Onlinezugangsgesetz in Brandenburg - Wittenberge sieht sich kurz vor der "digitalen Revolution"

Der Plan, die komplette Verwaltung in Deutschland bis Ende 2022 zu digitalisieren, ist krachend gescheitert. Das sogenannte Onlinezugangsgesetz hat seine Ziele verfehlt. Im Rathaus Wittenberge herrscht dennoch Aufbruchsstimmung. Von Oliver Soos
In Wittenberge (Prignitz) wird optimistisch über die noch umzusetzende Digitalisierung gesprochen, obwohl das zugehörige Onlinezugangsgesetz schon 2017 in Kraft getreten ist und einige Fristen längst verstrichen sind.
Natürlich kennt der Bürgermeister von Wittenberge, Oliver Hermann (parteilos), den Vergleich mit Estland. "Die haben früher mit der Digitalisierung angefangen und in kleinen, zentral regierten Staaten ist alles ein wenig einfacher, als im föderalistischen System", sagt Hermann. Er will sich von der kaum noch einzuhaltenden Deadline für das Onlinezugangsgesetz nicht die Laune verderben lassen. "Es war schon richtig, sich eine Frist zu setzen, damit es schneller vorangeht. Als man aber von Ende 2022 sprach, konnte keiner ahnen, dass die Corona-Krise kommen würde", so Hermann.
Die Digitalbeauftragte der Stadt Wittenberge, Katja Evertz, zieht einen interessanten Vergleich: "In Deutschland denkt man oft, die Digitalisierung sei wie der Bau eines Autos: Ich lass mir alle Einzelteile bis zu einem bestimmten Termin liefern, baue sie zusammen und dann ist sie fertig." Digitalisierung sei aber kein in sich geschlossenes Projekt. Sie gehe immer weiter und müsse als Daueraufgabe gesehen werden, so Evertz.
Digitalisierung braucht keinen Termin
Der Optimismus im Rathaus von Wittenberge ist erstaunlich. Denn hier steht man beim Thema Digitalisierung, wie in ganz Brandenburg, noch am Anfang. Evertz kann gerade mal zwei wichtige Bürger-Dienstleistungen nennen, die in ihrem Rathaus digital angeboten werden: die An- und Ummeldung eines Gewerbes und der "Maerker", ein Portal, in dem Bürger Schäden in der Stadt melden können.
Bis Ende des Jahres erwartet die Digitalbeauftragte ganze vier bis fünf weitere Online-Dienstleistungen für ihr Rathaus. Allerdings wären es echte Highlights, denn sie würden den Bürgern und Mitarbeiterinnen einigen Stress ersparen. "Es gibt die Ankündigung, dass bis Mitte dieses Jahres folgende Leistungen als Onlinedienst zur Verfügung gestellt werden sollen: die An- und Ummeldung des Wohnsitzes, die Beantragung und Verlängerung des Personalausweises, die Eheschließung und die Einbürgerung. Wenn das alles fertig ist, muss das Land allerdings noch prüften, ob es für Brandenburg umsetzbar ist", sagt Evertz.
Die "digitale Revolution" beginnt in wenigen Monaten
Der Entwicklungsprozess ist komplex. Jedes Bundesland ist für ein Fachthemengebiet zuständig – Brandenburg für Ein- und Auswanderung. Das Land entwickelt hierfür die passenden Online-Anwendungen und testet sie zunächst mit eigenen Pilot-Kommunen und dann mit Pilot-Kommunen in anderen Bundesländern. Am Ende werden die funktionierenden Programme untereinander ausgetauscht. "EfA – Einer für Alle" heißt dieses Prinzip.
Wittenberges Bürgermeister Oliver Hermann, der zugleich auch Präsident des Brandenburger Städte- und Gemeindebunds ist, spricht von einer echten "digitalen Revolution", die unmittelbar bevorstehe. Er kritisiert allerdings, dass die Kommunen, wie die "letzte Kette im Glied" behandelt würden. Die Kommunikation sei mangelhaft. "Wir erwarten vom Bund und vom Land Brandenburg verbindliche Informationen, welche der geplanten 575 digitalisierten Verfahren bis Ende des Jahres wirklich zur Verfügung gestellt werden, damit wir uns darauf einstellen und sie auch kommunal umsetzen können", sagt Hermann.
Landesregierung sieht die Verantwortung in den Kommunen
Der IT-Beauftragte der Landesregierung, Markus Grünewald, sieht das anders. In den Brandenburger Kommunen gäbe es einen "bunten Strauß" bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und das hänge vom jeweiligen Bürgermeister ab, so Grünewald.
"Je nachdem, wie der Hauptverwaltungsbeamte seine Schwerpunkte setzt, so wird auch umgesetzt und bei manchen hapert es ein wenig an dem Bewusstsein, wie stark gerade die Kommunen, die in direktem Kontakt mit den Bürgern sind, Onlinedienste anbieten müssen", sagt Grünewald.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 07.06.2022., 19:46 Uhr