Deutsch-polnischer Umweltrat - Expertenrat soll bis Ende September Erkenntnisse über Fischsterben vorlegen

Mo 29.08.22 | 20:30 Uhr
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Anna Moskwa (l), Umweltministerin von Polen und Steffi Lemke (Grüne), Bundesumweltministerin, nehmen an einer Pressekonferenz zum Abschluss des Deutsch-Polnischen Umweltrats teil. (Foto: Patrick Pleul/dpa)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 29.08.2022 | Nowak/Gerstner/van Capelle | Bild: Patrick Pleul/dpa

Nicht nur die Oder, sondern auch die deutsch-polnischen Beziehungen schienen zuletzt vergiftet. Umso mehr wurde am Montag beim deutsch-polnischen Umweltrat Einigkeit demonstriert. Abschließende Ursachen wurden aber wieder nicht präsentiert.

Bis zum 30. September soll eine Gruppe deutscher und polnischer Expertinnen und Experten Ergebnisse zur Ursache des massiven Fischsterbens in der Oder vorlegen. Das kündigten Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und ihre polnische Amtskollegin Anna Moskwa am Montag in Bad Saarow an. Bei einem deutsch-polnischen Umweltrat in der brandenburgischen Stadt stand das Fischsterben oben auf der Tagesordnung.

Beide Seiten versuchten Wogen zu glätten

Dabei versuchten beide Seiten, die Wogen zwischen beiden Ländern zu glätten. So betonte Moskwa, dass "der Fluss und die Umwelt die Dinge sind, die uns verbinden und nicht trennen sollten. Das war unsere Vorgehensweise bei den Beratungen". Auch ihre deutsche Kollegin Steffi Lemke betonte die konstruktive Zusammenarbeit.

Noch vor Kurzem hatte Moskwa als Reaktion auf in Deutschland gefundene Pestizidwerte im Oderwasser die Bundesrepublik beschuldigt, "Fake News" zu verbreiten. Der polnischen Seite war in diesem Zusammenhang ein zäher Informationsfluss vorgeworfen worden.

Weiter nebulöser Ursachenmix - Klarheit erst in vier Wochen erwartet

So richtig konkrete Ergebnisse zu den Ursachen gab es beim Umweltrat am Montag allerdings nicht. Lemke und Moskwa erklärten, dass sie nach wie vor davon ausgingen, dass es wahrscheinlich an der Hitze, chemischen Einleitungen und giftigen Algen in der Oder liege.

Über die Art der Einleitungen sagte Lemke nichts. Allerdings: "Wo die Stoffe eingeleitet wurden, die zur Erhöhung des Salzgehaltes führten, ist gegenwärtig noch unklar." Die Fische seien aber nicht zuerst auf deutscher Seite gestorben, die Ursache müsse weiter stromaufwärts erfolgen, erklärte die deutsche Ministerin.

Einigkeit mit Polen bestehe darüber, dass mehrere Hundert chemische Substanzen für das Fischsterben verantwortlich sein könnten. Die Kombination der Faktoren habe zu einer Algenblüte mit toxischen Wirkungen auf Fischfauna und Muscheln geführt, waren sich Lemke und Moskwa einig. "Wir haben gemeinsam besprochen, dass die bilaterale Expertenkommission, die zwischen Deutschland und Polen arbeitet, dass diese ihr Endergebnis zum 30. September vorliegen haben soll", so Lemke.

Sie erklärte weiter, dass als Lehre aus der Katastrophe ein bestehender Warnplan überarbeitet werden müsse. "Die künftige Kommunikation muss hier schnell, klar und transparent sein." Bereits nach Beginn des Fischsterbens war mangelnder Informationsfluss aus Polen beklagt worden. Lemke sagte nun: "Wären wir von polnischer Seite schneller informiert worden, hätten wir schneller reagieren können."

Beschworene Einigkeit bröckelte später wieder

Später ging es in Bad Saarow nicht nur um die Ursachen des Fischsterbens, wie Moskwa betonte. "Wir sind beide der Meinung, dass es notwendig ist, den Bestand in der Oder wiederherzustellen. Es geht darum, dass die Fischfauna in allen Einzelarten wiederhergestellt wird. Wie man das hinkriegt, darüber werden wir noch reden", so die polnische Umweltministerin.

