Im Alter von 83 Jahren - Berliner Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele gestorben

Mi 31.08.22 | 12:11 Uhr
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Hans-Christian Ströbele (Quelle: dpa/Britta Pedersen)
Video: rbb 13 Uhr | 31.08.2022 | Bild: dpa/Britta Pedersen

Er war RAF-Anwalt und Mitbegründer der Grünen. Ein sensationeller Wahlsieg machte Hans-Christian Ströbele zur Parteilegende. Nun ist er nach langer Krankheit im Alter von 83 Jahren gestorben.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele ist tot. Er starb am Montag im Alter von 83 Jahren, wie sein Rechtsanwalt Johannes Eisenberg am Mittwoch mitteilte. Ströbele habe sich entschieden, "dass er den langen Leidensweg, den ihm seine Erkrankung zugemutet hat, nicht mehr fortsetzen wollte, und lebenserhaltende Maßnahmen reduziert", hieß es in einer Erklärung Eisenbergs.

Der frühere RAF-Anwalt Ströbele, dessen Markenzeichen ein roter Schal, leuchtend weiße Haare und sein Fahrrad waren, war 2002 als erster Grüner per Direktmandat im Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg in den Bundestag gewählt worden und ging damit in die Parteigeschichte ein. Ströbele hatte die Grünen mitgegründet und saß 21 Jahre lang im Bundestag. Seine Hauptthemen waren Innere Sicherheit, Polizei, Verfassungsschutz, Geheimdienste, Bürgerrechte und Datenschutz.

Mit 78 Jahren stieg Ströbele aus der Politik aus

Ströbele errang für den Berliner Bundestagswahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost bei den Bundestagswahlen 2002, 2005, 2009 und 2013 als jeweils einziger Bundestagsabgeordneter seiner Partei das Direktmandat. Bei der Bundestagswahl 2017 trat Ströbele nicht mehr an.

Erst 2017, mit 78 Jahren, war er aus der aktiven Politik ausgestiegen, betrieb seine Anwaltskanzlei in Berlin aber zunächst weiter. Vor seiner Zeit bei den Grünen war er aktiv in der damaligen Außerparlamentarischen Opposition (APO). Gemeinsam mit dem späteren Bundesinnenminister Otto Schily und dem späteren Rechtsextremisten Horst Mahler verteidigte er als Anwalt erst Aktivisten der Studentenbewegung, dann auch Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF).

Symbolfigur vor allem des linken Flügels der Grünen

Ströbele war eine Symbolfigur vor allem des linken Flügels der Grünen und scheute Auseinandersetzungen auch mit den eigenen Parteifreunden nie - etwa mit dem früheren Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer. So war Ströbele gegen die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und die Hartz-IV-Reformen. Im Parlament stimmte er immer wieder gegen die Linie seiner Fraktion.

In den letzten Jahren im Bundestag hatte Ströbele sich unter anderem intensiv dem Thema Geheimdienste gewidmet und mit einem Besuch bei US-Whistleblower Edward Snowden in Moskau Schlagzeilen gemacht.

Ströbele wurde am 7. Juni 1939 in Halle an der Saale geboren. Vater Rudolf war Chemiker, Mutter Gabriele Juristin. 1945 zog die Familie nach Marl in Westfalen um. Er studierte Jura in Heidelberg und Berlin. 1967 heiratete er Juliana Ströbele-Gregor, Schauspielerin und Ethnologin. 1969 gründete er das "Sozialistische Anwaltskollektiv" mit

Er war außerdem vor 40 Jahren Mitgründer und Unterstützer der "Tageszeitung" (taz).

Grünen betrauern den Tod ihres Mitbegründers

Die Grünen betrauern den Tod ihres Mitbegründers. Mit Ströbele verliere die Partei "eine Ikone des Kampfs für Demokratie und Frieden", schrieb Co-Parteichef Omid Nouripour am Mittwoch auf Twitter. "Ich verliere einen wunderbaren Ex-Büronachbarn, von dem ich soviel über kritischen, substanziellen und respektvollen Diskurs gelernt habe. Hans-Christian, ruhe in Frieden."

Co-Parteichefin Ricarda Lang schrieb: "Er hat mich mit seiner Integrität und seinem unbeirrbaren Kampf gegen Ungerechtigkeit zutiefst beeindruckt. Mit ihm geht ein großer Politiker, Rechtsanwalt und Mensch, der unsere Partei aber auch unser ganzes Land geprägt hat."

Auch Kanzler Olaf Scholz hat den verstorbenen Grünen-Mitbegründer gewürdigt. "Sein Antrieb war, Politik zu machen und die Gesellschaft zu verändern", schrieb Scholz am Mittwoch auf Twitter. "Mit Christian Ströbele verliert Deutschland einen streitbaren Politiker, der die politische Debatte über Jahrzehnte mitgeprägt hat. Meine Gedanken sind bei seiner Familie."

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.08.2022, 9 Uhr

26 Kommentare

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  1. 26.

    Na klar „Dr. Segebrecht“ sie sind im Alter von Ströbele und mit ihnen hat er natürlich über die RAF ständig gesprochen.
    Und „Handwerker René“ hat ihm ständig im Weg gestanden und weil Ströbele Choleriker war, ist er natürlich ständig ausgerastet.
    :-))

  2. 25.

