Hohe Lebensmittel- und Energiepreise - DIW-Präsident fordert gezielte Hilfen für arme Menschen

Mo 18.07.22 | 22:28 Uhr
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Lebensmittel liegen in einem Supermarkt in einem Einkaufswagen. (Quelle: dpa/Fabian Sommer)
Video: rbb24 Abendschau | 18.07.2022 | Interview mit Marcel Fratzscher | Bild: dpa: Fabian Sommer

Die hohen Preise für Lebensmittel und Energie bereiten vielen Menschen Sorge. Besonders hart trifft es die, die ohnehin wenig Geld haben. DIW-Präsident Fratzscher fordert deshalb von der Politik gezielte Hilfen.

Angesichts stark gestiegener Lebensmittel- und Energiepreise hat der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, die Politik zu einer gezielten Unterstützung besonders belasteter Menschen aufgerufen.

"Wir erleben eine höchst unsoziale Inflation", sagte Fratzscher am Montagabend in der rbb24-Abendschau. Menschen mit geringem Einkommen sind demnach besonders belastet, weil sie einen sehr viel höheren Anteil ihres Einkommens für ihre Grundversorgung brauchten. "Gerade Menschen mit geringem Einkommen leiden im Moment besonders stark."

Mehrwertsteuersenkung reicht nicht

Fratzscher fordert eine Erhöhung der Sozialleistungen um 100 Euro pro Monat und Kopf. "Das würde zumindest die Kosten der höheren Inflation ausgleichen." Menschen mit geringen oder mittlerem Einkommen sollen durch ein drittes Entlastungspaket der Bundesregierung entlastet werden. "Auch Menschen, die keine Sozialleistungen beziehen, können nicht auf einmal 300 oder 400 Euro mehr an Kosten für Lebensmittel und Heizkosten verkraften", so der DIW-Präsident.

Die von der Berliner Verbraucherschutzsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) vorgeschlagene Mehrwertsteuersenkung auf Grundnahrungsmittel sei "besser als nichts". Aber davon profitieren laut Fratzscher vor allem Besserverdiener. Auch reiche das "vorne und hinten nicht, um Menschen mit geringem Einkommen zu entlasten".

Auch Jarasch hat sich im Hinblick auf die Energiekrise für möglichst zielgenaue staatliche Hilfen für Geringverdiener ausgesprochen. Für Transferleistungsempfänger trage der Staat die Heizkostenzuschüsse, sagte sie am Montag der Nachrichtenagentur dpa. "Wir müssen jetzt vor allem diejenigen entlasten, die hart arbeiten, aber wenig verdienen." Gleichzeitig plädierte Jarasch dafür, die Mehrwertsteuer auf viele Grundnahrungsmittel zu senken. "Das würden gerade ärmere Menschen, alle Transferleistungsempfänger, aber auch alle, die wenig verdienen, deutlich spüren. Das wäre eine gezielte Entlastung."

Fratzscher erwartet langfristig hohe Preise

Fratzscher sagt, die Politik müsse schnell handeln, "die Menschen haben keine Zeit, noch einmal sechs Monate oder neun Monate auf Leistungen zu warten".

Der DIW-Präsident geht davon aus, dass die Preise auch nach dem Ende des Krieges in der Ukraine nicht wieder sinken. "Wir werden uns langfristig auf deutlich höhere Preise für Energie und für Lebensmittel einstellen müssen, als was wir vor diesem Krieg hatten." Nur permanent höhere Einkommen – durch Arbeit oder soziale Leistungen – könnten dauerhaft helfen. "Temporäre Entlastungen reichen nicht gegen permanent höhere Preise."

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.07.2022, 19:30 Uhr

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38 Kommentare

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  1. 38.

    Die Kommentare zeigen teilweise den Neid einiger Menschen, wenn die Meinung vertreten wird, besser Verdienende von Entlastungen auszunehmen, die von diesen Missgünstigen nicht geteilt wird.
    Diese Leute denken nur an sich und vergessen dabei, dass der STEUERZAHLER diese Leistungen im Endeffekt finanziert.

  2. 37.