Dabei zeigte sich, wie weit die neu beschworene Einigkeit reichte. Denn Polen baut derzeit die Oder weiter aus, damit sie schiffbarer wird. Lemke hält das für ökologisch fatal, gerade angesichts der aktuellen Umweltkatastrophe. Im Vorfeld des Treffens hatte sie ihre Forderung nach einem Stopp des Oder-Ausbaus erneuert.

Für Moskwa kein Thema: Der seit Jahren von Polen geplante Oder-Ausbau stehe aber nicht im Zusammenhang mit dem Fischsterben. "Wir sehen auch keinen Grund, diese Maßnahmen abzubrechen", sagte Moskwa. Vielmehr wolle sie "Mythen" entgegenwirken, nach denen mit den Ausbauschritten Umweltzerstörung und Betonierung einhergehen würden. Tatsächlich diene der mit Deutschland vereinbarte Ausbau unter anderem dem Hochwasserschutz.

Lemke beharrte aber auf einem Umdenken: "Nach meiner Ansicht liegt es auf der Hand, dass diese Umweltkatastrophe historischen Ausmaßes an der Oder ein Innehalten erfordert." Es stelle sich die Frage, "ob jetzt die Regeneration des Flusses Oder im Vordergrund steht oder die weitere Nutzung", sagte Lemke. "Und das sage ich eingedenk dessen, dass ich natürlich weiß, dass es ein deutsch-polnisches Abkommen gibt, das die deutsche Bundesregierung mitgetragen hat, das völkerrechtlich bindend ist." Auch Geldmittel für den Ausbau seien von der Weltbank bereits zur Verfügung gestellt worden. "Trotzdem muss ich als Umweltministerin darauf hinweisen, dass ich finde, dass im Vordergrund das Reparieren dieser Umweltkatastrophe steht."

Moskwa sagte, dass der Fluss wieder zügiger fließen solle. "Wir wollen einfach die Wasserströmung im Fluss wieder dynamischer werden lassen", erläuterte sie. Lemke erwiderte, Baggerarbeiten könnten die Regeneration stören und erschweren. Als Erfolg wertete Lemke, dass sich nun zwei deutsch-polnische Workshops dem Thema weiter widmen sollen.

WWF fordert Oder-Ausbaustopp

Lemkes Forderung wird auch vom World Wildlife Found (WWF) gestützt. Die Umweltorganisation forderte Polen auf, die Mitte Februar auf polnischer Seite begonnenen Ausbauarbeiten sofort zu stoppen. Nach Einschätzung von Lemke könnte es Jahre dauern, ehe sich die Oder von der jüngsten Umweltkatastrophe erholt hat.

Der deutsch-polnische Umweltrat ist eine regelmäßige Zusammenkunft auf Arbeitsebene zwischen den beiden Ländern, am Tisch sitzen neben der Bundesumweltministerin und ihrer polnischen Amtskollegin auch das brandenburgische Umweltministerium und wichtige Institutionen in Umweltschutzfragen. In der Regel tagt der Rat einmal jährlich.

Sendung: Antenne Brandenburg, 29.08.2022, 16:10 Uhr

49 Kommentare

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  1. 49.

    Kostet alles nur Steuergeld und sorgt für ein paar Nebeneinkünfte.
    Am Ende wird es heißen-Eine Verkettung unvorhersehbarer Umstände.
    Wer glaubt denn an eine Aufklärung ?Wohl nur unsere Politiker .

  2. 48.

    "oder man hat über Jahre die Oder zu einer Art Kloake werden lassen."
    Würde ich angesichts aller Fakten, insbesondere weil die Behörden frühestens mit den Oder-Anliegern nach dem Ereignis "Fischsterben" reagiert haben bzw. konnten, als gesichert ansehen. Denn offenbar haben sämtliche Monitoringprozesse eine sich anbahnende Katastrophe nicht verhindern können. Bedeutet das der "Observer" der Oder offenbar blind ist.
    Daraus folgt, dass in die Oder seit Jahren, somit unter dem "Radar", verklappt wurde.
    Die These erhärtet sich noch dadurch, dass erst die Folgen des Klimawandels, wie Dürre, also niedriger Wasserstand, hohe Wassertemperatur etc., die jetzt eingetretende Umweltkatastrophe getriggert haben.

    Wenn man dieser These zustimmt ergibt sich zwangsläufig:
    ". ...wird den Bürgern beiderseits der Oder etwas verschwiegen..."

    und schließlich zu der politischen Konsequenz:
    "Erklärt wird viel! Nur bleibt der Eindruck, dass auf beiden Seiten der Oder "gemauert wird"."