    Sie haben sich über die Nachricht vom Tode Ströbeles gefreut, weil er Sie oder einen Ihrer Kollegen beim Ausführen von Handwerkertätigkeiten in seinem Büro angebl. mal angeraunzt hat? Das hätten Sie Ihrem Frisör erzählen können, anstatt es hier hin zu schmieren, Rene.

  3. 24.

    Ich habe ihn auch als unangenehmen alten Fundi mit Hang zur Selbstdarstellung kennen gelernt. Besonders seine Nähe und Unbelehrbarkeit zur RAF ist mir übel aufgestoßen. Leider mußte ich Berufswegen mit ihm des öfteren reden, was stets eine Qual für mich war.

  4. 23.

    Ich habe gleich für ihn gebetet, weil ich annahm, dass er nicht so fromm ist, vielleicht weiß einer, ob ich mich irre? Als Mensch, der so idealistisch gelebt hat wie er, hat er immerhin viele christliche Ideale verkörpert und gelebt, z.B. die Nächstenliebe, wenn er sich um Menschen kümmerte, die es schwer hatten.

  5. 22.

    Absolut kein Verlust !
    Habe diesen arroganten, überheblichen Menschen als Handwerker mehrfach kennenlernen dürfen.
    Sobald man ihm ein klein wenig im Weg stand, beim ausladen schwerer Sachen, pöbelte er rum und zeigte Null Verständnis !
    Wortwörtlich war mal seine Aussage, wir sollten unsere Arbeit erledigen wenn er im Büro ist und ihn nicht auf seinem Weg behindern !
    Ganz ehrlich, habe mich über diese Nachricht heute gefreut, auch wenn viele ihn als Messias bejubeln.

  6. 21.

    Wie bitte? Man kann Opferfamilien nicht zumuten, daß ein Straftäter ein rechtsstaatliches Verfahren mit einem Strafverteidiger bekommt? Du liebe Güte ... Was wäre denn Ihre Alternative? Selbstjustiz? Kurzer Prozeß? Was für ein Rechtsverständnis, ich bin entsetzt. Hatten wir das nicht erst ... so zwischen 33 und 45?

  7. 20.

    Das kann man schon kritisch sehen.
    Es gab ja auch Opferfamilien und denen kann man vieles nicht zumuten.

  8. 19.

    In unserem Rechtssystem hat jeder Straftäter Anspruch auf einen Verteidiger, welches Verbrechen auch immer er begangen hat.
    Überprüfen Sie bitte mal Ihr Rechtsstaatsverständnis.

  9. 18.

    @cervo
    Schade. RIP!

    Wollten Sie RAF schreiben?
    Dann passt es ja.

  10. 17.

    Ruhe in Frieden. Er war der beste Grünen Politiker, den die Grünen hatten. Immer standhaft geblieben.

  11. 16.

    Mein Beileid- dies wird dem rbb doch eine Sondersendung am Abend wert sein! Der Partei dann an die Arbeit, zumindest die Umbenennung eines öffentlichen Platzes sollte doch demnächst geplant und zeitnah umgesetzt werden!

  12. 15.

    Schade,war ein sehr guter Mann. Ein Mann mit Prinzipien und somit recht selten in der Politik. Auch in den letzten Wochen hat er noch seine Finger in die Wunde gelegt.

  13. 14.

    Ein Verteidiger der RAF erhält von mir ganz sicher keinen Respekt. In Frieden möge er trotzdem ruhen.

  14. 13.

    Hallo „Hansen“,
    es liegt schon mehrere Jahre zurück, da hatte ich das Erlebnis als Herr Ströbele plötzlich neben mir, ich glaube es war an einer Kreuzung irgendwo in der Warschauer Straße, an der Ampel stand. Jeder hatte sich einen schönen guten Morgen gewünscht. Das war wenigstens ein Politiker von uns. Er hatte sich nur dann mal fahren lassen wenn er sehr spät von einer Plenarsitzung o.ä. kam.
    Mit freundl. Grüßen

  15. 12.

    Mach es gut Hans Christian Ströbele...ich kann mich den anderen Kommentaren nur anschließen.

  16. 11.

    Eine Persönlichkeit, mit vorbildlicher Haltung. Er wird fehlen! RIP

  17. 10.

    Einer der letzten (prominenten) Grünen der sich nicht nur
    für einen ökologischen, sondern auch für einen sozialökonomischen
    Umbau unseres Gesellschafts- und Steuersystems eingesetzt hat.
    Davon sind die heutigen Grünen Lichtjahre entfernt.
    2005 bis 2013 konnte man ihn immer wieder mit dem Fahrrad durch Berlin Wilmersdorf und Schöneberg fahren sehen. Nicht nur wenn Film- und Fotokameras eingeschaltet waren.

  18. 9.

    Er war der einzig wahre Grüne. Er lebte vor, was er meinte.
    Zum Bundestag kam er mit seinem Rad, satt dem Fahrdienst.

  19. 8.

    Leider geht da eine wichtige Instanz verloren.
    Er war durch und durch eine „ehrliche Haut“ - sieht heute im politischen Spektrum leider kaum mehr.
    Ich wünsche ihm ne weiche Wolke

  20. 7.

    Aufrichtige authentische Menschen haben es in der Politik schon immer schwer gehabt. Ich erinnere daran, das Ströbele als einziger in seiner Partei damals gegen die Bombardierung des Kosovo gestimmt hat.

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