Berliner Positionen - So wird um eine mögliche Zukunft des Neun-Euro-Tickets gerungen

Der Bundestag diskutiert über eine Verlängerung des Neun-Euro-Tickets. Verkehrsminister Wissing (FDP) hält nichts von dieser Idee. Die Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus haben wiederum eigene Vorschläge. Von Efthymis Angeloudis
Im ersten Monat nach Einführung des bundesweiten Neun-Euro-Tickets hat sich das Reiseaufkommen auf der Schiene erhöht. Die Zahl der Fahrgäste wiederum, die ohne Ticket im Berliner Nahverkehr erwischt wurden, ist sehr deutlich gesunken. Kein Wunder also, dass viele eine Verlängerung des Verkehrsexperiments fordern.
So forderte der Verkehrsclub Deutschland am Freitag, ein einfaches Tarifsystem, das für alle bezahlbar sei. "Gleichzeitig muss Geld für Streckenausbau, Taktverdichtung und Barrierefreiheit bereitstehen. Denn wo kein Bus fährt, nützt das billigste Ticket nichts", teilte der VCD mit - anlässlich einer Debatte über eine Verlängerung des Tickets, die am Freitag auf der Tagesordnung des Bundestags stand.
Wissing schließt Verlängerung des Tickets aus
Auf die Tagesordnung gesetzt hatte das Thema die Linksfraktion. Das Neun-Euro-Ticket sollte aus ihrer Sicht mindestens bis Jahresende verlängert werden, heißt es in ihrem Antrag.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) schließt eine Verlängerung des Tickets aus. "Derzeit gibt es keine Überlegungen, das Neun-Euro-Ticket zu verlängern", sagte Wissing bereits im Juni. Das Ticket koste im Monat über eine Milliarde Euro. Dauerhaft sei eine Finanzierung nicht möglich. Außerdem sei die Maßnahme als Reaktion auf die hohen Energiepreise gemeint und daher zeitlich befristet im Gesetz angelegt.
Doch die Energiepreise dürften nach Ablauf der drei Monate kaum günstiger werden. Stellt sich die Frage: Könnte Berlin die Lücke füllen und eine günstige Anschlusslösung anbieten?
Grüne: Nachfolgemodell und City-Maut zur Finanzierung
Die Berliner Grünen befürworten ein Nachfolgemodell des Tickets - verweisen dabei aber auch auf den Bund. "Wir sind daran interessiert und hoffen, dass das Ministerium den Erfolg des Neun-Euro-Tickets zum Anlass nimmt, den Bundesländern eine dauerhafte Unterstützung zu ermöglichen", so der Sprecher für Bahnpolitik, Alexander Kaas Elias, gegenüber rbb|24.
"Zugleich braucht es für den Ausbau von Bahnen und Bussen in Berlin eine stärkere dritte Finanzierungssäule als bisher", so Kaas Elias. "Wir können uns dafür eine City-Maut vorstellen." Ein Nachfolgemodell müsste laut Kaas Elias im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) abgestimmt werden. "Mit einer entsprechenden Finanzierung aus dem Bundesverkehrsministerium wäre dies leichter zu erreichen und wäre für alle Bundesländer möglich."
Linke: Verlängerung bis Ende des Jahres und Nachfolgemodell
Die Berliner Linksfraktion fordert - wie auf Bundesebene - von der Bundesregierung die Verlängerung des 9-Euro-Tickets mindestens bis Ende des Jahres. "Diese Zeit kann dafür genutzt werden, um bundesweite Nachfolgeregelungen zu vereinbaren, beispielsweise ein bundesweites Ticket für den Regionalverkehr, das an ein 365-Euro-Ticket angelehnt ist", sagte der verkehrspolitische Sprecher Kristian Ronneburg dem rbb.
"Um auch ärmere Berliner*innen stärker zu entlasten, sollte bei einer Verlängerung des 9-Euro-Tickets analog zu der Hamburger Regelung das Ticket für Berlin-Pass-Inhaber*innen auch in Berlin kostenlos sein", so Ronneburg weiter.
Einen Berliner Alleingang sieht die Linke nicht vor. Hier sei eine Bundesregelung erforderlich. Wenn es diese nicht gibt, sei aber auch ein günstiges Berlin-Ticket für den Bereich AB eine Option. "Dafür muss jedoch die Finanzierung sichergestellt sein und das angesichts der Herausforderung, dass immer mehr investive Mittel in die Modernisierung und den Ausbau des Netzes investiert werden müssen", erklärt Ronneburg. "Wir brauchen daher mehr Bundesmittel und auch weitere Finanzierungssäulen für den öffentlichen Nahverkehr, wie es der Koalitionsvertrag von Rot-Grün-Rot auch vorsieht."
Die SPD als dritte Koalitionspartei der Berliner Landesregierung war bis Freitagabend für eine Einschätzung zu einer möglichen Zukunft des 9-Euro-Tickets nicht zu erreichen.
FDP: Keine Verlängerung, Zweck erfüllt
Die Berliner FDP wiederum rechnet aktuell weder mit einer Verlängerung des Neun-Euro-Tickets noch mit einem Berliner Alleingang. Der verkehrspolitische Sprecher Felix Reifschneider sieht das Ticket trotzdem als Erfolg. "Das 9-Euro-Ticket hat viele Menschen effektiv entlastet. Damit hat es seinen Zweck erfüllt", sagte er rbb|24 am Freitag. "Ein Nachfolgemodell ist aktuell nicht erforderlich. Wichtiger ist eine Verbesserung des ÖPNV-Angebots in der Fläche."
Die Verlängerung des Tickets könne nicht im Berliner Alleingang beschlossen werden. "Selbst ein gemeinsames Angebot mit Brandenburg würde nicht die Attraktivität des 9-Euro-Tickets erreichen."
CDU: 365 Euro Ticket
Die Berliner CDU fordert ein preislich attraktives 365-Euro-Ticket für Berlin, "wie dies lange vom Regierenden Müller unterstützt wurde", sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Oliver Friederici. Einen solchen Fahrschein hatten zuletzt etwa das Umweltbundesamt, Verbraucherschützern sowie Städte- und Gemeindebund gefordert.
"Ein Zwangsticket für alle Berliner ab 18 Jahre, wie das die Grünen wollen, kommt für uns nicht in Frage", so Friederici gegenüber rbb|24. "Parallel dazu muss aber insbesondere der U- und S-Bahnverkehr ausgebaut und die BVG vom Senat endlich mit den notwendigen Zuschüssen unterstützt werden."
AfD: Neun-Euro-Ticket ist eine Milchmädchenrechnung
Die Berliner AfD schlägt hingegen kein Nachfolgemodell vor. "Die Kosten werden durch das Neun-Euro-Ticket nicht geringer, sondern die Differenz trägt der Steuerzahler, also alle Bürger," sagte Gunnar Lindemann dem rbb. "Daher ist das Neun-Euro-Ticket eine Milchmädchenrechnung."
Stattdessen bräuchte der Berliner ÖPNV mehr Sicherheit, Service und Sauberkeit. "Dazu entsprechende P und R Parkplätze, damit Menschen problemlos vom Auto in den ÖPNV, inklusive Parkplatz, umsteigen können", so Lindemann weiter.