  3. 47.

    "oder man hat über Jahre die Oder zu einer Art Kloake werden lassen."
    Würde ich angesichts aller Fakten, insbesondere weil die Behörden frühestens mit den Oder-Anliegern nach dem Ereignis "Fischsterben" reagiert haben bzw. konnten, als gesichert ansehen. Denn offenbar haben sämtliche Monitoringprozesse eine sich anbahnende Katastrophe nicht verhindern können. Bedeutet das der "Observer" der Oder offenbar blind ist.
    Daraus folgt, dass in die Oder seit Jahren, somit unter dem "Radar", verklappt wurde.
    Die These erhärtet sich noch dadurch, dass erst die Folgen des Klimawandels, wie Dürre, also niedriger Wasserstand, hohe Wassertemperatur etc., die jetzt eingetretende Umweltkatastrophe getriggert haben.

    Wenn man dieser These zustimmt ergibt sich zwangsläufig:
    ". ...wird den Bürgern beiderseits der Oder etwas verschwiegen..."

    und schließlich zu der politischen Konsequenz:
    "Erklärt wird viel! Nur bleibt der Eindruck, dass auf beiden Seiten der Oder "gemauert wird"."

  4. 46.

    Ein sehr schlecht vorbereitetes Gespräch von Frau Lemke. Nicht ein einziges Argument konnte die Gegenseite überzeugen. Ja noch schlimmer, die Polen haben genau das Gegenteil argumentiert, was ökologischer Wasserbau für Vorteile hat. Jetzt merken Ideologen auch, dass die Wirklichkeit mit "Ich finde" oder "Ich bin der Meinung" viel zu wenig ist und das "Nichtstuer" es manchmal schwer haben, anderen vorzuschreiben auch nichts zu tun...

  5. 45.

    Ja das ist jetzt gefragt. Eine eindeutige Aussage aus Deutschland, dass man das Abkommen von 2015 nicht einhalten möchte mit Begründung und notfalls Klage mit Vergleich, wenn das völkerrechtlich geht.
    Die EU-Wasserrahmenrichtlinie bietet da sicher einige Möglichkeiten. Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot.
    Allerdings ist Deutschland diesbezüglich leider auch kein Engel vor der EU.

  6. 44.

    Wenn Deutschland seine vielen Wasserstraßen nutzt, und es den Nachbarn - Polen verbieten will, dann gibt es wohl nur den Klageweg. Diese Wortgefechte kommen scheinheilig daher, und führen nur zu weiteren Verstimmung zwischen beiden Ländern.

    Tschechien hat auch wegen Kohlenabbau ohne ausreicenden Umweltschutz gegen Polen geklagt, gewonnen, und dann hat Tschechien den Polen angeboten den Genstand der Klage zu erfüllen, und siehe da, es hat geklappt.

  7. 43.

    Also kommen wir auf die Frage zurück. Die Oder war "früher" schiffbar von Oberschlesien bis Stettin. Ist denn nun, wie Sie jetzt durch die vertragsgemäßen Bauarbeiten befürchten, schon damals der/das Oderbruch deswegen ausgetrocknet? Denn leider haben Sie diese Frage nicht beantwortet.

  8. 42.

    Der oder das Oderbruch ist wahrscheinlich weniger problematisch da es tiefer als die Oder liegt.
    Der Grundwasserspiegel im Oderbruch wird weitestgehend durch gesteuerten Zulauf aus der Oder stabil gehalten.
    Bissel Zulauf von den Hochflächen und ab und an Regen gibt es natürlich auch noch.
    Der Stöbber aus Buckow dürfte so ziemlich der größte Zulauf ausserhalb der Oder sein. Aber klein im Vergleich zu den Durchleitern bzw. Heber.
    Ansonsten ist's aber richtig, dass ein tieferer Oderpegel großflächige Grundwasserabsenkung bedeutet. Sieht man ganz gut an dem derzeitigen Niedrigwasser und den Grundwassermessstellen nahe der Oder. Seit April oft mehr als 1 m tieferer Grundwasserstand.
    Die tiefere Rinne wird also genau das bewirken was man jetzt schon messen kann, da ja nicht mehr Wasser da ist, sondern perspektivisch gerade im Sommer weniger.

  9. 41.

