Landesparteitag in Neukölln - Giffey und Saleh bleiben mit knappem Ergebnis SPD-Landesvorsitzende in Berlin

Beim Landesparteitag der Berliner SPD sind die jetzigen Vorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh zwar wiedergewählt worden - allerdings mit deutlich schlechteren Ergebnissen als noch 2020.
Franziska Giffey und Raed Saleh bleiben an der Spitze der Berliner SPD. Beim Landesparteitag am Sonntag in Berlin-Neukölln erhielt die Regierende Bürgermeisterin Giffey 58,9 Prozent der Stimmen, Fraktionschef Saleh 57,4 Prozent.
Die Ergebnisse für das Führungsduo sind damit deutlich schlechter als bei seiner ersten Wahl vor rund eineinhalb Jahren. Im November 2020 kam Giffey auf rund 89, Saleh auf etwa 69 Prozent. Auch überraschend: Es gab 60 Enthaltungen. Außerdem stimmten mehr Delegierte gegen Giffey als gegen Saleh: Giffey erhielt 82 Nein-Stimmen, Saleh 78.
Zuletzt hatte es intern Kritik am harten Führungsstil der Doppelspitze Giffey und Saleh gegeben, die zwar nach außen eine "Partei aus einem Guss" mimt, aber vor allem bei den Kernthemen zu kämpfen hat: Bauen und Wohnen, Bildung und Verkehr.
A100-Weiterbau: Delegierte stimmen klar dagegen, Giffey und Saleh positionieren sich nicht
Die Delegierten auf dem Landesparteitag sprachen sich am Sonntagabend außerdem mit großer Mehrheit gegen den Weiterbau der Stadtautobahn A100 im Osten Berlins aus. 64,35 Prozent von ihnen stimmten für einen entsprechenden Antrag aus dem Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg, der einen Planungsstopp und den Verzicht auf den 17. Bauabschnitt fordert. Franziska Giffey und Raed Saleh hatten sich vor dem Parteitag nicht hinter diese Position gestellt, aber beim Parteitag selbst auch nicht ausdrücklich dagegen Stellung bezogen.
Neuer Landesvorstand gewählt - Zado, Geisel und Spranger scheiden aus
Außerdem wurde am Sonntag ein neuer geschäftsführender Landesvorstand gewählt: Als stellvertretende Landesvorsitzende schieden Julian Zado, Bausenator Andreas Geisel und Innensenatorin Iris Spranger aus. Dafür rückten der SPD-Kreisvorsitzende in Charlottenburg-Wilmersdorf, Kian Niroomand, die Pankower Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung, Rona Tietje, und die Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin im Bauministerium, Cansel Kiziltepe, auf. Sie werden zum politischen Lager von Giffey und Saleh gezählt. Als Landes-Vize bestätigten die Delegierten Ina Czyborra, als Landeskassierer Michael Biel.
Sie gehören zum Personal, das die Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh im Vorfeld des Landesparteitags vorgestellt hatten. Die neuen Gesichter sollen demnach für die Vielfalt Berlins stehen: Männer und Frauen, Ost und West und Politiker und Politikerinnen mit Integrationsgeschichte. Tatsächlich ist der neue Vorstand nun weiblicher und jünger.
Während des Parteitags betonte Giffey auch: das Land Berlin, die Bezirke und der Bund sollen in Zukunft enger zusammenarbeiten. Alle drei Ebenen sind nun im neuen Vorstand vertreten.
Saleh warnt vor Armut in der Hauptstadt
Saleh hatte vor der Wahl vor der Gefahr wachsender Armut in der Hauptstadt gewarnt. Berlin müsse bezahlbar bleiben, forderte er am Sonntag. "Verdammt noch mal, ich will keine weitere Gentrifizierungswelle in Berlin", sagte er mit Hinweis auf gestiegene Energiekosten und die hohe Inflationsrate.
Es gebe in Berlin Menschen, die im Einkaufszentrum ins Portemonnaie guckten und dann feststellten, dass sie manches nicht mehr kaufen könnten. "Das Thema der drohenden Armut ist eine Aufgabe der deutschen und auch der Berliner Sozialdemokratie", sagte Saleh. "Wir wollen, dass man sich diese Stadt noch leisten kann."
Deshalb habe sich die SPD bereits für kostenlose Bildung starkgemacht, für den kostenlosen ÖPNV für Schülerinnen und Schüler und für die Erhöhung des Mindestlohns. "All das kam von der Berliner Sozialdemokratie, nicht von den Grünen, nicht von den Linken", betonte der SPD-Landeschef.
Giffey will Innenstadtbezirke zurückgewinnen
Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey hat derweil ihre Partei aufgerufen, die Innenstadtbezirke nicht den Grünen zu überlassen. "Es ist nicht selbstverständlich, dass die Grünen automatisch die Mitte haben", sagte Giffey in Neukölln mit Blick auf die Ergebnisse der Abgeordnetenhauswahl im September. "Wir müssen was dagegen tun." Das Ziel sei es, Vertrauen zurückzugewinnen, gerade in der Mitte der Stadt, sagte Giffey.
Die Entwicklung, dass die Grünen in den Zentren stark seien, gebe es auch in anderen Großstädten. Das sei aber nicht in Stein gemeißelt, sagte Giffey. "Das muss nicht so sein. Und wir müssen dafür arbeiten in den nächsten Monaten und Jahren, dass das wieder anders wird." Dafür sei viel zu tun. "Und das haben wir auf dem Schirm." Es müsse genau geschaut werden, was die Leute dort brauchten und welche Schwerpunkte die SPD entsprechend setzen sollte.
Giffey sagte, die SPD trage dazu bei, dass Berlin wieder durchstarten könne nach der Pandemie, etwa durch das Neustartprogramm, mit dem Berliner Unternehmen unterstützt werden. "Wir brauchen eine gute Wirtschaft in unserer Stadt, die auch Arbeit schafft", sagte Giffey. "Aber es geht nicht nur um eine starke Wirtschaft. Das ist nur ein Teil der Lösung." Mit Blick auf die Arbeitsbedingungen bei manchen Lieferdiensten sagte die SPD-Politikerin, manche Leute meinten, Start-ups seien hip, wenn man den Mitarbeitern dort nicht die gleichen Rechte etwa bei der Mitbestimmung einräume wie anderswo. "Das geht nicht", sagte Giffey. Hip seien Unternehmen, die auf betriebliche Mitbestimmung setzten und dafür sorgten, dass es faire Bezahlung, gerechte Löhne und vernünftige Arbeitsbedingungen gebe.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.06.2022, 19:30 Uhr
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