    Ich finde, dass eine Entlastung für Menschen mit geringem Einkommen selbstverständlich sein sollte aber wenn jemand sehr gut versorgt ist, der muss nicht unbedingt davon profitieren. Denn die Zeche müssen alle STEUERZAHLER zahlen.
    Die Politik sollte nicht immer das GIEßKANNENPRINZIP anwenden sondern gezielt agieren.

  3. 36.

    Ich finde schon, dass ab einem gewissen Einkommen - z.B. ab 3.000 Euro - keine Entlastung mehr stattfinden braucht, für die ja im Endeffekt der Steuerzahler aufkommen muss.

  4. 35.

    Es wäre doch kein Problem, wenn man allen Einkommen unter 3.000€ brutto jeden Monat die Lohnsteuer um 100€ kürzen würde. Sofort!
    Könnten die Parteien sofort beschließen.
    Vor der Wahl wollten alle untere Einkommen entlasten.
    Komischerweise sind wir immer nur dann ein reiches Land, wenn Grüne Politik bezahlt werden soll.
    Aber warum gibt man nicht mal den kleinen Leuten was von ihren Steuern zurück?

  5. 34.

    Deswegen bleiben ja viele zu Hause, da sie durch die ganzen Unterstützungen das gleiche Geld bekommen als wenn sie arbeiten gehen würden. Das schafft dann natürlich auch keine Anreize.

  6. 33.

    Der Begriff "Bedürftigkeit zu prüfen" kam aus dem Kommentar auf den ich geantwortet habe und das habe ich so interpretiert, dass die Betroffenen ihre Anspruch anmelden und nachweisen müssen. Im Gegensatz dazu: Prüfung durch die amtlichen Stellen wessen Einkommen liegt unter XYZ Euro, der bekommt den Ausgleich. Dass so oder so etliche durch's Raster fallen, wird nicht ausbleiben.

  7. 32.

    Wir schreiben uns hier alle die Köpfe heiß, überlegen wem wir was noch wegnehmen können und wem wir wieviel noch geben können. Die arbeitende Bevölkerung hat durch die aktuelle Lage auch immer weniger Geld in der Brieftasche, wie lange wollen wir sie noch melken, irgendwann wird sich Arbeit nicht mehr lohnen dann kann man auch zu Hause bleiben und vom Staat leben. Viel schlimmer ist es wenn man dann noch liest das die EU für alle ihre Angestellten, wir reden hier von ca.66.000!!!! eine Erhöhung des Gehalts von 8,5% oder 1300€ beschlossen hat. Da rüber sollte ihr euch mal Gedanken machen und wenn es dann soweit ist werden auch unsere Politiker/Bundestagsabgeordnete sich ihre Diäten erhöhen um die steigende Inflation auszugleichen, denn was sein muss muss sein.

  8. 31.

    Ja, ich habe ebenfalls diese Vermutung. Wann hört man endlich damit auf, weiter Unmengen an Waffen in die Ukraine zu liefern!!

  9. 30.

    "Unser Staat tut zwar so als ob er den "Bedürftigen" was gutes tun will."

    Der Staat, das sind wir alle. Demokratie- und Verfassungsfeinde tun immer gerne so als wäre das was abstraktes, welches bekämpft werden muß.

    "Alle Parteien, außer vielleicht die FDP, wollen den "besser" verdienenden ans Portemonnaie."

    Nein, es soll nur gerechter verteilt werden. Die sog. "Besserverdienenden" (wo beginnt das eigentlich?) haben siech an der Pandemie dumm und dusslig verdient und nun an den Kriegsfolgen, wobei viele Preisteigerungen überhaupt nichts mit dem Krieg zu tun haben. Man freut sich aber über den Vorwand um so richtig abzuzocken.

  10. 29.

    Genau das habe ich mir auch gedacht. Wenn ich sehe, wie die FDP an der Mehrwertsteuer für das Gastgewerbe herummurkst, kann ich mich nur wundern, dass sie Lindner das Finanzministerium überlassen haben. Hatten sie die Mövenpick-Affäre 2009 denn schon vergessen. Es zeugt schon von Chuzpe ,dass das mit der selben Branche wiederholt wird. Mehrwertsteuersenkung ist nicht zu kontrollieren, deshalb wird sie immer wieder ins Spiel gebracht.