    Dass Sie gerne Artikel und ArtowkelKommentareommentare selektiv lesen, ist hier altbekannt.

  10. 40.

    Ich befürchte, das wird ausgehen, wie das Hornberger Schießen. Wenn sich jetzt endlich Experten dem Problem widmen sollen, dann frage ich mich, ob vorher nur Laien an der Ursachenforschung beteiligt waren.

    Wer jetzt auf die polnischen Fachleute schimpft, der soll bedenken, dass die Oder ihre ganze Chemie auch in deutsches Hoheitsgebiet trägt zum Begutachten. Doch auch deutsche Forscher haben bislang nichts Belastbares gefunden. Je mehr Zeit ins Land geht, desto weniger aussagekräftig sind neuerliche Messungen im Fluss oder auch Messungen an vorhandenen alten Proben.

  11. 39.

    Dann bitte bis Ende September diese Stammtischdiskussion beenden.

  12. 38.

    Mit ihrem Halb- oder Unwissen beschädigen Sie auch etwas.... Wenn der Riesen-Bärenklau an manchen Stellen fröhliche Urständ feierte, wenn gleich auch "angesalbt" (künstl. ausgesetzt), und es Projekte zur Beregnung auch der Oderaue gab, dann ist das in einer Aue nicht mehr als normal zu bezeichnen. Eine sog. Auendynamik bringt gewisse Differenzierungen der Standorte hervor, aber sie sind weniger einschneidend als wenn vom Menschen industriemäßig nachgeholfen wird. Sicher braucht die Schwarz-Pappel zum Keimen auch trockengefallenen Substratrückenbereiche, aber das sind zeitlich begrenzte Ereignisse. Jede Vertiefung des Hauptabflusses wirkt sich nachteilig auch auf die Aue aus. Bitte belesen Sie sich mal.
    Hoffentlich reicht das 'Bekenntnis zur Wiederherstellung der Artenvielfalt' aus, dass auf die Vertiefung und sonst. techn. Ausbau verzichtet wird. Beim nächsten 100j. Hochwasser sagen wir danke!

  13. 36.

    Also ich mag WMF. Die haben immerhin allehand hergestellt, was ich in der Küche habe.... ;))

  14. 35.

    Woher wollen sie das denn wissen?Die Oder ist ein Grenz-Fluss und eventuell braucht ja unser Nachbarland die Schifffahrt.Es geht nicht immer nur um Deutschland.

  15. 34.

    Merkwürdig, ich lese Fachleute in Anführungszeichen, nicht Polen. Aber jeder wie er mag. Oder möchte.

  16. 33.

    Der Oderbruch? Da scheint es bei Ihnen ein grundlegendes Missverständnis über die Bedeutung des Wortes Bruch in
    OderBRUCH zu geben!
    Schiffbar ist die Oder heute auch noch, kommt eben drauf an mit was für Schiffen.

  17. 32.

    Die Oder war hunderte von Jahren schiffbar, von Cosel in Oberschlesien bis zur Ostsee. Ist da der Oderbruch ausgetrockent?

  18. 31.

    Bei manchen hab ich den Eindruck, sie halten Polen für einen Entwicklungsstaat, der nach der deutschen Pfeife tanzen muss.

  19. 30.

    Erklärt wird viel! Nur bleibt der Eindruck, dass auf beiden Seiten der Oder "gemauert wird". Es gibt eine Stoffdeklaration mit einer Art Siegel Wasserschadstoff der Gefährdungsklasse xyz. Entweder wird den Bürgern beiderseits der Oder etwas verschwiegen oder man hat über Jahre die Oder zu einer Art Kloake werden lassen. Hohe Leitfähigkeitswerte, auch "angesprungen", sind nun mal ein Punkt für nicht gerade schmeichelhafte Wassergütewerte. Ich kann das ganze Getue nicht mehr ab. Die EU hat sukzessive jährl. Wasser gefährdende Stoffe verboten mit noch ausstehenden u. schon abgelaufenen Fristen! Hält man den normalen Bürger für derart bekloppt, dass er das nicht mitkriegt? Und wenn nahezu/oder um die 200Tt tote Fische da rausgeholt wurden, dann zeigt das doch auch etwas! Natürlich sind die sich nach einiger Zeit am Boden sammelnde Kadaver die Wassergüte beeinträchtigend. Zum Ko....! Die Kähne haben sich anzupassen, nicht der Fluss!!! Liebe Fr. Lemke/Moskwa!

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