierungen zurück.

  3. 24.

    Hallo HF,
    1. schreie ich nicht herum und
    2. ist das Wahlergebnis angesichts der vielen Wahlpannen anzuzweifeln.

  4. 23.

    Zitat: "NICHTS hat sie erreicht außer dem massiven Versuch, die Autos aus der Stadt zu verbannen und die überdimensionalen Radfahrspuren zu einzurichten."

    Wie realitätsabgewandt kann man eigentlich sein, um solchen Guano zu behaupten? Denn mal abgesehen davon, dass Sie als angbl. Berliner im allgemeinen wohl kaum schlechter als vor 100 Tagen leben dürften - für den Ukraine Krieg kann Giffey nun wirklich nichts -, hat Berlin bisher kaum Bundesmittel zur Radwege-Finanzierung abgerufen. Und dass Giffey keine 'linke Autohasserin' ist, dürfte selbst bei PS Freunden einigermaßen angekommen sein.

    https://www.tagesspiegel.de/berlin/kein-plan-fuer-26-millionen-euro-berlin-ruft-kaum-mittel-fuer-radwege-finanzierung-ab/28336660.html

  5. 22.

    Wozu? Berlin braucht Politiker mit Charisma wie Herrn Buschkowski. Da hat wohl Frau G, nichts gelernt!

  6. 21.

    Saleh und Giffey - Zwei, die Berlin braucht.
    Das war purer Sarkasmus!

  7. 19.

    soldet werden, als langjährige Mitarbeiter.

  8. 18.

    Ich bin dann schon mal gespannt, welche Erklärung diese Partei dafür abgeben wird, daß der öffentliche Dienst, seit Herrn Wowereit, Sparen bis es quitscht, so abgewirtschaftet ist, daß nicht mal mehr die angepeilte und in der Art insuffiziente Digitalisierung wirkt, abgibt. Die SPD-personalpolitik im öffentlichen Dienst ist seit Jahren, eher Jahrzehnten unsozial um nicht zu sagen asozial, daß dürfte sich kein Arbeitgeber erlauben. Das Unrecht verstärkt sich noch, daß unwissende Newcomer höher be

  9. 17.

    Hallo Holger,
    NICHTS hat sie erreicht außer dem massiven Versuch, die Autos aus der Stadt zu verbannen und die überdimensionalen Radfahrspuren zu einzurichten.

  10. 16.

    Hallo HF,
    SIE wollen lieber Grünflächen anstelle einer Autobahn und verkaufen IHRE Meinung
    "als MEHRHEIT DER BERLINER" ???
    Sie vergessen, dass nicht der Berliner Senat und auch nicht SIE das Sagen haben - zum Glück.

  11. 15.

    Tja, für Berlin hat der Senat echt nicht viel gebracht, ausser Aufregung um die autofreie Stadt. Dafür hat die Frau,
    mit der Plagiatspromotion und Herr Saleh dafür gesorgt, daß ein eingearbeiteter Innen- und Sportsenator gegen eine blasse wasserstoffblondierten Frau ausgetauscht wurde. Von den ansonsten unfähigen Regierungsmitgliedern garnicht zu reden.

  12. 12.

    Wer ist den "der Berliner"? Holger, für wen haben sie denn etwas erreicht? Oder meinen Sie sich selbst? Der Senat hat nichts für Sie erreicht? Das ist nicht sein Job!

  13. 11.

    Keine Ahnung was bei Berta so populistisch sein soll, Sie hat völlig recht. Muss man nu wieder entrüstet sein, den Finger zeig drohend nach oben? Ich klemm es mir mal, müsste mir quasi den Mund mit Kernseife auswaschen würde ich mein Kommentar über RRG abgeben. Sonniges WE

  14. 10.

    Wow. Soviel unbegründete populistische Meinung in einem 3zeiler. Fremdenfeindlich, beleidigend und unwahr. Schafft nicht jeder in der Kürze.

  15. 9.

    Wenn Berlin von auswärtigen Kleinbürgern regiert wird kein Wunder. Dreht sich doch eh nur alles um die Autofahrer. Beschränkungen wo es nur geht aber ohne Konzept. Digitalisierung der Ämter Fehlanzeige, nur mal so.

  16. 8.

    Ja, eine Großstadt die im Autolärm, Gestank und Stau erstickt. Und die A 100 sorgt dafür das es noch mehr wird.

    Nicht der Berliner Senat möchte lieber Grünflächen anstelle einer Autobahn haben, sondern die Mehrheit der Berliner.

  17. 7.

    Als Steuern zahlender Arbeitnehmer in Deutschland kann man schon einmal schlechte Laune bekommen.

    Ich bin genervt, das mir von Menschen die ohne qualifizierte Ausbildung oder Berufserfahrung, wenn auch rechtlich möglich, erzählt wird was ich als Bürger zu tun habe, während man selber sämtliche Annehmlichkeiten mitnimmt.

  18. 6.

    Holger
    Nichts haben Sie erreicht, zumindest nicht für den Berliner.

  19. 5.

    Die SPD ist schon länger in Führungsverantwortung….. Die letzten Regierungen waren immer SPD geführt.

  20. 4.

    Ich schätze einmal das ist so: Es gibt vorher eine Klausurtagung. Das sitzen schon viele zusammen. Würden die jetzt alle einzeln und so fahren, kämen sie auch in einem grossen Zeitraum unterschiedlich beim nächsten Gruppentermin an.
    Sehen Sie. So einfach kann das sein. Und Sie würden es in der Abwägung vielleicht gar nicht anders organisieren. Trügen Sie Verantwortung für den Zeitplan einer Tagung.
    Weshalb der gecharterter Bus nun die "feinere" Elitenvariante gegenüber einem ÖPNV-Bus sein soll erschliesst mit nicht.
    Vielleicht haben Sie einfach schlechte Laune und wollen was schlechtes über "die da Oben" schreiben.
    Schade. Gäbe genug Thema für scharfe Kritik an der Realpolitik der SPD. Vor allem wegen des Irrtums, die SPD müsse gesellschaftspolitisch sich eher rechtskonservativ platzieren. Keine Ahnung wer denen das einredet. Auf dem Acker ist ja schon weitaus genug im Angebot.

  21. 3.

    Wieso fährt man nicht klimafreundlich mit Bus und Bahn? Für 9 Euro könnte man jetzt einen ganzen Monat die Vorzüge des ÖPNV nutzen und mit gutem Beispiel vorangehen, oder ist man sich zu fein dafür?

  22. 2.

    100 Tage sind vorbei, was hat die Berliner SPD in Führungsverantwortung für uns Berliner seitdem erreicht?

  23. 1.

    Ist ja alles gut und schön von soviel "Einigkeit" in der SPD zu lesen aber
    GOTT SEI DANK
    liegt der Weiterbau der A100 in den Händen der Bundesregierung.
    Der Berliner Senat möchte lieber Grünflächen anstelle einer Autobahn haben und vergisst leider - wie bei manch anderen nicht nachvollziehbaren Entscheidungen -, dass Berlin eine GROßSTADT ist.

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