  11. 28.

    Dann schließe ich mich Ihnen beiden an. Weil's stimmt....

  12. 27.

    Grundsteuer ist die reinste Ausplünderung. Wenn man sehen könnte was die Ämter damit machen-ok. Aber hier im Zentrum wenige Schritte und schon geht es los: Vergammelt, ungepflegt und junge Linden; schon Nachpflanzung aber ganz kleine Blätter und Verkahlungszaneichen. 50 m entfernt sind Ordnungsamt und Grünpflege. Habe nur Verachtung.

  13. 26.

    "sie können doch auch mehr Arbeit leisten..." können könnte man, aber bezahlt wird es nicht und vom Zeitkonto kann man kein Brot kaufen.

  14. 25.

    "Unser Staat tut zwar so als ob er den "Bedürftigen" was gutes tun will."

    Der Staat, das sind wir alle. Demokratie- und Verfassungsfeinde tun immer gerne so als wäre das was abstraktes, welches bekämpft werden muß.

    "Alle Parteien, außer vielleicht die FDP, wollen den "besser" verdienenden ans Portemonnaie."

    Nein, es soll nur gerechter verteilt werden. Die sog. "Besserverdienenden" (wo beginnt das eigentlich?) haben siech an der Pandemie dumm und dusslig verdient und nun an den Kriegsfolgen, wobei viele Preisteigerungen überhaupt nichts mit dem Krieg zu tun haben. Man freut sich aber über den Vorwand um so richtig abzuzocken.

  15. 24.

    Guter Kommentar, sehr gut...

    Erkläre mir den Unterschied zwischen Bedürftigkeit zu prüfen und Festzustellen wer ein bestimmtes Einkommen unterschreitet. Der-Diejenige, der/die ein bestimmtes Einkommen unterschreitet ist ergo nicht gleich Bedürftig.

    Der Vorschlag ist einfach supergenial.

  16. 23.

    Die kürzlich abgestürzte AN-12 mit 11,2 t Munition an Bord gehörte übrigens der Ukraine. Angeblich Munitionstransport nach Bangladesh - Zwischenstop im Libanon. (Auftankung ) hieß es. 8 Tote. Es sind übrigens schonn viele Maschinen dieses Typ s abgestürzt-weit über 100 ! Mit so etwas transportiert man nix !

  17. 22.

    "Es wird Zeit das nicht nur an die Beduerftigen gedacht wird." Wurde doch, Porschefahrer haben sich am meisten über den schwachsinnigen Tankrabatt gefreut.

    "Die Leistungstraeger dieser Gesellschaft brauchen auch eine deutliche Entlastung." Finde ich auch, Pflegekräfte, Zusteller und Angestellte im Einzelhandel sollten ein dickes Gehaltsplus bekommen. Aber da jaulen ja schon wieder die ersten auf wenn es um die Erhöhung des Mindestlohns geht.

    "Dieses Land braucht vor allem Politiker die die Probleme lösen und nicht die Inflation noch anheizen" 5 € ins Phrasenschwein der Stammtischparolen.

  18. 21.

    Bin kürzlich zufällig auf einen n-tv Beitrag gestoßen: Ein Interview mit einem ehemaligen Militärberater der Kanzlerin Merkel; ein ...Dienstgrad...Herr Vad. So ganz anders als tägliche Medienberieselung. Warum macht man das mit uns ?

  19. 20.

    Herr Fratzscher, fordern Sie lieber das Ende von Sanktionen und Waffenlieferungen und es läuft wieder.

  20. 19.

    "Die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu senken halte ich für den falschen Weg, " richtig, zumal sich ja wieder nicht nachvollziehen lässt, ob die Senkung wirklich an den Verbraucher weitergegeben wird oder der Handel vorher die Netto-Preise anpasst.
    "Nachweis der Bedürftigkeit" dauert zu lange, besser Alle, die ein bestimmtes Einkommen unterschreiten, das muss doch zu ermitteln sein.

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